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Brautalarm

Brautalarm

OT: Bridesmaids
KOMÖDIE: USA, 2011
Regie: Paul Feig
Darsteller: Kristen Wiig, Rose Byrne, Melissa McCarthy, Maya Rudolph

STORY:

Annie, gespielt von US-Komikerin Kristen Wiig ("Saturday Night Live"), ist gerade etwas durch den Wind: Sie ist Mitte 30, ihre Konditorei pleite, ihr Freund weg, ihre Affäre ein Idiot, ihre Mitbewohnerin debil und ihre Mutter anonyme Alkoholikerin. Zu allem Überfluss will ihre beste Freundin Lillian (Maya Rudolph) heiraten. Annie soll die Hochzeit organisieren. Doch bis sich das Brautpaar küssen darf, muss die eine oder andere Katastrophe - u.a ein Beinahe-Flugzeugabsturz - überstanden werden. Annie zweifelt allmählich, ob sie der Aufgabe wirklich gewachsen ist …...

KRITIK:

Und wieder ist es so weit: Die film-affinen Facebook-Freunde überbieten sich förmlich in Jubelmeldungen. Brautalarm (OT: Bridesmaids) ist die lustigste, unterhaltsamste und überhaupt nochmal beste Komödie des Jahres.

Selbstverständlich sitze ich noch am Tag des Kinostarts in der ersten Reihe. Und überraschenderweise tu mir beim Einstieg doch etwas schwer. Vielleicht ist mir die übergroße Erwartungshaltung in die Quere gekommen, oder meine grundsätzliche Skepsis gegenüber allzugroßer Dialoglastigkeit.

Bridesmaids ist nämlich sehr dialoglastig. Aber keine Angst: Die Themen, die das Drehbuchautorinnen-Duo Annie Mumolo und Kirsten Wiig ihren Darstellerinnen in den Mund legt, sind durchaus aus dem Leben gegriffen. Wenn Annie in einem voll besetzten Restaurant über die anatomischen Eigenschaften des besten Stücks ihres Lovers referiert, spürt man förmlich, wie Komödien-Gott Judd Apatow persönlich zu uns spricht.

Als ausführender Produzent hat Apatow peinlich genau darüber gewacht, dass eine gewisse Peniswitz-pro-laufendem-Filmmeter-Quote nicht unterschritten wird. Und das ist gut so. Und überhaupt: Gibt es eigentlich etwas Sympathischeres als Frauen, die Spaß daran haben, dreckige Worte in den Mund zu nehmen?

Doch Dirty Talk und herrlich ausgelassene Gross-Out-Momente (wundervoller Höhepunkt: Die kollektive Brechdurchfall-Attacke im Luxus-Brautmodengeschäft) alleine machen noch keinen guten Film. Doch bekanntlich gelten Judd Apatow und seine Funny People als die Experten in der schwierigen Disziplin, zwerchfellerschütternden Brachialklamauk und leise, berührende Momente zu verbinden.

Das gelingt auch den Bridesmaids sehr gut. Mit dem Unterschied halt, dass hier keine ewigen Buben im Mittelpunkt des Geschehens stehen, sondern Frauen. Bridesmaids ist ein Film von Frauen mit Frauen über Frauen, und er ist lustig. Wirklich lustig. Auf meine film-affinen Facebook-Freude war wie immer Verlass.

Wo die Exzesse der Absturzbrüder aus Hangover - so sehr ich auch gelacht habe - schon auch etwas Zynisches, tendenziell Unsympathisches hatten, bleibt Bridesmaids in jeder Sekunde menschlich.

Ich liebe ja diese unglaubliche Fähigkeit von amerikanischen Komödien, dir die Lachtränen in die Augen zu treiben, dein Herz zu berühren und dazu noch intelligente Kommentare zum Zustand von Staat, Gesellschaft und dem Chaos von Paarbeziehungen im 21. Jahrhundert abzugeben.

Es ist auch kein Geheimnis, dass Frauen eine höhere emotionale und kommunikative Intelligenz besitzen als Männer. Hier traut sich eine amerikanische Komödie erstmals, diese weiblichen Stärken voll auszuspielen - und zwar ohne diesen nervtötenden, pseudo-freizügigen Sex-and-the-City-Seichtwitz, der mich höchstens grantig macht.

Laut dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel machten übrigens Feministinnen vor dem US-Kinostart im Mai in Blogs und auf Twitter mobil. "Bridesmaids" sei ein "feministischer Meilenstein" und der Kinobesuch Pflicht.

