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Ich bin ein entflohener Kettensträfling

Ich bin ein entflohener Kettensträfling

OT: Vivo per la tua morte
ITALOWESTERN: Italien, 1968
Regie: Camillo Bazzoni
Darsteller: Steve Reeves, Wayde Preston, Guido Lollobrigida, Nello Pazzafini

STORY:

Mike und Roy Sturges wird ein Überall auf eine Eisenbahn zur Last gelegt, den sie nicht begangen haben. Trotzdem werden sie zu einer Haftstrafe im härtesten Gefängnis des Westens verurteilt. Als Roy im Steinbruch zu Tode geschunden wird, entschließt sich Mike zur Flucht. Denn er weiß, wer sie damals verraten und unschuldig hinter Gitter gebracht hat. Und nun ist er fest entschlossen, diese Männer zur Rechenschaft zu ziehen ...

KRITIK:

"So let me show you aroundmaybe play you a sound - You look like you're both pretty groovy - Or if you want something visual,  that's not too abysmal We could take in an old Steve Reeves movie..."

Soweit eine schöne Strophe aus der ROCKY HORROR PICTURE SHOW. Und ja, warum zum Teufel nicht? Also rein mit dem alten Steve-Reeves-Film! ICH BIN EIN ENTFLOHENER KETTENSTRÄFLING, dem last but not least in seiner Filmografie.

Für seinen allerletzten Film hat der gebürtige Amerikaner und Muskelmann in Tausendundeins italienischen Sandalenfilmen doch tatsächlich den Lendenschurz gegen einen Revolvergürtel eingetauscht. Danach ist Reeves abgetreten; von der großen Bühne des europäischen Genrekinos. Mit einem kurzen, humorlosen Knall sozusagen. Wobei "kurz" wohl das falsche Wort ist. Verteilt über seine deutlich action-orientierten 86 Minuten knallt es beim KETTENSTRÄFLING nämlich ganz schön ausdauernd.

Von den ersten 20 Minuten gaukeln höchstens zwei etwas von der schönen heilen Cowboy-Welt unseres Hauptprotagonisten und Ranchbesitzers Mike Sturges vor. Diese zwei Minuten des fragilen Friedens beim sportlichem "Taking the bull by the horns" werden dann noch von einigen Scherzchen unterlegt, die allerdings nur für die in der Szene anwesenden Cowboys und nicht unbedingt für den Zuschauer tatsächlich amüsant sind. Doch völlig egal. Ab jetzt wurde genug gelacht beim KETTENSTRÄFLING. Was folgt ist nämlich ein anhaltendes Bleigewitter bei Pferdediebstählen und Goldtransportüberfällen. Danach bringt ein Akt schändlichen Verrates unseren Helden Mike und dessen kleinen, zartbesaiteten Bruder Roy unschuldig vor dem Richter.

Zweites und gemeinstes Filmdrittel: Steve Reeves, gefangenen in einem CIP-Flick. Cowboys in Prison. Yuma -Härtester Knast des Westens. Dort gibt es keine Duschzellen, höchstens Einzelzellen.

Was uns wiederum vor zwielichtigen Duschszenen bewahrt; allerdings die Kettensträflinge (und darunter befinden sich nun auch Mike nebst kleinem, sanftem Bruder) nicht vor den Beschimpfungen, Schlägen und Demütigungen des sadistischen Wachpersonals. Dieses wird befehligt von Kult-Verbrechervisage Nello Pazzafini, dessen Rollennamen "Bill Savage" durchaus Programm ist. Wenn es überhaupt einen Grund geben sollte, warum dieser Film in Deutschland jahrelang in trauter Eintracht mit Zombies und Kettensägenkillern auf dem Index darben musste, findet man ihn am ehesten in diesem Drittel des Films.

Dort rächt sich nun, dass der kleine Roy die Fitnessgeräte stets dem großen Bruder Steve Reeves überlassen hat. Er überlebt die Schinderei nicht. Auch wenn man es nie direkt aus Reeves' steinernen Steven-Seagal-Vorgriffsgesichtsausdruck herauslesen kann; er nimmt den Tod des kleinen Verwandten zweiten Grades seinen Peinigern und Verrätern wohl doch übel.

"Für Roy! Wenn ich hier rauskomme, dann gibt's ein Massensterben!"

Was Steve Reeves hier sinngemäß verspricht, hält er auch. Nach einer Gefängnisrevolte macht er dem deutschen Verleihtitel alle Ehre. Und nicht nur das: DER ENTFLOHENE KETTENSTRÄFLING landet erst bei zwei hinreißenden "Freudenmädchen" (Rosalba Neri und Silvana Bacchi) und dann wird abgerechnet. Also mit dem Abschaum natürlich, nicht mit den Freudenmädchen...

