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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Bugsy

Bugsy

DRAMA/NEO-NOIR: USA, 1991
Regie: Barry Levinson
Darsteller: Warren Beatty, Annette Bening, Harvey Keitel, Ben Kingsley, Elliott Gould

STORY:

1941 schickt die Chicagoer Mafia unter Charlie Luciano (Bill Graham) Benjamin "Bugsy" Siegel (Warren Beatty) nach Los Angeles, um dort das Wettgeschäft zu erobern. Zuerst will Siegel sich mit dem örtlichen Mafiaboss Jack Dragna (Richard C. Sarafian) zusammentun. Aber als Siegel von Dragnas Konkurrenten Mickey Coen (Harvey Keitel) erfährt, dass Dragna Gelder des Mob unterschlagen hat, macht er lieber gemeinsame Sache mit Coen. Doch das Wettgeschäft in L.A. wirft keine großen Gewinne ab. Aber der ebenso verrückte, wie visionäre Siegel hat schon bald einen eigenen Plan. Da im Staate Nevada das Glücksspiel legal ist, will Siegel gemeinsam mit seiner Geliebten, der Schauspielerin Virginia Hill (Annette Bening), in dem verschlafenen Wüstennest Las Vegas ein Luxuskasino errichten...

KRITIK:

...und der Rest ist Geschichte: Las Vegas ist heute die ebenso radikale, wie pervertierte Verkörperung des amerikanischen Traums. Genau, wie Siegel es sich damals erträumt hatte, ist diese Wüstenstadt inzwischen nicht nur das Zentrum des US-amerikanischen Glücksspiels, sondern auch die neben dem Broadway wichtigste Show-Stätte des Landes. Las Vegas ist die Realisation eines verrückten Traumes eines wahnsinnigen Mafiosi und die heute am schnellsten wachsende Stadt der USA. Dass sich Las Vegas vor der Übernahme durch die großen amerikanischen Konzerne ursprünglich komplett in Mafia-Hand befand, dass zeigt Martin Scorseses eindrucksvoller Klassiker CASINO (1995). Doch Siegel sollte den Aufstieg Las Vegas´ nicht mehr selbst miterleben. Und ohne zu viel verraten zu wollen, kann man sagen, dass die Eröffnung seines "Flamingo" wenig glamourös ausgefallen ist...

Der Film BUGSY (von "Bug": Kakerlake - Ben Siegels von ihm selbst verständlicherweise wenig geliebter Spitzname...) ist von seiner Gangart her das genaue Gegenteil von Scorseses rasantem Mafia-Epos CASINO. BUGSY ist überhaupt kein typischer Mafia-Film, sondern ein Biopic über die letzten sechs Jahre im Leben eines der berüchtigsten amerikanischen Mafiosi. Ben Siegel war ein durchgeknallter Tausendsassa, ein Charmeur und ein Frauenheld, ein knallharter Geschäftsmann und ein eiskalter Killer. Sein Größenwahnsinn zeigte sich nicht nur in seiner Vision von einem Las Vegas als einer florierenden Geldquelle mit direkter Flughafenanbindung an Los Angeles. Siegel plante sogar die Ermordung von Mussolini. Wäre jener nicht bereits zuvor von dessen eigenen Landsleuten ermordet worden, so wäre Siegel am liebsten selbst nach Italien geflogen, um Hitlers Verbündeten persönlich eine Kugel durch den Kopf zu jagen und damit seinen Beitrag zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs zu leisten. Da sich der gesamte Film BUGSY um diese ebenso komplexe, wie charismatische Persönlichkeit dreht, ist es natürlich entscheidend, dass der Darsteller von Siegel all dessen sich widersprechende Charakterzüge auch angemessen verkörpern kann. Und genau dies gelingt Warren Beatty mit Bravour. Der Schauspieler liefert als Ben Siegel seine beste Arbeit seit Arthur Penns BONNIE AND CLYDE (1967). Warren Beautty IST Bugsy!

