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Exit through the Gift Shop

Exit through the Gift Shop

DOKUMENTATION/ MOCKUMENTARY (?): USA, 2010
Regie: Banksy
Darsteller: Banksy, Shepard Fairey, Thierry Guetta, Space Invader

STORY:

Es war einmal ein kleiner verrückter Franzose namens Thierry Guetta, der einen ziemlich großen Kleiderstore besaß. Er trug immer eine Videokamera bei sich, weil filmen für ihn der ultimative Beweis war dabei zu sein. Zufälligerweise war sein Cousin der bekannte Street Artist Space Invader. So fing der verrückte Franzose an Street-Artisten zu filmen. Schließlich schafft er es sogar an den berühmten Banksy heranzukommen, der ihn sogar dazu bringt sein Filmmaterial auch zu benutzen. Als dabei der ungenießbare Film "Life Remote Control" herauskommt, fasst sich Banksy ein Herz und greift dem verrückten Franzosen unter die Arme, indem er nun die Regie übernimmt und ihm dabei hilft selber ein Street-Artist zu werden. Wie war das noch einmal mit den Geistern, die man rief?

KRITIK:

Soll man Kunst eigentlich ernst nehmen? Soll man diesen ganzen Selbstdarstellern mit ihren leeren Worthülsen zuhören, wenn sie einen Haufen Scheiße auf dem Sprachniveau einer Boulevardzeitung tiefenpsychologisch ausloten? Eigentlich nicht. Dennoch schaffen es viele Künstler mit neuen Ideen, neuen Ansichten, Bildern, Grammatiken Dinge auf eine Art sichtbar zu machen, wie wir sie vorher noch nicht gesehen haben. Banksy scheint einer von jenen zu sein, eine lebende Legende, der seine Kunst auf hohem Niveau aber auch innerhalb rechtlicher Grauzonen auslebt und nicht allzu viele Worte darüber verliert. Unkorrumpierbar, unbeirrbar, und vor allem: ein netter Kerl. Einer der Helden unseres Zeitalters. Und jetzt auch als Regisseur.

Bescheiden wie eh und je, denn er verliert schon wieder keine großen Worte über sich selbst, sondern richtet die Kamera auf einen anderen. Thierry Guetta. Das ist also streng genommen kein Film über Banksy. Nein, "Exit through the Gift Shop" ist ein Film von Banksy, ein weiteres, wahres Kunstwerk, eine weitere Verschiebung der Möglichkeiten eines Mediums. Denn Banksy erzählt mit diesem Film die unglaubliche Geschichte der Street Art, von ihrem Schattendasein an tristen Hauswänden bis zum Aufstieg, der gesellschaftlichen Anerkennung und dem Einzug in renommierte Museen und exklusiven Kunstsammlungen. Sie erzählt davon wie diese Kunstform ihre Unschuld verliert und das kann man so ziemlich genau einer einzelnen Person zuschreiben: Thierry Guetta bzw. "Mr. Brainwash".

Monsieur Guetta ist ein liebenswürdiger Schussel, ein Mitläufer, ein schräger Vogel und ein passionierter Verrückter. Er setzt ab einem gewissen Punkt sein ganzes Vermögen aufs Spiel um eine Ausstellung mit seiner dutzendfach hergestellten Retortenkunst, die eigentlich nichts als eine Kopie der Werke der "wahren" Street Artists darstellt, auf die Beine zu stellen. Er nimmt nicht einmal selbst den Pinsel in die Hand, er organisiert nur. Der alte Traum von der Kunstfabrik flackert da auf. Man kann sich richtig vorstellen, wie in China zehn Leute zusammengepfercht in einem Raum sitzen und den dreizehnten Harry Potter Band zusammen schreiben.

Auch hier: ein Team von Assistenten malt seine Bilder, baut seine Skulpturen und als alles ins Wasser zu fallen scheint, springen auch noch die wahren Street-Artisten ein und helfen ihm. Sein Show "Life is beautiful" wird zum Renner. Was folgt ist Katerstimmung. Ausverkauf des Streetartistentums. Ein schlechter Witz ist wahr geworden. Ein Nichtskönner war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und kannte die richtigen Leute. Dann kam der Hype von ganz alleine. Heute distanzieren sich alle. Banksy dazu: Er hat nicht ganz nach den Regeln gespielt, aber andererseits sollte es auch keine geben.

Banksy dekonstruiert schonungslos die Kunstszene, das Publikum, dass nur am Hype und am Event interessiert ist, dem aber letztlich völlig egal ist, was es da kauft. Moderne Kunst ist der Versuch immer neue Formen zu finden, ist aber gleichzeitig ein Symptom der Überflussgesellschaft, die nicht mehr weiß, was sie konsumieren soll, deren Bedürfnisse durch geschicktes Marketing erst "geweckt" werden müssen. Selbst der Gedanke, der sich unweigerlich aufdrängt, soll das alles war sein, oder ist es ein Scherz, kann daran nichts ändern. Wer mit Kunst Geld verdienen will, muss zum Unternehmer werden. Entrepreneurship und Kreativität verschwimmen, nicht das Produkt zählt, sondern der Produzent, der selbst zum Kunstwerk wird. Ist Thierry Guetta also real, oder doch nur eine Kunstfigur? Ich hab es nicht herausfinden können. Es spielt aber auch keine Rolle.

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An alle Wiener: Eine Kostprobe von Banksys Werk (oder das eines Nachahmers) findet sich übrigens in der Siebensterngasse, an einem Hausvorsprung zwischen der Stiftsgasse und der Sigmundsgasse.

Exit Through the Gift Shop wurde für den Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert und ist beim Label Alamoda Film auf DVD erschienen. Extras: Life Remote Control - Der Film, Deletes Scenes, B-Movie: Ein Film über Banksy ...

Exit through the Gift Shop Bild 1
Exit through the Gift Shop Bild 2
Exit through the Gift Shop Bild 3
Exit through the Gift Shop Bild 4
Exit through the Gift Shop Bild 5
FAZIT:

Kunst, diese Fälschung der Welt, diese Lüge, die uns die Wahrheit besser verstehen lässt. Das Street Artist Phantom Banksy versteht es perfekt mit den Mechanismen dieser Kulturtechnik umzugehen, er schafft es gleichzeitig ihre Verdienste und Stärke zu würdigen, sowie ihre Schwächen, ihre Schattenseiten aufzuzeigen, und sich darüber lustig zu machen. Herausgekommen ist dabei eine auf den ersten blick recht harmlose Dokumentation, die sich bei genauerem Hinsehen jedoch als satirisch-dekonstruktivistische und wahrscheinlich durchgeplante Mockumentary über Sein und Schein um Kunstbetrieb entpuppt. Unterhaltsam, mitreißend, schräg, ausgestattet mit einer selbstreferentiellen Metaebene. Der Tarantinofilm der Underground-Dokus sozusagen.

WERTUNG: 8 von 10 Promis mit Sonnenbrillen
TEXT © Ralph Zlabinger
Dein Kommentar >>
Federico | 26.01.2011 17:46
Tolle Kritik, bringt auf den Punkt, was ich über den Film wissen wollte - werd' ihn mir wohl doch ansehen, alleine wegen des angesprochenen Mockumentary-Charakters.
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