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Dr. Alemán

Dr. Alemán

OT: Dr. Alemán
DRAMA: DE, 2008
Regie: Tom Schreiber
Darsteller: August Diehl, Marleyda Soto, Andrés Parra, Hernán Méndez, David Steven Bravo

STORY:

Medizinstudent Marc möchte in Kolumbien sein Praxisjahr absolvieren. Land und Leute ziehen den abenteuerlustigen Burschen schnell in ihren Bann. Besorgte Ratschläge seitens seiner Eltern und älterer Mediziner wischt er leichtsinnig beiseite, Marc möchte seine eigenen Erfahrungen machen, er zieht es vor selbst durch die Straßen zu laufen als gefahren zu werden, kokettiert mit jugendlichen Kleinkriminellen und ist immer auf der Suche nach schnellem Sex. Doch aus Marcs unbefangenem Spiel wird bald blutiger Ernst, als er unabsichtlich zwischen die Fronten eines blutigen Drogenkrieges gerät..

KRITIK:

Ein zuversichtliches Lächeln umspielt die Lippen von Marc (August Diehl, bekannt aus "Slumming" und "23") als er in Kolumbien von seinem Vorgänger, ebenfalls einem deutschen Medizinstudenten, vom Flughafen in sein Quartier gebracht wird. Selbst das Gequatsche von Banden- und Drogenkriegen, sowie von der korrupten Regierung, mit dem sein Fahrer in ihm Ohr liegt, können Marcs Euphorie nicht trüben. Es wird schließlich immer heißer gekocht als gegessen. Marc wirkt zuversichtlich und abenteuerlustig, als er sich in die belebten Straßen stürzt.

Auch die harte Realität mit der Marc schon am ersten Tag im Krankenhaus konfrontiert wird, kann ihn nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Sicher, er wirkt etwas unsicher als er schon am ersten Tag, ohne vorher das Skalpell schon mal an einer lebenden Person ausprobiert zu haben, gleich mal eine Kugel aus der Brust eines Schussopfers entfernen muss, doch an solche Dinge gewöhnt man sich schnell.

Er sucht den Kontakt mit den Einheimischen und lässt sich auch von Überfällen nicht entmutigen. Marc ist ein Spieler. Ihn reizt das Risiko. Er kokst, lässt sich von Huren verführen und freundet sich mit Dealern, die teilweise noch Kinder sind, an. Und nebenbei holt er im örtlichen Krankenhaus Kugeln aus Patienten. Den Kontrast zum einfachen Leben der Leute mit denen Marc seine Freizeit verbringt, bilden die Unterkünfte seiner "Gastfamilie" und die pompösen Villen seiner Arztkollegen. Es zeigt sich beinahe eine Art Parallelgesellschaft. Hier die Armen, die auf der Straße herumlungern und dort die Reichen, die die Straßen maximal durchfahren und sich ansonsten hinter ihren Zäunen und Mauern verschanzen. Für Marc wäre letzteres keine Alternative. Ein Leben in vorgegaukelter Sicherheit, in Angst vor der Straße, das könnte sich der risikofreudige junge Mann nicht vorstellen.

August Diehl spielt diesen Marc mit einer ungläubigen Intensität aber auch Leichtigkeit.

Doch aus der anfänglichen Leichtigkeit wird bald schon blutiger Ernst, als durch einen dummen Zufall ein brutaler Killer auf Marc aufmerksam wird. Doch auch diesem Killer begegnet Marc anfangs mit einer Mischung aus Abenteuerlust und Unbedarftheit. Dann beginnen die Dinge sich zu überschlagen. Aus dem "Spiel" wird blutiger Ernst. Und Marc findet sich zwischen den Fronten wieder.

Ab diesen Zeitpunkt tritt die Geschichte leider streckenweise ein wenig auf der Stelle. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die anfängliche Euphorie Marcs nun verflogen ist. Sicher, August Diehl beherrscht auch die leisen Töne, doch sein reduziertes Spiel nimmt dem Film gegen Ende doch ein wenig Dynamik.

Die Geschichte bietet einen interessanten, wenn nicht gerade mutigen Ansatz. Der weltoffene, beherzte junge Mensch aus einer westlichen Wohlstandsgesellschaft, der in die Ferne zieht und sich vorgenommen hat, auf alle Vorurteile zu scheißen, nur um am Ende, so traurig es auch klingen mag, mit seinen humanistischen Idealen zu scheitern.

Der Ansatz ist überaus interessant, die Umsetzung jedoch bedient sich leider nur zu gerne der gängigen Klischees. Das ist insofern schade, da man oft den Eindruck hat, dass der Film großen Wert auf Authentizität zu legen gewillt ist. Dies zeigt sich auch in der Auswahl der Darsteller, die sich auch aus Laien zusammensetzen. Der Film möchte nichts beschönigen, zeigt den blutigen Alltag eines Arztes der tagtäglich Kugeln entfernt und Kleinkriminelle die noch nicht den Kinderschuhen entwachsen sind. Doch wirklich neu ist das meiste nicht, und in anderen Filmen zudem packender umgesetzt.

Zeitweise wirkt das ganze leider etwas zu konstruiert, zu bemüht, zu kopflastig. Die tolle Kameraarbeit vermag aber über den einen oder anderen Schnitzer hinwegzutrösten.

Außerdem verzichtet der Film bewusst auf die große Schwarz-Weiß-Malerei. Er zeigt, dass es keine einfachen Lösungen gibt.

Im Krankenhaus werden die Ärzte damit konfrontiert, Killern das Leben retten zu müssen, wohl wissend, dass der Mensch, dem sie das Leben retten, danach wieder anderen das Leben nehmen wird. Und auch die Abschottung der Reichen von den Armen wird gezeigt und auch das Dilemma in dem sie sich befinden.

Regisseur Tom Schreiber hat seinen Filme folgendermaßen beschrieben:

"Dr. Alemán" ist eine Abenteuergeschichte, die von der Gier nach Leben und Erfahrung berichtet, von der Lust alles auszuprobieren und weit weg von der persönlichen Sozialisierung jedes Risiko einzugehen. Gleichzeitig ist es eine Parabel auf die zusammenwachsende Welt mit ihren Problemen und ihrer vielschichtigen Lebensweisen und der dazugehörigen moralischen Ansätze. "Dr. Alemán" ist die persönliche Geschichte eines globalen und sehr aktuellen Themas: "das zwanghafte Überstülpen der eigenen Regeln auf fremde Gesellschaften."

Dr. Alemán Bild 1
Dr. Alemán Bild 2
Dr. Alemán Bild 3
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FAZIT:

Ein junger Mann sucht in der Ferne das Abenteuer, Glück und schlussendlich sich selbst. Doch seine romantische Sichtweise versperrt ihn nicht selten den Blick auf die raue Wirklichkeit. Doch früher oder später wird auch er mit Leid, Tod und Zerstörung konfrontiert. Nach einem starken Anfang wirkt der Film gegen Ende leider etwas zu gewollt und zu wenig packend. Dank des starken Anfangs, der interessanten Grundidee und der tollen Kameraarbeit, bleibt der Film aber dennoch sehenswert, sofern man sich auf ihn einlassen kann und am Ende auch mal ein Auge zudrückt.

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TEXT © Gerti
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