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Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films

Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films

DOKUMENTARFILM: USA/AUS, 2014
Regie: Mark Hartley
Darsteller: Dolph Lundgren, Franco Nero, Michael Dudikoff, Tobe Hooper, Avi Lerner, Boaz Davidson

STORY:

Mit ihrer "Eis am Stiel"-Serie hatte die israelischen Cousins Menahem Golan und Yoram Globus genug Geld verdient, um nach Hollywood zu ziehen und die unabhängige Filmproduktionsfirma Cannon zu übernehmen. Mit aggressivem Marketing, kreativen Finanzierungsmethoden und preisgünstig produzierten Sex- und Actionfilmen wurde der Markt aufgemischt. Cannon produzierte zeitweise bis zu 40 Filme pro Jahr und schuf mit seinen Stars Chuck Norris, Michael Dudikoff und Jean-Claude Van Damme Klassiker des B-Actionfilms. Bis sich die Firma finanziell übernahm und mit Bomben und Granaten zusammenkrachte. In seiner Doku ELECTRIC BOOGALOO lässt der australische Film-Enthuasiast Mark Hartley viele mehr oder weniger prominente Interviewpartner zu Wort kommen, um die irrwitzige Geschichte von Cannon Films zu erzählen.

KRITIK:

Und zu erzählen gibt es in der Tat einiges: In einem beachtlichen Tempo jagt die Doku von einer Episode zur nächsten. Anscheinend hatte jeder, der jemals mit Golan und Globus zu tun hatte, eine irrsinnige Geschichte zu erzählen. Zu Wort kommen einige der damaligen Stars des Studios wie Michael Dudikoff, Dolph Lundgren und auch Franco Nero. Aber kein Chuck Norris, kein Jean-Claude Van Damme und auch kein Sylvester Stallone - der 1987 von Cannon die höchste jemals bezahlte Gage überwiesen bekam, nämlich 12 Millionen Dollar für OVER THE TOP. Dafür hätte sich Mr. Stallone schon auch noch ein paar Minuten Zeit für ein Interview nehmen können.

Dafür haben Leute aus der zweiten Reihe umso mehr - und bisweilen Unschmeichelhaftes zu erzählen. Einerseits schien bei Cannon kreatives Chaos und eine unbekümmerte Anything Goes-Mentalität geherrscht zu haben. Andererseits dürften die Bosse - vorsichtig ausgedrückt - menschlich eher schwierig gewesen sein. Doch ihre Liebe zum Kino, die stand außer Zweifel. Menahem Golan, der am 8. August 2014 im 81. Lebensjahr verstarb, war ein zeitlebens unterschätzter Visionär. Seine stets martialisch betitelten Actionfilme - ob sie nun AMERICAN FIGHTER, INVASION USA oder MISSING IN ACTION hießen, haben mich damals, in grauer Videothekenvorzeit, infiziert und treiben meine Filmleidenschaft bis heute irgendwie an. Im Grunde verdanke ich Menahem Gloan und Yoam Globus alles: Ohne die Werke der beiden Israelis, die den damals boomenden Videomarkt überfluteten, gäbe es heute wohl auch diese Website nicht. Also, zumindest nicht in dieser Form und Schwerpunktsetzung. 

Klar waren die umtriebigen Produzenten nicht immer auf der Seite des guten Geschmacks zu Hause. Natürlich spiegeln viele Filme den problematischen Zeitgeist ihrer Ära wider, wirken wie überlange Werbespots für die US-Army und die National Rifle Organisation.

Und dann gab es noch eine andere, kunstsinnige Seite von Cannon: Quasi als Gegengewicht zu den Ninja-Kloppern und patriotischen Kriegsspektakeln verpflichtete Golan auch Kunstfilmer für prestigeträchtige Auftragsarbeiten - mit unterschiedlichen Ergebnissen. Legendär ist etwa die Episode um Jean-Luc Godard, der den Vertrag auf einer Serviette unterschrieb und ein heimlich aufgenommenes Telefongespräch mit Golan in den Film einbaute.

Mark Hartley ist zweifellos ein Guter. Mit seinen Dokus "Not Quite Hollywood: The Wild, Untold Story of Ozploitation!" (2008) und "Machete Maidens Unleashed!" (2010) hat sich der Australier als großer Filmliebhaber und Fachmann für filmgeschichtliche Abseitigkeiten erwiesen. Vielleicht tut man ihm ja Unrecht, aber ELECTRIC BOOGALOO wirkt über weite Strecken, als wolle Hartley die Cannon-Ära als gewaltiges cineastisches Missverständnis und die Produzenten als naive Witzfiguren auf dem Niveau von Ed Wood vorführen.

Dabei waren die Cannon-Filme keineswegs "billiger, verrückter Schrott", wie manche Interviewpartner behaupten. Im Gegenteil, beim Gros ihrer Filme handelte es sich um handwerkliche Qualitätsarbeit - und mehr als das. Bei der Erst-Sichtung des Chuck Norris-Spektakels INVASION USA war ich verblüfft über die Qualität der Häuser-Miniaturen, die da am Anfang mit einer Bazooka in die Luft gejagt werden. Von ELECTRIC BOOGALOO erfahre ich jetzt, dass echte Häuser (!) gesprengt wurden. Ein ganzer Vorort wurde für den Film platt gemacht. Wow.

Es sind solche überraschenden Infos, die diese Doku sehenswert machen. Auch wenn der flapsige, bisweilen arg respektlose Tonfall doch sehr iritiert. Zwar hat Hartley zweifellos sorgfältig recherchiert und eine Unmenge an Interviewpartnern vor der Kamera versammelt. Doch die Liebe zum Film, die die beiden Israelis einer ganzen Generation zu vermitteln wussten, lässt sich in dieser hektischen, auf den schnellen Lacher getrimmten Doku allenfalls erahnen. Das ist schade.

Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films Bild 1
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Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films Bild 5
FAZIT:

Sehenswert ist die "Wild, Untold Story of Cannon Films" zweifellos. Der australische Film-Enthusiast Mark Hartley hat eine Unzahl an Zeitzeugen vor der Kamera versammelt und füttert Interessierte mit vielen amüsanten und informativen Episoden über Leben und Wirken des legendären Produzenten-Duos Menahem Golan/Yoram Globus. Problematisch aus meiner (arg subjektiven) Sicht ist der etwas respektlose, halblustige Tonfall, der die zeitlebens unterschätzten Visionäre als Witzfiguren vorführt, die sie keineswegs waren.

ELECTRIC BOOGALOO erscheint am 21.4.2015 bei Ascot-Elite auf DVD und Blu-ray.

Wer den Film im Kino sehen möchte, hat dazu im Rahmen des Fright Nights-Filmfestivals Gelegenheit. Am Freitag, 17.4. im Gasometer um 18.00 als Double Feature mit DIE HERRSCHAFT DER NINJA.

WERTUNG: 7/10
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Dein Kommentar >>
heinz | 06.04.2015 16:08
Ist auch im Rahmen der Fright Nights nächste Woche im Kino Doppelpack mit Ninja 3 zu sehen.
Harald | 07.04.2015 10:08
Danke, guter Hinweis. Ich schreib's gleich ans Ende
der Review.
>> antworten
Johannes | 06.04.2015 12:51
Schöne Kritik, Harald. ;) Die Doku werde ich mir auf jeden Fall ansehen. Auch, wenn es schade ist, dass Hartley Golan und Globus scheinbar nicht den nötigen Respekt entgegenbringt.

Ohne Cannon wäre das Actiongenre schließlich ein recht trauriger Haufen und die Welt um ein paar Actionikonen ärmer...
>> antworten