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Eine Frau ist eine Frau

Eine Frau ist eine Frau

OT: Une femm est une femme
KOMÖDIE: Frankreich, 1961
Regie: Jean-Luc Godard
Darsteller: Anna Karina, Jean Paul-Belmondo, Jean-Claude Brialy

STORY:

Angela (Anna Karina) lebt zusammen mit ihrem Mann Émile (Jean-Claude Brialy) in Paris. Sie arbeitet als Stripperin in einem drittklassigen Lokal, er ist Angestellter in einer kleinen Buchhandlung. Angela möchte von Émile ein Kind haben und dieses am besten sofort, da sie gerade fruchtbar ist. Da ihr Mann von dieser Idee weniger angetan ist, nimmt Angela nun ihren gemeinsamen Freund Alfred Lubitsch (Jean Paul Belmondo) ins Visier. Da Alfred schon länger ein Auge auf Angela geworfen hat, muss sie bei ihm nicht erst größere Überzeugungsarbeit leisten...

KRITIK:

EINE FRAU IST EINE FRAU ist Jean-Luc Godards dritter Spielfilm und zugleich erster Farbfilm. Der Film spielt mit Elementen der Komödie und des Musicals. Anhand der Inhaltsangabe wird bereits deutlich, dass der Film mehr einem modernen Märchen, als Godards späteren sozialkritischen Filmen gleicht. Doch die Handlung an sich wird weder vom Regisseur, noch von den Protagonisten des Films wirklich ernst genommen. Denn auch dieses Werk Godards ist insbesondere ein Metafilm. So wenden sich die drei Hauptakteure öfter direkt an das Kinopublikum oder fragen sich gegenseitig, ob dies nun gerade eine Komödie oder eine Tragödie sei bzw. ob sie sich zur momentanen Situation passend verhalten. Der Betrachter wird also immer wieder ausdrücklich daran erinnert, dass er gerade einen Film anschaut.

Bereits die Eröffnungstitel des Films haben nicht die konventionelle Form der Vorstellung von Filmtitel, Regisseur, Hauptdarstellern und weiterer wichtiger an der Entstehung Beteiligter. Stattdessen wird in riesigen blinkenden Lettern ein freies Assoziationsspiel betrieben, Dieses Spiel mit übergroßen Schriftzügen hat Godard später immer weiter ausgebaut. So endet sein für lange Zeit letzter narrativer Film WEEKEND mit den Worten "Ende des Films", welche sich zunächst in "Ende des Kinos" und am Schluss in die amtliche Registriernummer des Films verwandeln. Genau dieses Spiel mit überdimensionalen suggestiven Lettern hat der Wahlfranzose Gaspar Noé für das zeitgenössische Kino wiederbelebt und mit ENTER THE VOID ad absurdum geführt.

In diesen Titeln zeigt sich auch bereits Godards Vorliebe für die Farbkombination Rot-Blau-Weiß, welche sich auch im späteren Film insbesondere in der Kleidung Anna Karinas immer wieder finden wird. Dieser Hinweis auf die französische und auch auf die amerikanische Flagge wird Godards spätere Filme wie ZWEI ODER DREI DINGE, DIE ICH VON IHR WEISS in ihrer Gesamtheit dominieren. Dieses Stilmittel greift Brian de Palma Anfang der Achtziger wiederum in seinem Film BLOW OUT - DER TOD LÖSCHT ALLE SPUREN auf, um deutlich zu machen, dass sein Film als eine Parabel auf den Zustand der USA verstanden werden kann.

Bei all seiner unbändigen Experimentierfreude behandelt Godard das farbliche Element in seinem ersten Farbfilm verhältnismäßig zurückhaltend. Über die bereits genannten Elemente hinaus, verwendet er nur noch gelegentlich Farbfilter und dies auch an Stellen, wo es von der inhaltlichen Ebene her passt. So wird seine baldige Frau Anna Karina während sie einen Chanson singt, von wechselnden Farbfiltern im wahrsten Sinne des Wortes ins beste Licht gerückt. Doch diese Farbfilter sind nicht willkürlich, sondern werden als ein Bestandteil der Bühnenbeleuchtung eingeführt.

Noch weit experimenteller als auf der bildlichen Ebene ist EINE FRAU IST EINE FRAU erstaunlicher Weise auf seiner auditiven Ebene. So wechselt der Ton im Club immer wieder zwischen Bildvorder- und Bildhintergrund und übernimmt somit die Rolle eines akustischen Zooms. Und als Angela durch die Straßen von Paris läuft, wird dies abwechselnd von passender Filmmusik und dann auf einmal nur von reinen Straßengeräuschen begleitet, wobei der Ton zwischendurch auch einfach mal unvermittelt ganz abgeschaltet wird.

Dieses Spiel mit abrupten Wechseln wird in EINE FRAU IST EINE FRAU geradezu systematisch betrieben. So äußern sich plötzliche Gefühlswechsel der Protagonisten oftmals in einer ebenso plötzlich sich verändernden Filmmusik. Die Frage, ob es sich hier gerade um eine Tragödie oder um eine Komödie handelt, wird so auch auf auditiver Ebene gestellt. Somit werden die Elemente der Filmsprache für den Zuschauer in ihrer jeweiligen Funktion und Aussagekraft absolut offen gelegt und gezeigt, dass Bild und Ton im Prinzip austauschbare Elemente darstellen.

Sehr schön und zugleich sehr amüsant wird dies in der berühmten Szene deutlich, als Angela und Émile während eines Streits die Worte auszugehen scheinen. Statt sich gegenseitig anzuschreien suchen sie sich nun Bücher mit für ihre Argumente passenden Titeln heraus und zeigen sich diese gegenseitig.

Eine Frau ist eine Frau Bild 1
Eine Frau ist eine Frau Bild 2
Eine Frau ist eine Frau Bild 3
Eine Frau ist eine Frau Bild 4
Eine Frau ist eine Frau Bild 5
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Eine Frau ist eine Frau Bild 8
FAZIT:

Jean-Luc Godards erster Farbfilm EINE FRAU IST EINE FRAU ist eine ebenso charmante, wie experimentelle Mischung aus einer Komödie und einem Musical. Auch wenn der Regisseur hier noch nicht wie in seinen späteren Filmen die ganz großen Fragen stellt, so widmet er sich bereits hier einer intensiven Analyse des Mediums Film. Es gibt sicherlich viele Filme von Godard, die noch mehr Tiefgang haben, aber nur sehr wenige haben die Leichtigkeit von diesem Frühwerk.

WERTUNG: 8 von 10 Spiele mit der filmischen Form
TEXT © Gregor Torinus
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Ralph | 27.08.2012 20:52
Einer der Godards, die ich bis jetzt nicht gesehen hab. Werde ich hoffentlich bald nachholden. Danke für das Review.
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