Dass dieser Ben Siegel ein auch für einen Mafiosi sehr ungewöhnlicher Zeitgenosse ist, wird bereits in einer der ersten Filmszenen klar. Dort besucht er einen Mann, der auf der Lohnliste der Mafia steht in dessen Nähgeschäft. Zuerst hält Siegel ein wenig Smalltalk mit einem Mitarbeiter und dann führt er ein längeres Gespräch mit dem Boss, dem er sogar ein paar neue Hemden vorbeibringt, die er zuvor extra selbst gekauft hat. Dies alles macht Siegel jedoch nur, um den Mann am Ende damit zu konfrontieren, dass er Gelder unterschlagen habe, weshalb er ihn plötzlich vor den Augen seiner Mitarbeiter erschießt. Währenddessen warten Siegels Leute inklusive dessen Boss Meyer Lansky (Ben Kingsley) schon ungeduldig in ihrem Auto auf Siegels Rückkehr. Sie wundern, sich, weshalb das Erschießen einer einzigen Person so lange dauert. Aber Siegel war es eben wichtig, dass der Mann vor seinem Tode noch schnell erfährt, weshalb jetzt sein letztes Stündchen geschlagen hat. Als er kurze zeit später in Los Angeles ankommt, betritt er spontan die Villa eines berühmten Opernsängers, um ihm seine Aufwartung zu machen. Das sieht dann so aus, dass Siegel dem völlig perplexen Mann erklärt, dass er jetzt dessen Haus kaufen wird. Er muss gar nicht erst gewalttätig werden, um sein Ziel zu erreichen, denn sein Ruf eilt ihm bereits voraus.

Nur selten kommt es in BUGSY zu tatsächlichen Ausbrüchen von Gewalt. Doch zeigt sich die Gewaltbereitschaft insbesondere von Siegel, aber auch der anderen Mafiosi, in der unterschwelligen Spannung, die in fast allen Dialogen liegt. Überhaupt ist BUGSY ein sehr langsamer und ein extrem dialoglastiger Film. Wer bei einem Mafiafilm am meisten Wert darauf legt, dass möglichst konstant herumgeballert wird, der ist mit der Gangster-Gurke GANGSTER SQUAD (2013) wahrscheinlich besser bedient. BUGSY lebt insbesondere von den sehr scharfen Dialogen von James Tobacks Adaption von Dean Jennings Roman. Im Gegensatz zu dem über weite Strecken missglückten GANGSTER SQUAD sind die verschiedenen hier dargestellten historischen Persönlichkeiten auch keine reinen Abziehfiguren, sondern echte Menschen aus Fleisch und Blut. Dazu trägt neben dem hervorragenden Drehbuch auch die superbe Besetzung bei. Neben Warren Beatty als Siegel ist z.B. auch Ben Kingsley als berüchtigtes Mafia-Mastermind Meyer Lansky schlichtweg genial. Ohne, dass er viel zu sagen braucht, strahlt dieser eine Autorität aus, die zu respektieren, sich offensichtlich dringend empfiehlt.

Kingsley zufolge ist seine große Wirkung im Film auch eine Folge der außerordentlich präzisen Regie von Barry Levinson. BUGSY ist nicht einfach ein weiteres beeindruckend ausgestattetes und wunderschön ins Bild gesetztes Period Piece, sondern ein Film, dessen optische Ebene jederzeit die jeweiligen Emotionen und Handlungsabläufe unterstützt. Hinzu kommt ein wie gewöhnlich herausragender Score von Italiens Altmeister Ennio Morricone, der den hervorragenden Gesamteindruck unterstützt. BUGSY wurde nicht umsonst für 10 Oscars nominiert, wovon der Film aufgrund einer sehr harten Konkurrenz jedoch nur die Auszeichnungen für das beste Szenenbild und das beste Kostümdesign gewann. Im Vergleich zu Scorseses großen Mafiaklassikern GOOD FELLAS (1990) und CASINO oder dem bis heute überragenden Neo-Noir L.A. CONFIDENTIAL (1997) ist der wesentlich langsamere BUGSY heute ein wenig in Vergessenheit geraten. Doch wer sich auf die sehr ruhige Gangart des Films einlassen mag, der kann hier einen der besten Mafiafilme der neunziger Jahre wiederentdecken.

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FAZIT:

Wer bei einem Mafiafilm insbesondere Wert auf einen erhöhten Bleigehalt legt, der ist mit dem aktuell laufenden GANGSTER SQUAD höchstwahrscheinlich recht gut bedient. Wer sich mehr für eine überzeugende Darstellung des mafiösen Wilden Westens der Vierziger und der damals das Geschehen bestimmenden Persönlichkeiten interessiert, dem sei der ungleich langsamere, aber auch ungleich bessere BUGSY ans Herz gelegt. Grundlage dieser Rezension war der bisher nicht in Deutschland erhältliche Unrated Extended-Cut.

WERTUNG: 9 von 10 abwechselnd auf dem Teppich Handstand machende Zwerge
TEXT © Gregor Torinus
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