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Nothing Underneath

Nothing Underneath

OT: Sotto il vestito niente
GIALLO: ITALIEN, 1985
Regie: Carlo Vanzina
Darsteller: Tom Schanley, Donald Pleasence, Renée Simonsen, Nicola Perring

STORY:

Der Amerikaner Bob Craine ist Ranger im Yellowstone Park in Wyoming, während seine Zwillingsschwester Jessica in Mailand als Fotomodell arbeitet. Zwischen den Geschwistern besteht eine telepathische Verbindung, die insbesondere dann aktiv wird, wenn sich einer der beiden in Gefahr befindet. Als Jessica z.B. in Mailand von einem Mann auf der Damentoilette in einer Discothek belästigt wird, verspürt Bob in Wyoming die gleichen körperlichen Empfindungen wie seine Schwester.

Kurz darauf hat Bob eine Vision von einer Gestalt mit schwarzen Handschuhen, die sich Jessicas Hotelzimmer mit einer Schere in der Hand nähert. Er versucht sofort seine Schwester telefonisch zu erreichen, um sie zu warnen. Der Rezeptionist in dem Hotel teilt ihm jedoch mit, dass sich niemand auf Jessicas Zimmer befindet. Sofort fliegt Bob nach Mailand, um selber nach dem Rechten zu sehen. Seine Schwester bleibt jedoch unauffindbar und weitere Morde geschehen...

KRITIK:

Als Bob in Mailand einen arroganten japanischen Starfotografen nach Jessicas Leben befragt, bekommt er zur Antwort, dass Modells nur schön auszusehen haben. Doch unter der schönen Fassade wäre rein gar nichts (NOTHING UNDERNEATH). Dies entspricht genau dem ersten Eindruck, den man beim Betrachten dieses Giallos von Carlo Vanzina hat. Der Film ist zwar schön fotografiert und gut geschnitten, wirkt jedoch anfangs genauso kalt und unpersönlich, wie die in ihm agierenden Models.

Man meint auch dies alles schon oft genug gesehen zu haben. Die Geschichte des Amerikaners, der ins alte Europa kommt und der dort Mord und Totschlag erlebt, kennt man bereits seit Mario Bavas THE GIRL WHO KNEW TOO MUCH, und das war immerhin der erste Giallo der Filmgeschichte. Und die Morde eines schwarz behandschuhten Killers, der sein Unwesen in der Modewelt treibt, hatte ebenfalls Bava bereits mit seinem nächsten Giallo BLUTIGE SEIDE fest im Genre etabliert.

Doch die auffälligsten Bezüge in NOTHING UNDERNEATH sind die zu den Filmen von Brian de Palma. So ist das durch Telepathie verbundene Geschwisterpaar z.B. das Leitmotiv von de Palmas THE FURY (1978). Aber noch direkter sind die Parallelen zu dem ein Jahr vor NOTHING UNDERNEATH erschienenen BODY DOUBLE. Das fängt bereits bei der Filmmusik an. Nicht nur, dass für beide Filme mit Pino Donaggio der gleiche Komponist verpflichtet wurde, nein, Donaggio selbst hat für NOTHING UNDERNEATH sogar ganz frech ganze Passagen seines Scores für BODY DOUBLE fast eins zu eins recycelt.

Aber auch Vanzina selbst hat ganze Episoden aus BODY DOUBLE übernommen. So taucht z.B. die vom Hauptdarsteller beim Masturbieren am offenen Fenster beobachtete Schönheit in beiden Filmen in sogar ähnlicher Pose auf. Auch die Idee des Zweikampf mit Bohrmaschine, inklusive des Gags des zwischenzeitlich herausgezogenen Steckers, wurde für NOTHING UNDERNEATH übernommen.

Doch trotz all dieser aus anderen Filmen entliehenen Ideen ist NOTHING UNDERNEATH ein rundum gelungener Film. Denn Carlo Vanzina hat es verstanden nicht nur einzelne Szenen von de Palma zu klauen, sondern auch noch einen Teil seines Konzeptes. Denn auch Brian de Palma begleitet bereits über fast seine gesamte Karriere hinweg der Vorwurf, lediglich ein stlylisch filmender Hitchcock-Epigone zu sein. Doch im Gegensatz zu Quentin Tarantino verwurstet de Palma nicht einfach heute weitestgehend unbekannte Filme für seine eigenen psyeudooriginellen Ergüsse.

