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Wall Street: Geld schläft nicht

Wall Street: Geld schläft nicht

OT: Wall Street: Money Never Sleeps
DRAMA: USA, 2010
Regie: Oliver Stone
Darsteller: Shia LaBeouf , Michael Douglas, Carey Mulligan, Josh Brolin, Susan Sarandon, Frank Langella

STORY:

Gordon Gekko wird nach acht Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Niemand holt ihn ab. Weitere sieben Jahre später will der junge Wall Street-Broker Jacob seine Tochter Winnie ehelichen und setzt sich mit ihm in Verbindung, obwohl Winnie nichts mehr mit ihrem Vater zu tun haben möchte. Außerdem rast die Wall Street auf die Finanzkrise zu ...

KRITIK:

Man merkt an meiner verkrampft geschriebenen Inhaltsangabe, dass es nicht so leicht ist diesen Film zu rezensieren, weil er doch ziemlich komplex ist und verschiedene Dramen auf verschiedenen Ebenen, vom privaten Vaterkonflikt bis hin zur Weltwirtschaftskrise, verwebt, aber das, und jetzt kommt gleich einmal die gute Nachricht, sich dabei niemals verheddert, wenn der Film vielleicht auch eine kleine Spur zu lange geraten ist.

Nichtsdestotrotz Oliver Stone ist etwas wunderbares gelungen, und zwar genau das was David Fincher vor zwei Wochen in meinen Augen bei weitem nicht so gut gelungen ist, nämlich intelligentes, charakterbezogenes, erwachsenes Mainstreamkino zu machen, noch dazu nahe am Zeitgeist (aber wenn es nicht so wäre hätte sowieso niemand weder Wall Street noch The Social Network finanziert) aber trotzdem mit Tiefgang.

Ja, aus dem Enfant Terrible ist ein Klassiker geworden. Visuell immer noch hervorragend, im Tempo aber gemächlich, in der Erzählweise menschlich, im Ton erhaben und niemals der Versuchung erlegen ein undifferenziertes Bild zu zeichnen oder voreilige Schlüsse zu ziehen, obwohl bekanntlich Alter vor Torheit nicht schützt. Denn zweimal erlaubt sich der Herr Regisseur gröbste Geschmacksverirrungen, zum einen als er beim Einsetzen der Finanzkrise eine Reihe an unkippenden Dominosteinen einsetzt, ich meine wow (!), was für eine subtile und unverbrauchte Metapher, und zum anderen als dem jungen Jacob (Shia LeBeouf) sein freiwillig aus dem Leben geschiedener Mentor (Frank Langella) erscheint, wo man sich dann kurz fragt, ob wir hier bei Tom Turbo im Spukschloss sind.

Ansonsten, wie gesagt, sauberst inszeniert, WENN man einen erwachsenen Film sehen möchte.

Jetzt möchten auch sicher alle wissen, ob der Film auch dem Laien verständlich ist und dazu muss ich antworten, ich weiß es nicht, aber ich denke schon. Es geht ja auf der Wall Street letztenendes nur darum, Geld aufzutreiben und Geld zu verschieben. Die Grundidee des Börsenhandels war einfach Geld für Unternehmen aufzutreiben, denn Unternehmen brauchen für ihre laufenden Operationen Kohle, sie müssen liquide sein. Das ist es im Groben auch schon. Börsenmakler tun nichts anderes als das Ganze mit Fachausdrücken zu übersähen und zu verkomplizieren, weil sie nicht nur in der Gegenwart (on the spot) handeln, sondern auch Wetten auf die Zukunft abgeben (Futures). Wer also alles verstehen möchte, der sollte noch schnell im Lexikon nachschlagen was Bear und Bull Markets und Toxic Assets sind und sich außerdem einen Artikel über die Weltwirtschaftskrise und über die Lehman Brothers, um die es nur wenig verschlüsselt in diesem Film auf wirtschaftlicher Ebene geht.

