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Der Baader Meinhof Komplex

Der Baader Meinhof Komplex

HISTORYTAINMENT: D, 2008
Regie: Uli Edel
Darsteller: Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz

STORY:

Die Geschichte der Roten Armee Fraktion, basierend auf dem gleichnamigen RAF-Standard-Werk von Stefan Aust.

KRITIK:

Bernd Eichinger lässt sich nicht lumpen: Gleich eine der ersten Einstellungen - die Proteste gegen den Schah-Besuch in Westberlin 1967 - bringt das größte Statistenheer der jüngeren deutschen Filmgeschichte auf die Leinwand. Die Detailtreue in Kostüm und Dekor ist wirklich beeindruckend. Eichinger und sein Regisseur Uli Edel haben weder Kosten noch Mühen gescheut, um das Geschehen möglichst authentisch auf die Leinwand zu bringen.

Im Fast-Forward-Modus wird die Geschichte der RAF aufgerollt: Andreas Baaders (überzeugend: Moritz Bleibtreu) erste terroristische Gehversuche als Kaufhaus-Brandstifter, das Abtauchen in den Untergrund, die Banküberfälle, die Anschläge auf Richter, Staatsanwälte, US-Stützpunkte und die Springer-Presse. Schließlich die Verhaftung des harten Kerns Baader, Ennslin, Meinhof und Jaspe, die "Vernichtungshaft" in Stammheim, die "Landshut"-Entführung und, und, und...

Das Drehbuch folgt der Chronologie der Ereignisse und setzt vor allem auf eines: Action. Die zahllosen Schießereien, Bombenattentate und Morde werden mit ziemlich drastischen Bildern gezeigt. Regisseur Uli Edel ist ein hochsolider Handwerker, der es gerne mal krachen lässt. Da sieht ein Kopfschuss aus wie ein Kopfschuss - und nicht wie ein Pixelhaufen aus dem CGI-Rechner. Blutiger Realismus ist also angesagt, der aber etwas reißerisch wirkt.

Weniger wäre hier mehr gewesen - zumal sich Edel und Eichinger für die gesellschaftlichen Zustände der "bleiernen Zeit" nur am Rande interessieren. Zwar darf Bruno Ganz als BKA-Chef Horst Herold die Ereignisse mit staatstragender Miene kommentieren. Doch über Allgemeinplätze kommen seine Erklärungen zum Nahost-Konflikt, zur Kraft des Mythos RAF, zu den Ursachen des Terrors nicht hinaus.

Dass der Film "die Debatte über den deutschen Terror völlig verändern werde" (Zitat Der Spiegel), wage ich zu bezweifeln. Warum? Weil ganz wesentliche - und relativ wenig bekannte - Fakten schlicht ignoriert wurden.

Dass Hanns-Martin Schleyer, der deutsche Arbeitgeber-Präsident, mit dessen Ermordung der Film endet, ein SS-Offizier war, der an einem Massaker mit 41 Toten beteiligt war, ein Massenmörder also, der für seine Taten niemals zur Verantwortung gezogen wurde - das kehrt der Film ganz lässig unter den Tisch.

Dabei hat sich die RAF Schleyer ganz bewusst als Opfer ausgesucht: Schleyer war ein Symbol für das verhasste "Schweinesystem", wo es viele alte Nazis zu neuer Macht und neuem Reichtum bringen konnten, ohne sich jemals ihren Taten stellen zu müssen.

Schade, dass dem selbsternannten Geschichtslehrer Bernd Eichinger zu diesem - ich würde mal sagen, nicht ganz unwichtigen - Kapitel rein gar nichts eingefallen ist. Wie auch immer, Interessierte können HIER weiter lesen...

Der Baader Meinhof Komplex Bild 1
Der Baader Meinhof Komplex Bild 2
Der Baader Meinhof Komplex Bild 3
Der Baader Meinhof Komplex Bild 4Nur die Knarre löst die Starre: Moritz Bleibtreu in Action
FAZIT:

Geschichte-Unterricht á la Bernd Eichinger: Extrem aufwändig, durchwegs spannend und solide inszeniert, erweist sich sein Film zur RAF als reißerische Action-Chronologie der Ereignisse von 1968 bis zum Deutschen Herbst. Schade nur, dass sich Eichinger aus der hasenfüßigen Position des neutralen Erzählers nicht heraustraut. Kontroverse Inhalte werden weitgehend ausgespart. Unterm Strich ein absolut sehenswertes, aber irgendwie mutloses Stück Historytainment...

WERTUNG: 8 von 10 Bombenattentaten
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Dein Kommentar >>
Djan | 26.08.2011 22:05
stimme voll und ganz überein, handwerklich nahe der perfektion aber viele wichtige fakten werden ausgeblendet, jmd. der sich mit der materie nicht auskennt könnte sich fragen "wofür kämpfen die da eigentlich?"
>> antworten
Ralph | 28.09.2008 13:40
1)Also ich finde auch der Film ist erstaunlich gut gelungen. Er befolgt die oberste Regel des guten Filmemachens: Inszeniere ein Genre immer gegen den Strich. Soll heißen: Inszenieren ein Drama wie einen Thriller und einen Thriller wie ein Drama. In diesem Fall eben eine Geschichtsstunde wie einen Actionfilm. Es funktioniert! Das war nach den letzten filmischen Untaten von Stoffvernichter Bernd Eichinger (Das Parfum und Elemtarteilchen) nicht zu erwarten. Aber dem Mann haben wir ja schließlich auch einige gute Filme wie Der Untergang zu verdanken.
2) Ich finde nicht, dass der Film wirklich wertfrei wirkt, auch wenn man es versucht hat. Ich hab auch besagten Spiegel gelesen, der gemeint hat dass nun endlich zu all den Texten die richtigen Bilder gefunden wurden, dass man endlich die Opfer sieht. Ja, das hat man. Fette Bonzen mit einer Screentime von 7 Sekunden. Da konnte man nicht wirklich Gefühle und Mitleid aufbauen. Natürlich waren Baader und Ensslin jetzt auch nicht gerade Sympathieträger, aber Meinhof (obwohl ja genaugenommen auf ihr die meiste Schuld lagerte) war eindeutig die Identifikationsfigur in diesem Film. Zumindest für mich (vielleicht sollte ich ja zum Psychologen schauen;-)...
3) Und großartig fand ich die Sonnenbadszene im Terroristencamp. Da konnte ich herzhafter lacher als beim ganzen Tropic Thunder zusammen:-)
Harald | 28.09.2008 21:09
stimmt, das war witzig. allerdings kannte ich die szene schon aus dem film baader (2002).
bester raf-film ist übrigens 'die innere sicherheit'
Ralph | 29.09.2008 00:44
Ich finde "Innere Sicherheit" auch großartig. Hab ich sogar damals im Kino gesehen...
>> antworten
Nic | 27.09.2008 15:10
ich werd bis 2009 warten, wenn im free-tv die langfassung kommt...
>> antworten