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Fear X - Im Angesicht der Angst

Fear X - Im Angesicht der Angst

OT: Fear X
NEO-NOIR: USA, 2003
Regie: Nicolas Winding Refn
Darsteller: John Turturro, Deborah Unger, Stephen McIntyre, William Allen Young

STORY:

Nachdem die Frau des Sicherheitsbeamten Harry (John Turturro) in der Tiefgarage der Shopping-Mall, in der er arbeitet, erschossen wurde, versinkt er weitestgehend in Lethargie. Die einzige Sache, die ihn noch antreibt ist die Suche nach dem Täter und dessen Motiv. Zu diesem Zecke verbringt er seine Feierabende damit sich die Aufzeichnungen der Überwachungskameras anzusehen um potentielle Verdächtige zu erspähen und entsprechende Vergrößerungen an seine Wohnzimmerwand zu hängen. Schließlich scheint Harry dem Täter auf die Spur zu kommen...

KRITIK:

Der aus dem Jahre 2003 stammende Thriller FEAR X ist der dritte Film des dänischen Regiewunderknabens Nicolas Winding Refn, der spätestens seit seinem genialen DRIVE (2011) jedem Genrefan ein Begriff sein wird. Die besondere Handschrift Refns ist auch in diesem Frühwerk bereits deutlich zu erkennen. Angefangen bei der dezenten, aber sehr speziellen Farbgebung, über die sanften, aber zugleich sehr souveränen Kamerafahrten zeichnet diesen Film ein äußerst persönlicher Regiestil aus. Doch obwohl sowohl FEAR X, als auch DRIVE dem Neo-Noir zugerechnet werden können, könnten diese beiden Thriller von ihrer Gangart her nicht unterschiedlicher sein.

Während der opulente DRIVE entsprechend seiner sich um einen Fluchtwagenfahrer drehenden Handlung bereits in der Eröffnungsszene im wahrsten Sinne des Wortes voll durchstartet, ist das Tempo in dem minimalistischen FEAR X äußerst verhalten. Über weite Strecken gleicht der Film mehr einer Charakterstudie des ebenso einsamen, wie obsessiven Harry, den John Turturro (BARTON FINK) meiner Ansicht nach, hervorragend darzustellen vermag. FEAR X ist auch kein sehr leicht zugänglicher Film und das Drehbuch versucht gar nicht erst, es jedem Recht zu machen. Aber genau hier sehe ich eine der größten Stärken des Films. Denn hier liegt der Hase einmal tatsächlich ganz woanders begraben, als man zunächst vermutet hatte. Und auch nachdem allmählich Licht ins Dunkel zu kommen scheint, verläuft die weitere Entwicklung vollkommen anders, als man dies annehmen würde.

FEAR X ist eben nicht ein weiteres Beispiel des gewöhnlichen Actionmülls, wie er - von sehr gelungenen Ausnahmen, wie eben DRIVE einmal abgesehen - zur Zeit die Kinosäale verstopft, sondern viel eher eine Art von modernem Hollywood-Update des alten Antonioni-Klassikers BLOW-UP (1966). Auch jener war ja ein Thriller, der nicht wirklich von seiner herausragenden Spannungsdramaturgie lebte, sondern von Fragen der Erkennbarkeit und Abbildbarkeit der Wirklichkeit in Form von fotografischen Reproduktionen. Zwar wurde in FEAR X die Fotokamera durch die Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras ersetzt. Doch in beiden Fällen hat es der Hobbyermittler mit der schwierigen Interpretation des äußerst dürftigen Bildmaterials zu tun, welches in FEAR X am Ende auch wieder in Fotografien umgewandelt wird.

Doch so betont nüchtern FEAR X auch beginnt, so schleicht sich im weiteren Verlaufe der Handlung doch ein immer stärkeres surreales und absurdes Moment in diesen kleinen, aber feinen Film hinein. Bereits die Besetzung des Hauptdarstellers mit John Turturro ließ zumindest mich unweigerlich an dessen wahrscheinlich bekannteste Rolle, die Darstellung von BARTON FINK denken. Und spätestens wenn Harry in einem suspekten Provinzhotel absteigt, dann beginnen sich diese beiden Filme im Kopfe des Betrachters praktisch zu überlagern. Sogar die bedrohlich wirkenden leeren Hotelflure sind in beiden Filmen in ähnlichen Perspektiven und vor allem auch ähnlich farbintensiv eingefangen, was aber auch daran liegen mag, dass Larry Smith, der Kameramann bei FEAR X, auch bereits der Beleuchter bei Stanley Kubricks SHINING (1980) war.

FEAR X zeichnet eine zwar nur schleichend, aber unaufhörlich zunehmende Atmosphäre immer weiter wachsender Bedrohung aus. Die Kennzeichnung der amerikanischen Provinz als einen Ort, in dem unter der scheinbar gewöhnlichen Oberfläche so manche schier unglaubliche Dinge vonstatten gehen, erinnert gar ein wenig an die Filme David Lynchs (BLUE VELVET). Ähnlich wie bei Lynch verschwimmen auch in FEAR X immer wieder die Grenzen zwischen Realität, Traum und Erinnerung. Auch bedient sich Refn in Momenten besonders starker emotionaler Anspannung immer wieder der Einblendung von lynchesken Gedanken- und Stimmungsbildern, um die Innenwelt des Protagonisten greifbar werden zu lassen. Auch das Ende des Films ist, wenn auch nicht wirklich surreal, so doch ebenso grotesk, wie irrational. Insgesamt ist FEAR X zwar kein völlig makelloser, aber doch ein äußerst interessanter und auch eindeutig empfehlenswerter Thriller, dem ich gerne 7,5 Punkte gebe.

Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 1
Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 2
Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 3
Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 4
Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 5
Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 6
Fear X - Im Angesicht der Angst Bild 7
FAZIT:

Der Thriller FEAR X ist ein Frühwerk Nicolas Winding Refns und ähnlich stylisch wie sein Kracher DRIVE ausgefallen. Allerdings hat der Regisseur hier sehr deutlich das Gas herausgenommen, was ungeduldige Zeitgenossen als Herausforderung empfinden mögen. Aber was diesem Film an Drive fehlt, das macht er zu einem guten Teil durch sein originelles Drehbuch und einen guten Schuss an Absurdität wieder gut. Fast 10 Jahre nach seinem ursprünglichen Erscheinen kommt FEAR X nun auch erstmals in Deutschland als DVD von Sunfilm Entertainment auf den Markt. Für Fans des dänischen Regisseurs ist dies ohnehin ein klarer Pflichtkauf, doch auch Liebhaber ungewöhnlicher Thriller werden hier sehr wahrscheinlich auf ihre Kosten kommen.

WERTUNG: 8 von 10 verpixelte Aufzeichnungen der Überwachungskameras
TEXT © Gregor Torinus
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Dein Kommentar >>
Robin Bass | 08.10.2012 01:11
Hier eine nachvollziehbare Interpretation ehow.com/how_7366075_explain-movie-_fear-x_.html
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Harald | 21.06.2012 09:03
Den hab ich seinerzeit auf der Viennale gesehen. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, den Film verstanden zu haben. Aber das wäre wohl nicht im Sinne des Regisseurs gewesen. Die wunderschönen, rot ausgeleuchteten Hotelflure und John Turturros gehetzter Blick ist mir aber in Erinnerung geblieben. Freunde ungewöhnlicher Thriller sollten sich die DVD holen.
Marcel | 21.06.2012 12:13
"Verstehen wird überschätzt" - Deine Worte, Harald.
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