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Capote

Capote

DRAMA: USA, 2005
Regie: Bennett Miller
Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Clifton Collins Jr., Chris Cooper

STORY:

Capote
Im November 1959 ist Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) wegen des Erfolgs von "Frühstück bei Tiffany" ein gefeierter Schriftsteller und wegen seiner offen ausgelebten Homosexualität und seiner Exzentrik der Liebling des New Yorker Jetsets. Als er durch einen Bericht in der New York Times auf einen Aufsehen erregenden Mordfall in Kansas aufmerksam wird, entschließt er sich, für das Magazin New Yorker einen Artikel zu schreiben. Begleitet von seiner Freundin Harper Lee (Catherine Keener) reist Capote ins Städtchen Holcomb und beginnt mit seinen Recherchen über den Vierfachmord. Kurz darauf werden die beiden Täter gefasst. Capote erhält die Erlaubnis, mit Perry Smith und Dick Hickock im Gefängnis zu sprechen, und erkennt sofort, dass der Stoff zu groß für einen Artikel ist. Mit einem Tatsachenroman über die Hintergründe des Verbrechens will er Literaturgeschichte schreiben. Doch "Kaltblütig" wird auch zu einer Obsession, die Capote an den Rand seiner psychischen und physischen Belastbarkeit führt. (Text: Votivkino)

KRITIK:

Capote Über die Schauspielkunst von Philip Seymour Hoffman noch großartige Worte zu verlieren ist wohl Zeitverschwendung. Natürlich wird seine Oscar-prämierte Performance als Truman Capote allerorts in den Himmel gelobt. Wenn es nach mir ginge, hätte Philip Seymour Hoffman den Oscar allerdings schon Jahre früher gewonnen; etwa für seine erschüttende Darstellung des schnaufenden Onanisten in Happiness (1998). Oder des benzinschnüffelnden Psycho-Wracks in Love Liza (2002). Oder für seine unzähligen Kurz-Auftritte in Filmen wie Magnolia, Boogie Nights, 25th Hour oder Punch Drunk Love.

Capote Capote, der Film, lebt nicht nur von der - allseits gelobten - schauspielerischen Leistung von Capote-Darsteller Hoffman, sondern auch von der stilsicheren Inszenierung. Regisseur Bennett Miller beweist starkes Gespür für Lichtsetzung und Atmosphäre; er fängt die Landschaft des amerikanischen Südens in ruhigen, blaß-grauen Bildern ein, in denen sein Hauptdarsteller wie ein Fremdkörper wirkt.

Dennoch ist dies nicht Hoffmans bester Film. Für meinen Geschmack wird zuviel dessen verhandelt, was mein alter Englischlehrer wohl great moral dilemmas nennen würde. Der Film stellt die typisch amerikanischen Fragen nach moralischen Problemen, nach Ethik, Verantwortung, Ehrlichkeit, den Stellenwert von Freundschaft usw. usf. Themen also, wie sie auch in jeder Teenie-Serie breit getreten werden. (natürlich filmisch nicht annähernd so virtuos umgesetzt)

Wobei aber - und das ist der springende Punkt - das unmoralischeste aller amerikanischen Probleme, nämlich die Todesstrafe, eben NICHT in Zweifel gezogen wird. Die wird widerspruchslos akzeptiert, quasi als gottgegebenes Naturgesetz. Wenn ich jemanden umbringe, werde ich hingerichtet. Amen. Amerika ohne Todesstrafe, so scheint es, ist wie Wien ohne Hundescheiße: Einfach nicht vorstellbar.

Am Ende wird Capote an der Hinrichtung des Mörders Perry Smith teilnehmen. Smith selbst schreitet zur Hinrichtung wie ein Maturant zur mündlichen Prüfung. Ein wenig angespannt vielleicht, aber mit der Sicherheit, dass bald alles vorbei sein wird. Tut mir leid, aber das ist alles andere als realistisch und kostet Wertungspunkte ...

FAZIT:

Ein leises, durchwegs interessantes, nona-hervorragend gespieltes Psychodrama, das leider vor groben Schnitzern nicht gefeit ist (siehe letzter Absatz). Sehenswert ist der Film auf alle Fälle, doch an die Qualität von Philip Seymour Hoffmans früherer Werke kommt Capote m.E. nicht heran.

WERTUNG: 7/10
Dein Kommentar >>
a-l-e-x | 25.02.2014 11:22
Falls jemand den Film noch nicht gesehen hat, versucht mal den
Makrokosmos USA und die damit verbundenen Moralfragen außen vor
zu lassen und den Film als singuläres Portrait eines Mannes mit
"Narzisstischer Persönlichkeitsstörung" (oder auch Boarderline) zu
sehen...
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Bernhard | 26.07.2006 01:09
Ich denke schon, dass die Todesstrafe in diesem Film so gut es ging angeprangert wurde. Da es sich allerdings um eine wahre Begebenheit handelt, muss man wohl alle handelnden Personen möglichst real darstellen - und kann nicht einfach zB Personen zu Gegnern der Todesstrafe machen, wenn sie es nicht waren. Zugunsten moralischer Aspekte hier die Tatsachen zu verdrehen, würde ich für falsch halten.
Bernhard | 26.07.2006 01:12
Ansonsten stimme ich mit dem Review überein ;-) - auch wenn ich vielleicht 8/10 aus der Tasche zaubern würde. Hoffmann macht diesen Film zu einem wahren Genuss - Mimik, Gestik, Sprache und auch seine Bewegungen, es ist schlicht eine Freude zu sehen, wie sehr sich der Mann damit beschäftigt hat, seine Rolle bis ins kleinste Detail auszufeilen. Übrigens ist sogar die deutsche Synchro ausnahmsweise mal gut gelungen.
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