Das lassen wir jetzt einfach so stehen.

Brautalarm Bild 1
Brautalarm Bild 2
Brautalarm Bild 3
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Brautalarm Bild 6
FAZIT:

Die Vorschußlorbeeren sind gerechtfertigt. Brautalarm ist eine wundervolle, sympathische Komödie, die beweist, dass Frauen den besseren Bubenhumor draufhaben. Feministisches Empowerment in seiner schönsten Form!

WERTUNG: 8 von 10 kaputten Rücklichtern
Dein Kommentar >>
Thomas ausm 18. | 14.09.2011 14:54
DANKE an die Filmcrew!
Feminismus hin oder her - Schon lange nicht mehr so oft in einem Film gelacht!
>> antworten
Nic | 03.08.2011 19:55
sympathische komödien enden bei 7/10 wenn sie spitze sind ;)
Harald | 22.08.2011 00:31
beginnen ... ;-)
>> antworten
Mauritia M. | 31.07.2011 23:32
oops, i did it... ich hab ihn mir also tatsächlich angeschaut und auch noch eine unbedarfte freundin mitgeschleppt. wir waren uns gleich einig: dies ist wahrhaftig ein meilenstein des feminismus! die amerikanischen kolleginnen haben das gut erkannt.
diese püppchen sehen nicht nur gut aus, sie können sogar sprechen und sind manchmal sogar lustig (natürlich in erster linie, weil sie allesamt etwas unbeholfen wirken, wie jede frau eben).
der hochzeitstag ist selbstverständlich der allerwichtigste tag im leben einer jeden frau und womit sollte frau sich denn sonst selbständig machen als mit einer bäckerei? und wenn spannende unterhaltungen über männliche geschlechtsteile nichts mit emanzipation zu tun haben, womit bitte dann?
achja, und: gut, dass wenn frauen mal kognitiv und emotional überfordert sind, immer gleich ein mann (noch besser polizist) zur stelle ist...
apropos: in einer der letzten ausgaben der "emma" war ein interessantes interview über "wohlwollenden sexismus": zu finden unter emma.de/hefte/ausgaben-2011/fruehling-2011/netter-sexismus/
Lena | 03.08.2011 17:06
Kann mich nur anschließen. Keine Ahnung wie jemand in einem Film über inkompetente, dämliche und hysterische Zicken, die einander wegen der Organisation von Hochzeitsfeierlichkeiten (???) an die Gurgel gehen, irgendwas emanzipiertes sehen kann. Der Film besteht zwar den Test, ob Frauen überhaupt darin vorkommen (youtube.com/watch?v=bLF6sAAMb4s), aber das war's dann auch schon, von irgendwas Feminnistischen, d.h. von einer Hinterfragung bestehender Stereotype, Rollen und Machtverhältnisse etc. ist er weit entfernt.
4 von 10 hysterischen Nervenzusammenbrüchen
Harald | 03.08.2011 22:27
Diese Kommentare, meine Damen, bestätigen eine weitere Privat-Theorie von mir: Nämlich, dass Frauen zu Frauen viel strenger sind als Männer zu Frauen.
Mauritia M. | 03.08.2011 22:59
schön. das macht sich bestimmt gut auf deiner "ich habe recht-statistik", oder? :P
genau diese art von argumentation ("frauen sind"/"männer sind")führt oft zu missverständnissen bzw. konflikten zw. den geschlechtern.
Harald | 04.08.2011 10:02
.... welche wiederrum zu Lars von Trier- und Kim Ki-Duk-Filmen führen. Welche hier stets wohlwollend rezensiert werden. Schön, wie sich die Kreise schließen ;-)
eve | 09.08.2011 20:07
nicht gesehen, abe rich glaube fast das sich ungesehen mauritia und lena zustimmen kann auch gerade bezüglich dem thema "wohlwollender sexismus"

Ein Tip bezüglich smarter Emanzipation mit Intelligenz ud sowas von viel Charme: "Parks & Recreation", mit der einfach nur umwerfenden Amy Poehler (auch SatNight) in der Hauptrolle. Vom Stil her pseudodokumentarisch wie "The Office" und weniger offensichtliche Gags. Man braucht ein paar Folgen um reinzukommen, aber dann ists einfach nur gut. leslie Knope for President!