Der KETTENSTRÄFLING wurde von Camille, dem Bruder des unterschätzten Luigi (THE FIFTH CORD, SPUREN AUF DEM MOND) Bazzoni nach einer Idee von Steve Reeves himself inszeniert. Und die obigen Beschreibungen dürften euch schon klarmachen, dass der Film sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält, sondern in Sachen Action immer auf die Zwölf zielt. Was zur Folge hat, dass der Film recht rasant und vor allem in seinen ersten beiden Dritteln sehr kurzweilig ausgefallen ist. Ausgerechnet die finalen Abrechnungen (inklusive einer obligatorischen, aber hier durchaus entbehrlichen Saloon-Schlägerei) wirken dann doch etwas überstürzt über die Bühne gebracht und alles in allem nicht mehr so grob-geschmeidig wie die vorangegangenen Drittel.

Die Fotografie geht dabei allerdings völlig in Ordnung. Wobei alles andere auch eine unerwartete Überraschung gewesen wäre: Schließlich heißt der Kameramann Enzo Barboni. Selbst im "Desweiteren spielten..."-Feld finden sich einige bekannte Gesichter; etwa das des Ewig Bösen Mexikaners Aldo (NAVAJO JOE) Sambrell - diesmal allerdings in einer eher austauschbaren Schurken(neben-)rolle. Und auch die spätere Radley Metzger-Aktrice Silvana (THE LICKERISH QUARTETT) Venturelli ist zu sehen; hier allerdings noch nicht nackig.

ICH BIN EIN ENTFLOHENER KETTENSTRÄFLING ist ein solider, humorloser Vertreter seiner Zunft, der zwar in kaum einer Top 25 auftaucht, bei Genrefans dennoch recht beliebt ist.

Dabei steht und fällt die Show mit Steve Reeves. Sowohl buchstäblich als auch gleichzeitig. Einerseits erledigt Steve Reeves seinen Revolverheldenjob um Welten weniger charismatisch als dies Kollegen wie Nero, Milian, van Cleef oder gar Gemma tun; andererseits ist die ungewöhnliche Präsenz des altgedienten "Herkules" in einem Italowestern dann doch irgendwie kultig und auf nostalgische Weise angenehm.

Bedauerlicherweise ist Reeves nicht nur ein Fast-Namensvetter, sondern auch ein Mienenspielbruder von Steven Seagal. Auch Reeves' Mimik-Bandbreite reicht nur von stoisch bis hölzern. Dies verhindert leider, dass er auch nur den Hauch eines dramatischen Elements aus dem Drehbuch ins Publikum transportieren kann. Es hat fast schon absurde Züge, wie reglos Reeves im Knast den Tod des eigenen geliebten Bruders registriert. Er nimmt ihn praktisch zur Kenntnis.

Und so nimmt man auch als Zuschauer das Geschehen auf dem Bildschirm lediglich zur Kenntnis. Selbst in den grimmigsten und tragischsten Momenten leidet man nicht einmal im Ansatz mit.

Was der Kurzweil grundsätzlich keinen Abbruch tut. Denn Reeves' (ausgerechnet auf dem staubigen Feld des Italowesterns absolvierte) Abschiedsvorstellung ist alles andere als zäher Zeitvertreib. Die Schlagzahl ist hoch. Der Body Count auch. Und Savinas abseits des Main Theme düsterer Score, der ebenso gut in das Undead Nightmare-Add-on zum Konsolenspiel Red Dead Redemption gepasst hätte, gibt die unheilschwangere Musik dazu.

Alles ist eben wie Tim Curry es später in der ROCKY HORROR PICTURE SHOW so treffend besingen wird: "An old Steve Reeves movie. Nothing too abysmal..."

PS: Übrigens konnte der KETTENSTRÄFLING vor kurzem auch seiner bundesdeutschen Indizierung entfliehen; somit kann er nun auch hierzulande auf DVD abrechnen, ohne von den Scheren der Zensur behelligt zu werden! PPS: Mit dem etikettenschwindelnden Zusatz "Django" im Titel muss er allerdings leben...

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FAZIT:

Bekannt wurde der amerikanische Bodybuilder Steve Reeves vor allem wegens seiner zahlreichen Auftritte als Herkules in den italienischen Sandalenfilmen. Für seine cineastische Abschiedsvorstellung hat der alternde Herkules erstmals und einmalig den Lendenschurz gegen den Revolvergürtel ausgetauscht. Als ENTFLOHENER KETTENSTRÄFLING schlägt er sich wacker, aber mit hölzerner Miene durch einen action-orientierten Flick, der halb CIP (Cowboy in Prison), halb Rachewestern ist und ein beachtliches Tempo bei geringem emotionalem Tiefgang vorlegt. Somit ein würdiges last but not least in Reeves' Filmographie.

WERTUNG: 6 von 10 Massensterben
TEXT © Christian Ade
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