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Fucking Berlin

Fucking Berlin

DRAMA: D, 2016
Regie: Florian Gottschick
Darsteller: Svenja Jung, Christoph Letkowski, Charley Ann Schmutzler, Mateusz Dopieralski

STORY:

Sonia zieht nach Berlin, um Mathematik zu studieren. Ausgedehnte Club-Nächte und der nixnutzige Schnorrer-Freund Ladja sorgen für Ebbe in der Haushaltskasse, die Sonia mit einem Teilzeit-Job als Web-Stripperin aufzubessern gedenkt. In Massage-Salons und Laufhäusern kann man besser verdienen. Glaubt Sonia zumindest ...

KRITIK:

Sonia Rossis autobiographisches Buch mit dem schönen Titel "Fucking Berlin - Studentin und Teilzeithure" steht bei mir seit Jahren ungelesen im Regal. Ob ich jetzt nach der Verfilmung Lust bekommen habe, das Buch nachzuholen? Hmm, ne.

Aber wir wollen mal nicht so streng sein. Auch wenn der Film - wenn überhaupt - eher lustlose bis negative Reaktionen hervorgerufen hat, hat es mich nicht gereut, ihn zu später Stunde noch in den Player zu schieben. Klar, FUCKING BERLIN wird sich wohl kaum ernsthaft mit den großen Huren-Filmklassikern von Bunuels BELLE DE JOUR bis Ken Russels DIE HURE messen wollen - wiewohl er diese Filme in Punkto Explizität um Längen schlägt.

Ja, FUCKING BERLIN ist eine erfreulich unverkrampfte Angelegenheit geworden: Es gibt viel nackte Haut und beherzten Körpereinsatz (nicht unmutig: Hauptdarstellerin Svenja Jung) zu bestaunen. Dazu kommt ein sehr entspanntes Drehbuch, das glücklicherweise keine Sekunde den moralischen Zeigefinger erhebt. So darf Sonia feiern, Drogen nehmen und sich der Promiskuität hingeben, ohne mit den schröcklichen Konsequenzen ihren sündhaften Tuns konfrontiert zu werden. Selbst als Sonia im Rahmen ihrer Berufsausübung denkbar weirde Fetische kennen lernt (ich sage nur: Meerschweinchen), wird der Tonfall nicht alarmistisch.

In seiner sympathischen Mischung aus Gelassenheit und Zeigefreudigkeit ähnelt FUCKING BERLIN übrigens dem wenig bekannten, aber lohnenden österreichischen Milieu-Drama TAG UND NACHT der späteren "Vorstadtweiber"-Regisseurin Sabine Derflinger.

Dem Buch wurde ja Prostitutions-Verharmlosung und Verstöße gegen das Diktat der "Victim Culture" vorgeworfen. Die Autorin kontert wie folgt: "Ich wollte zeigen, dass es auch andere Realitäten außer Zwangsprostituierten gibt. Aber das Bild vom armen, missbrauchten Mädchen ist in den Köpfen der Menschen zu verankert. Mir wurde zum Teil nicht geglaubt oder es kam der absurde Vorwurf, Werbung für Prostitution machen zu wollen. Dabei habe ich die Schattenseiten des Milieus nie verheimlicht."
(Quelle: Interview auf ntv.de).

Filmtechnisch gibt's wenig auszusetzen. FUCKING BERLIN mag die Aura einer Low Budget-Produktion nie ganz abschütteln können, Amateurfilm-Feeling kommt aber meines Erachtens nicht auf (dieser Vorwurf war anderwärtig zu lesen). Der Rhythmus passt, die Atmosphäre ist stimmig, die Bilder herzeigbar. Gegen den biederen Indie-Folk-Soundtrack hätte ich aber Einspruch erhoben. Mehr als einmal wird vom "richtigen Beat" geredet, während auf der Tonspur schlaffer Trauerweiden-Folkpop dahinplätschert. Oder ist das vielleicht der Clou, quasi der Soundtrack zur fröhlich-depressiven Großstadt-Tristesse?

Fucking Berlin Bild 1
Fucking Berlin Bild 2
Fucking Berlin Bild 3
Fucking Berlin Bild 4
Fucking Berlin Bild 5
FAZIT:

Mit den großen Hurenfilm-Klassikern wird sich FUCKING BERLIN - nach dem autobiographischen Roman von Sonia Rossi, die sich das studentische Partyleben als Sexarbeiterin finanziert hatte - wohl kaum messen wollen. Aber als kleiner, erfreulich unverkrampfter deutscher Film mit viel nackter Haut und beträchtlichem Körpereinsatz ist die Anschaffungs- oder Leihgebühr keineswegs fehlinvestiert.

Seit 6.10.2016 auf DVD/Blu-ray oder Stream.

WERTUNG: 7 von 10 Bleistift-Tests
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