youtube.com/watch?v=knkIkF_vd4I
Djan | 04.09.2011 19:19
Feminismus....ich glaube frauen werden niemals aufhören um einen platz in der gesellschaft zu kämpfen den sie schon lange haben. anscheinend haben die meisten von ihnen diese tatsache noch nicht realisiert
>> antworten
Mauritia M. | 24.07.2011 23:24
ganz tolles review, bin beeindruckt. so gut, dass ich mir trotz nicht zu verleugnender genre-abneigung schon überlege, den film mal zu testen...
Ralph | 25.07.2011 00:23
Ich bin ja auch Komödienignorant, aber ich bin jetzt auch einigermaßen neugierig geworden. Das alles klingt einfach interessant. :-)
>> antworten
Benoni | 24.07.2011 22:38
"Es ist auch kein Geheimnis, dass Frauen eine höhere emotionale und kommunikative Intelligenz besitzen als Männer."
Ja? Ist es kein Geheimnis? Hat es sich dadurch offenbart, dass sich Frauen auf diesen Gebieten in Literatur, Film und Bühne durchgesetzt haben? Wenn ja, hätte ich auch das verpasst.
Ich würde unterschreiben, dass aufgrund von stumpfen stereotypen Erziehungsmustern die weiblichen Wesen unter uns sich dem mehr öffnen können und solche Talente bei männlichen Vertretern in jungen Jahren oft als unmännlich (homosexuell) beschimpft werden, es gibt jedoch keinerlei Evidenzen für derlei Veranlagungen auf dem zweiten X-Chromosom.
So sehr ich eure Kritiken favorisiere, da sie meine Ansichten sehr nahe wiederspiegeln (ausgenommen der Filme über kleine, blonde, metzelnde Mädchen ;-), so sehr missfallen mir solche, ich nenne es mal verbale Ausrutscher, in einem sonst so anregenden Beitrag. Ich hoffe der Film und seine Frauen sind so grandios, wie ihr es versprecht- ich kann es mir gut vorstellen- aber mein Vorschlag wäre, vielmehr die tolle Kooperation zwischen den Geschlechtern (bspw. Apatow - Wiig) noch stärker hervorzuheben, das wäre modern und fortschrittlich.
Harald | 24.07.2011 22:58
Aus der aktuellen profil-Titelgeschichte:

Schon in der achten Schwangerschaftswoche werden die Weichen für die geschlechtsspezifische, unterschiedliche Entwicklung der Gehirne gestellt. Bis dahin haben alle Embryonen ein weibliches Gehirn. Dann löst das Y-Chromosom bei den männlichen Föten einen Testosteronschub aus, der das Wachstum des Kommunikationszentrums hemmt, während die Entwicklung des Aggressions- und Sexzentrums forciert wird. Etwa durch psychischen Stress ausgelöste Schwankungen im mütterlichen Hormonhaushalt können diesen Prozess beeinflussen.