Außerdem sollte ich natürlich auch ein paar Worte über Michael Douglas a.k.a Gordon Gekko verlieren. Ja, er ist wieder da. Im geschniegelten Anzug und in seine "gnogelte Bock". Ja, seine Augen leuchten wieder vor Spiellust, Spott und Gier, auch wenn die Zeit nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist. Gordon Gekko ist natürlich der interessanteste Charakter in diesem Film und natürlich einer der interessantesten Charaktere in unserem heutigen Zeitalter, weswegen Gordon Gekko ja inzwischen zur Marke geworden ist.

Man fragt sich ja, wer sind diese Typen und wie zur Hölle haben sie es geschafft eine ganze Epoche an sich zu reißen. Man wird später einmal sagen, wir haben im Zeitalter der Globalisierung gelebt. Ja, schon, aber wir haben auch im Zeitalter der Hochfinanz gelebt. Wir waren so "hoch" (?) entwickelt, dass wir uns die Hände nicht mehr schmutzig machen mussten. Wir waren zum "Homo Abstraktus" geworden, der nur mehr geistige Arbeit verrichtet und unter Omnipotenzfantasien mental die Welt verändert.

Es tut mir leid liebe Philosophen, Germanisten, Soziologen, aber es ist so. Die tun, wovon ihr träumt. Die sind nicht nur Geisteswissenschaftler. Die sind Geistesplayer. Und obwohl ihnen jeder misstraut, so geht von ihnen doch eine gewisse Faszination aus.

Und jeder kann es werden, man muss nicht besonders intelligent sein, die Grundlagen der Finanzierungsmathematik kriegt jeder auf die Reihe, wie zum Beispiel der ehemalige österreichische Polizist Christian Baha, heute Eigentümer des Hedgefonds "Superfund", der es soweit gebracht hat, dass er ein Freund Oliver Stones wurde und in diesem Film einen Kurzauftritt hatte: Er durfte sich sogar selbst spielen und seine Ferrarisammlung herzeigen!

Und je mehr Leute, die vom schnellen großen Reichtum aus dem Nichts träumen, da mitspielen, desto größer wird die Blase, willkommen China, willkommen Indien, willkommen Brasilien. Die spielen um unser Geld und wir beneiden sie im Grunde dafür, während wir richtigen Arbeiten nachgehen. Heute finanzieren wir keine Königshäuser oder barocke Dome mehr, wir finanzieren Finanzblasen, indem wir ihnen Geld borgen, das weder die noch wir haben. Alles heiße Luft. Und genau dazu bringt uns Gordon Gekko, ein Magier, ein Energiebündel, ein Prophet der Gegenwart, der viel verspricht und im Endeffekt nichts halten kann. Es reicht, dass er glaubt, das zieht alle anderen mit.

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FAZIT:

Wall Street: Geld schläft nicht ist der seltene Glücksfall eines erwachsenen, anspruchsvollen und intelligenten Mainstreamfilms aus Hollywood, der es schafft ein differenziertes Bild der Hochfinanz an der Wall Street zu zeichnen und dabei gleichzeitig als Vater-Tochter-Drama funktioniert. Also ab ins Kino!

WERTUNG: 8 von 10 Kursschwankungen
TEXT © Ralph Zlabinger
Dein Kommentar >>
Nic | 27.10.2010 23:53
leider nicht gelungen mMn. einzig Michael Douglas rechtfertigt den Kinobesuch, der plot gibt nichts her, und die darsteller haben hier, falls vorhanden, ihr talent und ihre zeit verschwendet. kommt ja öfters vor, also nix besonderes.

zum vergleich sollte man sich zuerst den "ersten teil" ansehen, dann fallen gleich alle mängel des zeiten auf.
Harald | 28.10.2010 07:19
noch nicht gesehen, hab aber bisher nur gutes gehört/gelesen. nächste woche dann.
Ralph | 28.10.2010 12:14
Nic, es war zuallererst ein Drama, kein Thriller, daher fand ich den geradlinigen Plot ganz und gar nicht übel. Aber ich werde mir den ersten Teil nach wahrscheinlich 10 Jahren (und damals hab ich gar nichts verstanden;-) auch wieder einmal ansehen. Vielleicht packen mich dann doch noch deine Enttäuschung. :)
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