De Palma verwendet bestens bekannte Filmszenen, bei denen sich der Zuschauer in der falschen Sicherheit wähnt, bereits genau zu wissen, um was es geht, nur um ihn nachher umso mehr an der Nase herum zu führen. So etabliert er z.B. in BODY DOUBLE ein Szenario, dass einen sofort an Hitchcocks REAR WINDOW denken lässt. Und dabei kommt man zunächst gar nicht auf die Idee, dass der Film im Kern eigentlich eine Variation von VERTIGO ist, und das, obwohl dies bereits in seinem (Original-)Titel angedeutet wird. Es sind nicht die Gemeinsamkeiten, sondern die Unterschiede zu anderen bekannten Filmen, die bei de Palma zählen.

Und einen Teil dieses Konzeptes hat Carlo Vanzina für NOTHING UNDERNEATH übernommen. Das fängt schon ganz am Anfang an. So ist in den meisten Gialli der Amerikaner der weltgewandte, progressive Mensch, der in in Europa auf die provinzielle und stockkonservative Gesellschaft der Alten Welt trifft. Doch in diesem Film sind die gezeigten Amerikaner durch die Bank die zwar herzensguten, aber zugleich leicht zurückgebliebenen Provinzeier, während die fortschrittlichen und großstädtischen Mailänder am Puls der Zeit leben. So weist der italienische Kommissar (Donald Pleasance) Bob einige Zeit nach seiner Ankunft in Mailand mit folgenden Worten darauf hin, dass er seine Uhr umstellen müsse "Your still on Wyoming time, but here we are eight hours ahead!"

Auch spielt Vanzina ebenso wie de Palma mit dem Betrachter, wenn er Szenen von de Palma zitiert. Denn wer damals NOTHING UNDERNEATH im Kino gesehen hat, der hatte sich höchstwahrscheinlich auch ein Jahr zuvor den sleazigen Erotikthriller BODY DOUBLE angeschaut. Und da dort die vor offenem Fenster masturbierende Frau die alles entscheidende Schlüsselszene des gesamten Films ist, vermutet der informierte Betrachter bei der entsprechenden Szene in NOTHING UNDERNEATH natürlich auch, dass da mehr dahinterstecken muss. Und so verwandelt Vanzina seine in bester Giallotradition vollkommen selbstzweckhafte Darstellung sleaziger Nuditäten so ganz nebenbei in einen wirklich nett anzuschauenden Red Herring.

In NOTHING UNDERNEATH sind die Modells auch keineswegs nur schöne, aber harmlose Püppchen, die einen kernigen Macker benötigen, der sie beschützt. Hier sind es die Männer, die die sich vor den Frauen in Acht nehmen sollten. Denn diese lassen sich nicht nur nichts gefallen, sondern manipulieren was das Zeug hält und treiben auch ansonsten ihre ganz eigenen Spielchen.

Noch einmal zurück zu dem arroganten japanischen Fotografen. Dieser sagt nämlich genaugenommen, dass er selber keine Ahnung hat, was sich unter der Oberfläche der Modells verbirgt, da er nur das sehen kann, was seine Kamera ihm zeigt. Und was für Abgründe sich dahinter wirklich auftun, erfährt auch der Betrachter des Films erst in der letzten halben Stunde. Doch bereits der Filmtitel ist in dieser Beziehung bereits äußerst zweideutig, besonders der italienische Originaltitel. Denn NOTHING UNDENEATH (THE CLOTHES) kann ja auch ganz einfach heißen, dass diese Frauen unter ihrer sichtbaren Kleidung nichts weiter anhaben. Und dass mit solchen Frauen nicht zu spaßen ist, dass weiß der geneigte Erotikthrillerfan spätestens seit BASIC INSTINCT.

Nothing Underneath Bild 1
Nothing Underneath Bild 2
Nothing Underneath Bild 3
Nothing Underneath Bild 4
Nothing Underneath Bild 5
Nothing Underneath Bild 6
FAZIT:

Der 80er Jahre Spätgiallo NOTHING UNDERNEATH wirkt auf den ersten Blick wie ein ganz netter, aber weitestgehend uninspirierter Vertreter seines Genres. Doch unter seiner glatten Oberfläche brodelt es ganz gewaltig. Und so überrumpelt der Film gerade auch den bereits abgeklärten Betrachter spätestens in der letzten halben Stunde, wenn sich hinter der ganzen biederen Gefälligkeit die wahre Fratze der Mailänder Modewelt zeigt.

WERTUNG: 7 von 10 Modells ohne was drunter
TEXT © Gregor Torinus
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