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Augen der Angst

Augen der Angst

OT: Peeping Tom
KULT-KLASSIKER: Großbritannien, 1960
Regie: Michael Powell
Darsteller: Karlheinz Böhm (Carl Boehm), Anna Massey, Maxine Audley, Moira Shearer, Pamela Green

STORY:

Der unscheinbare Kameramann Mark Lewis (Böhm) ist geschädigt durch psychologische Experimente um den Moment der Angst, die sein Vater (Michael Powell) mit ihm in seiner Jugend angestellt hat. Durch seine technische Ausbildung hat er das umgelegt auf den Augenblick des Todes, festgehalten von seiner Kamera. Er mordet Frauen mit dem Ziel, den perfekten Todesangst-Blick einzufangen. Als er seine Nachbarin Helen (Massey) kennenlernt, fühlt er sich zu ihr hingezogen und beginnt, sein Leben und Verhalten zu überdenken. Doch noch hat er seinen perfekten Filmmoment nicht gefunden.

KRITIK:

Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass dieser Klassiker auf filmtipps.at noch keine Heimat gefunden hatte. Etwas, was dringendst geändert werden muss. Jetzt! Es gibt ja soviel zu erzählen.

Michael Powell hat seine Arbeit von der Pike auf gelernt. Er war Tontechniker, Cutter, Kameramann, Regieassistent bis hin zum Regisseur und Produzenten. Und er war nicht unwichtig. Seit den 1930ern drehte er Filme und galt bis in die 1950er als Top-US-Regisseur. Dann kehrte er zurück in sein Heimatland England, zog eine eigene Filmfirma auf und wollte das Britische Kino an die Weltspitze führen. Doch dann drehte er PEEPING TOM und alles wurde anders.

Dabei war alles anders geplant. Eigentlich wollten er und sein Drehbuchautor Leo Marks einen Film über Siegmund Freud drehen. Doch da John Huston parallel so etwas machte, entschlossen die beiden sich für einen Film über eine der psychologischen Theorien Freuds - den Voyeurismus. Und damit betraten die beiden Neuland, auf vielen Gebieten.

Karlheinz Böhm, auf der Flucht vor seinem SISSI-Image, schuf unter der kundigen Führung Powells und Marks neben Norman Bates in PSYCHO den ultimativen Prototypen des psychotischen Mörders. Und das Schlimme dabei, er blieb sympathisch und im Unterschied zu Bates weiß Böhms Mark Lewis jederzeit über seine Verrücktheit Bescheid. Doppelt schlimm fürs Publikum.

Als der Film dann 1960 die Leinwände belichtete, passierte etwas Furchtbares. Die Kritiken verrissen den Film geschlossen, von Perversion und tiefsten Trash war die Rede und das waren nicht die schlimmsten Bezeichnungen. Der Begriff "Skandalfilm" tobte durch die Welt und die internationalen Karrieren von Böhm und Powell waren am Ende. Es sollte zwanzig Jahre dauern, bis der Film vom Geheimtipp unter FilmstudentInnen zum verdienten Kult-Klasiker wurde. Nicht unschuldig daran war Martin Scorcese, ein Protegé Powells, der den Film massiv auf Festivals weltweit promotete. Heute zählt der Film in nahezu allen Hit-Lists diverser Filmlisten zu den Top 100, meist sogar Top 20 der Filmgeschichte quer durch alle Genres.

Doch was war das Besondere? Im Prinzip ist's ja nur ein Psychothriller, oder?

Ganz so einfach kann man es sich allerdings nicht machen. Neben einem äußerst zynisch-amüsierten Blick auf die Britische Filmindustrie jener Zeit, die gerade in schlimmste Mittelmäßigkeit abglitt, bot der Film teilweise Subjektive Kameraführung, ein Trick, den sich bis heute nur wenige trauen wie z.B. MANIAC und der damals einfach nie gemacht wurde. Powells Darstellerinnen waren keine klassischen Filmschönheiten, sondern bestenfalls als interessant zu bezeichnen und dadurch dem Publikum wesentlich näher als angenehm. Es gab einen "Busenblitzer", der allerdings in den heutigen Veröffentlichungen nicht mehr drin ist. Es zeigte, zwar unauffällig, aber dennoch ein fragwürdiges Bild der Gesellschaft, speziell der sogenannten besseren, und stellte familiäre Tabus dar, wo auch heute noch gern gesagt wird "Alles erlogen und erstunken". Dann ging Otto Heller, der Kameramann Powells weg vom Studio, rein ins Leben. Damals eine höchst unangenehme Geschichte, ähnlich jener, wenn wir heute in der vollgestopften stinkigen U-Bahn dauernd irgendwelche Leute berühren. Böhms Spiel war so überzeugend. Netter Nachbar, Introvertierter Träumer, Perfektionistischer Killer. Traum-Schwiegersohn? Auch die Darstellung einer psychischen Krankheit, noch dazu einer, die viele sowieso in sich tragen, mal mehr, mal weniger stark, war ganz einfach starker Tobak.

Nun ja, heute hat er ja seinen verdienten Platz, der PEEPING TOM. Weltklasseregisseure nennen ihn als ultimative Inspiration wie z.B. de Palma, Antonioni oder auch Polanski. Damals war er zu früh für seine Zeit, heute ist er noch immer irgendwie aktuell.

Noch ganz kurz zu vorhandenen Bild-Trägern. Definitiv weiß man heute von zwei Schnittauflagen für den deutschen Sprachraum, die noch immer kursieren. Zum einen eine, die aufgrund des fragwürdigen Schnittes eines Dialogs den Film in sich sinnlos macht, die aber dafür angeblich den "Busenblitzer" und einen Mord ausgeführt darstellt und dann wäre da noch die zweite, auch mir vorliegende Version, die den wichtigen Dialog beinhaltet.

Meine Besprechung basiert auf der DVD aus 2006 aus dem Hause STUDIO-CANAL. Die bislang letzte Veröffentlichung erfolgte 2010 im Rahmen der ARTHOUSE COLLECTION. Welcher Schnitt dort zum Tragen kommt, weiß ich leider nicht.

Augen der Angst Bild 1
Augen der Angst Bild 2
Augen der Angst Bild 3
Augen der Angst Bild 4
Augen der Angst Bild 5
FAZIT:

Als Fazit kann ich nur sagen: Schaut euch den an!!!

WERTUNG: 10 von 10 scharfen Nahaufnahmen
TEXT © Erich H.
Dein Kommentar >>
Hannes | 13.08.2013 16:11
Danke! Recht gute Rezeption ohne vermeidbaren Spoiler. Und der Film ist ja echt der Hammer. Die Angst mausert sich zum eigentlichen Star, wird von Böhm leise aber grandios inszeniert und auf andere übertragen. Eindringliche Bilder schmeicheln dem Motiv des Filmens und Beobachtens. Gute musikalische Untermalung. Ein Film, der mich begeistert hat, werd ihn mir bald wieder angucken =D.
(P.S.: Großes Dankeschön an Betreiber und Beitragende dieser Seite; mein Favorit, wenn ich mal wieder einen neuen Film entdecken möchte)
Erich H. | 15.08.2013 10:22
Danke!
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