Benoni | 24.07.2011 23:23
Das ist jetzt zu einfach. Es gibt nämlich durchaus weibliche "Savants", also extrem hochbegabte, meist (stark) autistische Menschen. In diesem Falle ist ebenfalls das Testosteron verantwortlich für die Entwicklung eines S-Gehirns, dem "männlichen", systematischen (S) Gehirn, anstelle eines "weiblichen", emotional geprägten E-Gehirns.
Führend in der Forschung auf diesem Gebiet ist übrigens das Autismus-Forschungszentrum in Cambridge, dessen Direktor Simon Baron-Cohen der Cousin eines euch gut bekannten Komikers ist und einen sehr lehrreichen Wikipedia-Eintrag besitzt. Er beschreibt die Problematik ähnlich wie "profil", es geht hier jedoch ausdrücklich um Idealtypen. Ich möchte auch nochmal auf den Effekt von Erziehung und Sozialisation hinweisen, diesen beiden Faktoren ist Genetik teilweise absolut egal.
Zu guter Letzt möchte ich fernab von Reagenzglas-Wissenschaft fragen, was wir bezüglich geschlechtsspezifisch-biologischer Determination glauben wollen und ob wir unser Zusammenleben nach Forschungsberichten ordnen wollen?
(Wenn ihr über so etwas hier nicht diskutieren wollt, dann löscht es bitte einfach, es ist ja eine Filmseite, ich kann das verstehen ;-)
Harald | 25.07.2011 11:03
Keine Angst, gelöscht werden hier nur grob unsachliche Polemiken, Spam, persönliche Beleidigungen etc. Kommt glücklicherweise nur sehr selten vor.
Mir taugt's ja, wenn ein Film Diskussionen auslöst, die sich dann in eine ganz andere Rictung bewegen.
Mein flapsig hingeschriebener Satz basiert übrigens eher auf persönlichen Beobachtungen/Erfahrungen/Eindrücken denn auf wissenschaftliche Untersuchungen ;-)
Dass Determination, noch dazu im biologistischem Sinne, ein sehr problematisches Thema ist, ist mir aber auch bewußt. Aber kann man sie deshalb wegleugnen?
Ich hab versucht, meine Tochter, so gut es geht, geschlechtsneutral zu erziehen. Aber Autos und Baustellen-Bücher haben sie exakt gar nicht interessiert. Hello Kitty, Pferde und Puppen dafür umso mehr ...
Lena | 25.07.2011 19:59
*kratzt sich am Kopf*
Warum treffen positive Frauenklischees eigentlich NIE auf mich zu??? Ich bin überhaupt nicht multitaskingfähig, meine überragende emotionale Intelligenz zeigt sich dadurch, dass ich in emotional heiklen Situationen nie weiß, wie ich mich verhalten soll und dann emotional intelligentere Menschen (Frauen und Männer) befrage und dann mache ich meist, was die Mehrheit vorschlägt. Ach ja, und mein Aggressionszentrum reicht für jeden Mann, ich trau mich nur meistens nicht, weil die potentiellen Gegner meistens größer und stärker sind. (Hmmm, ist das soziale Intelligenz? *grübel*)

Über Geschlechterunterschiede kann ich eigentlich kaum aus Erfahrung sprechen, weil es in meinem gesamten Bekanntenkreis eigentlich keine "typischen Männer" gibt und wenn mal welche auftauchen, werden die eigentlich schnell verdrängt, weil sie irgendwie nicht reinpassen. Selbst die, die ziemlich ins klassische Männerbild passen, sagen dann oft, dass sie "eigentlich total feminin" sind, blablabla.

Zum Spielzeug: Auf der Uni hieß es mal, dass es zwei grundlegende Spieltypen gibt: KonstrukteurIn (baut etwas, spielt mit Klötzen) und DramaturgIn (inszeniert Rollenspiele mit Puppen, Tieren usw.). Die dramaturgischen Spielsachen sind meistens eher weiblich konnotiert, wenn sie das nicht so stark sind (z.B. playmobil) spielen eh auch Buben damit. Und natürlich ist man auch davon abhängig, was die anderen spielen wollen ...

Ah, und noch eine Verständnisfrage zum Abschluß: Warum ist Sex and the City pseudo-freizügig (da würde ich dir recht geben) und die ganzen Apatow-Komödien nicht?
Harald | 25.07.2011 21:37
einen schlüssige wissenschaftliche analyse muss ich dir schuldig bleiben. aber bei den wenigen sex and the city-folgen, die ich gesehen habe, hatte ich das gefühl, nichtssagenden, konstruierten, pseudoffenherzigen seichtwitz für cosmopolitan-leserInnen vorgesetzt zu bekommen.
in den apatow-filmen hingegen kann ich mich selbst sehr oft sehr gut wiederfinden - ich sag jetzt lieber nicht, in welchen figuren ;-) diese filme scheinen mir aus dem richtigen leben gegriffen.
Lena | 26.07.2011 12:06
Ah, ok ;-) Der Reigen für Spekulationen ist eröffnet :-)
Ralph | 26.07.2011 16:05
Naja, Harald, du wohnst auch nicht in Manhatten, oder? ;-)
>> antworten
jogiwan | 24.07.2011 20:51
hmm... dachte bei den ganzen Meldungen im Vorfeld eher an eine entbehrliche "Hangover"-Variante mit Mädels. Aber der Text macht ja schon irgendwie Lust auf einen Kino-Besuch.
Harald | 24.07.2011 22:08
danke;-)

Bridesmaids kann man mit Hangover nicht direkt vergleichen. Die Mädels sind einfach viel reifer als die Buben.
>> antworten
Tanja | 24.07.2011 16:05
Absolut wahre Worte :) Und an dieser Stelle will ich mal erwähnen dass das komödiantische Talent von Melissa McCarthy bisher anscheinend absolut unterschätzt wurde, dank ihr hab ich Tränen gelacht!
>> antworten