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Agnes und seine Brüder

Agnes und seine Brüder

DRAMA: D, 2004
Regie: Oskar Roehler
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Vadim Glowna, Herbert Knaup

STORY:

Agnes ist ein Transvestit, der als Nachtklubtänzer arbeitet. Seine Brüder sind Hans-Jörg (Moritz Bleibtreu), ein Bibliothekar mit nicht nur schweren sexuellen Problemen und Werner, ein spießiger Grün-Politiker, gefangen in einer völlig zerrütteten Ehe. Ihre Suche nach Sex oder auch nur einem Mindestmaß an menschlicher Wärme ist kein einfaches Unterfangen, im Deutschland des Hier und Jetzt ...

KRITIK:

Zugegeben, Titel und Inhaltsangabe lassen auf eine seichte deutsche Beziehungskomödie schießen. Aber keine Angst, derlei Belanglosigkeiten haben auf dieser Seite keinen Platz. Ganz im Gegenteil: 'Agnes und seine Brüder' ist einer der besten des an tollen deutschen Filmen nicht gerade armen Kinojahres 2004.
Klar, auch hier geht es vornehmlich um Beziehungen. Aber anders als sonst: Regisseur Oskar Roehler ist eine erfreulich radikale Ausnahmeerscheinung im deutschen (Beziehungs)-Kino, der Anleihen bei vielen bedeutenden gesellschaftskritischen Filmen der letzten Jahre nimmt. Da wird schon mal eine ganze Szene (der 'Eben-doch-nicht-Blowjob') frech aus 'American Beauty' geklaut. Die düstere, mit bitterem schwarzem Humor aufgelockerte Grundstimmung erinnert an frühere Filme von Pedro Almodovar oder Francois Ozon.

Toll auch, wie treffsicher die Schauspieler gegen ihr Image besetzt wurden. Derartig kaltschnäuzig und böse hat man Katja Riemann noch nie gesehen. Den Vogel schießt aber Moritz Bleibtreu ab: Diese traurige Figur eines unattraktiven, verklemmte Wichsers (im wahrsten Sinne des Wortes :-) könnte direkt einem Roman von Michel Houellebeqc entsprungen sein.

Tatsächlich arbeitet Oskar Roehler gerade an einer Verfilmung von Houellebeqc's 'Elementarteilchen', eines meiner absoluten Lieblingsbücher by the way.

Noch kurz zum Vorwurf der mangelnden Logik, die in manchen Besprechungen geäußert wurde: NEIN! Als ob Menschen in psychischen Ausnahmesituationen nach den Gesetzen der Logik handeln würden! Als ob Logik per se ein Kriterium für einen guten Film wäre. Für einen 08/15-Thriller aus Hollywood vielleicht. Aber nicht für einen Film wie diesen, der wirklich bizarre Szenen en masse liefert, der emotional mitreißt, gesellschaftspolitisch relevante Fragen stellt und noch lange nach dem Kinobesuch nachwirkt.

FAZIT:

Was 'American Beauty' für die amerikanische Befindlichkeit war, könnte 'Agnes und seine Brüder' für Deutschland sein: Jedenfalls eine radikale, diskussionswürdige und absolut sehenswerte Gesellschaftssatire. Und ein interessantes Interview mit Regisseur Oskar Roehler gibt's hier.

WERTUNG: 8/10
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