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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Bobby

Bobby

ENSEMBLEFILM: USA, 2006
Regie: Emilio Estevez
Darsteller: Harry Belafonte, Helen Hunt, Anthony Hopkins, Heather Graham, Laurence Fishburne, Lindsay Lohan, Shia LaBeouf und noch mind. 10 andere Hollywoodstars

STORY:

Los Angeles, 4. Juni 1968 - Verschiede Menschen verbringen diesen gewöhnlichen Dienstag mit unterschiedlichsten Tätigkeiten. Am selben Abend noch werden alle von ihnen in kollektivem Entsetzen verbunden sein. In der Nacht zum 5. Juni 1968 wird Robert F. Kennedy im Ambassador Hotel niedergeschossen...

KRITIK:

Entgegen den Erwartungen es handle sich bei BOBBY um einen klassischen Historenfilm à la JFK, in welchem der Mord an Johns jüngerem Brder Robert aufgearbeitet wird, erfrischt Emilio Estevez' Ansatz, den Titelhelden kaum mit ins Bild zu nehmen. Stattdessen verflechet er multiple Narrative und die darin enthaltenen Fügungen zu einem sehenswerten Ensemblefilm. Und anders als in JFK hat keine der nicht weniger als zweiundzwanzig Hauptfiguren unmittelbar etwas mit dem Anschlag auf Robert F. Kennedy zu tun.

Estevez versucht sich auf Individualitäten der handelnden Subjekte, mitsamt ihren Nöten, ihren Ängsten aber auch ihren Hoffnungen zu konzentrieren und sie in all ihrer Diversität durch eine Art gemeinsamen "Zeitgeist" zu vereinen. Geschickt lässt er beziehungsweise Michael Barrett hierfür die Kamera, weitestgehend innerhalb des altehrwürdigen Ambassador Hotels - aber zwischen den einzelnen Handlungssträngen - hin und hergleiten. Diese sind zwar weder innerhalb ihrer Bedeutsamkeit, noch innert ihrer künstlerischen Beschlagenheit und ebensowenig bei der darstellerischen Leistung als gleichwertig anzusehen, münden jedoch in einem kraftvollen Ganzen - eben in einem gut orchestrierten Ensemble.

Die Stärke BOBBYs liegt also eindeutig in der assoziativ-affektiven Wirkung der erzählten Geschichten. So entsteht ein kollektives Bildnis eines von Soziodiversität geprägten, (links)demokratischen Amerikas der späten 1960er Jahre. Filmscih funktioniert dies mustergültig. Ideologiekritisch betrachtet erscheint Estevez' Film mitunter als verklärter Mikrokosmos politischer Identität, weit abseits der (amerikanischen) Realität. Interessant sind hierbei beispielsweise jene Episoden mit der tschechoslowakischen Reporterin Lenka (Svetlana Metkina), welche das Gefühl eines ideologischen Zusammenhangs zwischen Robert F. Kennedys Präsidentschaftskandidatur und den Ereignissen des "Prager Frühlings" erzeugen (sollen). Ein politisches Statement, das wahrscheinlich weder Dubcek noch Kennedy so hingenommen hätten.

Aufgrund seines - zumindest für mich offensichtlichen - Wunsches soziopolitische Überzeugungsarbeit zu leisten, übertreibt es Regisseur Estevez ein bisschen, so stilisiert er Robert Kennedy zu einer Art weltverbessernden, idealistischen Ikone schwächerer und/oder aufgeklärter Gesellschaftsschichten.

So beginnt der Film mit einem Lauftext, der seinem Publikum vom "großen politischen und sozialen Aufruhrs" des Jahres 1968 berichtet, um dann mitzuteilen, dass der 42-jährige Senator "mit seiner Politik für Frieden und Gerechtigkeit für viele Amerikaner der richtige Kandidat war, um eine Brücke zwischen den Rassen zu schlagen und der Nation einen ehrenhaften Rückzug aus dem unpopulären Vietnamkrieg zu ermöglichen."

Es folgen dokumentarische Bilder des Vietnamkrieges, der Friedensbewegung und der Ermordung Martin Luther Kings untermalt mit salbungsvollen Worten Robert Kennedys. Dankenswerter Weise wird dieser beinahe unerträgliche Personenkult wenigsten soweit reduziert, sodass man BOBBY doch weitgehend genießen kann.

Natürlich bewegt sich BOBBY immer mehr auf seinen unrühmlichen Höhepunkt - das Attentat auf Kennedy - zu. Und tatsächlich kann die absolut grandios insezenierte Schlsusszene als die Stärkste des ganzen Filmes angesehen werden. All die Geschichten, all die Handelnden und all die Ideale lösen sich in kollektivem Chaos auf. Dieses Szenario ist eigentlich großartig bebildert und auch auditiv durch das verwirrende Durcheinander unzähliger Geräusche und Stimmen fantastisch umgesetzt. Wäre, ja wäre da nicht Estevez' Entscheidung Robert Kennedy seinen eigenen Tod quasi selbst zu betrauern zu lassen. Denn während sich die Wirkung der Szenerie immer weiter intensiviert, ist eine anlässlich des Attentats auf Martin Luther King Jr. gehaltene Rede Kennedys gegen Gewalt zu hören. Dies mag zwar für manche SeherInnen durchaus wirkungsvoll sein, lässt BOBBY schlussendlich aber in einem doch zu pathetisch-fahlen Licht erscheinen.

Bobby Bild 1
Bobby Bild 2
Bobby Bild 3
Bobby Bild 4
Bobby Bild 5
FAZIT:

Estevez' Ansatz, nicht als klassischer Historienfilm aufzutreten erfrischt und das Auftreten unzähliger, teilweise hervorragender Darstellerinnen und Darsteller macht ihn zum sehenswerten Ensemblefilm. Erzählerisch sowie bildsprachlich agiert BOBBY auf durchwegs hohem Niveau. Auch der Entschluss, den Titelhelden kaum ins Bild zu nehmen gereicht dem Film zum Vorteil. Somit könnte BOBBY ein wirklich großartiger Film sein. Wäre da nicht der exorbitante Wunsch soziopolitische Überzeugungsarbeit zu leisten, welcher leider seine eigene Stärke, nämlich die assoziativ-affektive Wirkung der erzählten Geschichten schmälert und in eine Art Personenkult ausartet.

 

WERTUNG: 7 von 10 agierenden Hollywoodstars
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