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Leben und Tod einer Pornobande

Leben und Tod einer Pornobande

OT: Zivot i smrt porno bande
DRAMA: SER, 2009
Regie: Mladen Djordjevic
Darsteller: Mihajlo Jovanovic, Ana Jovanovic, Predrag Damnjanovic

STORY:

Marko, Absolvent der Belgrader Filmakademie, muss erkennen, dass niemand in Serbien bereit ist, Geld in seine hochtrabenden Kunstfilm-Projekte zu investieren. Nach einem erfolglosen Zwischenspiel in der Werbe-Branche lernt Marko den schmierigen Pornoproduzenten Cane kennen, dem er viel Geld schuldig bleibt. Marko muss weg aus Belgrad. Mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe gesellschaftlicher Outcasts tingelt Marko durchs Land, um mit einem Live-Porno-Cabaret "die Serben sexuell zu erziehen." Dass das nicht gut gehen wird, verrät schon der Filmtitel.

KRITIK:

Aufmerksame Zeitungsleser werden es mitbekommen haben: Dieser Tage jährt sich der Zusammenbruch des Vielvölkerstaates Jugoslawien zum 20. Mal. Nach vier Kriegen mit weit über Hunderttausend Toten ist Serbien bis heute moralisch, politisch und wirtschaftlich zerrüttet. Die Verantwortlichen des Blutvergießens sind entweder tot oder sitzen im Den Haager Kriegsverbrecher-Gefängnis.

Vor diesem Hintergrund spielt LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE, der Debutfilm des jungen serbischen Regisseurs Mladen Djordjevic. Die Handlung setzt im Jahr 2000 ein, kurz nach dem Ende des Krieges. In Form eines Videotagebuches erklärt der junge Filmregisseur Marko, wie er ins Porno-Biz kam. Es ist eine Geschichte von geplatzten Künstler-Träumen und vom harten Aufprall auf dem Boden der serbischen Realität. Erzählt von einem jungen Mann, dessen dunkle Seiten und Abgründe sich Anfangs nur unvollständig erahnen lassen:

"Was Pornographie für mich bedeutet? Ich hab mich immer schon für Zerstörung interessiert. Zerstörung des Körpers und des Geistes. Unsere Pornographie ist rau und grausam, ohne Verniedlichungen. Ein Kampf zwischen Eros und Thanatos, bei dem Thanatos gewinnt. Thanatos macht aus Eros eine Lachnummer."

LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE ist kein einfacher Film. Während der andere große serbische Skandalfilm von westlichen Kritikern mehrheitlich als dumpfes Provokations-Machwerk abgetan wurde, ist der künstlerische Wert von LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE unbestritten. Nicht mal die FSK wagte es, dem Film die Scheren anzusetzen. Und das, obgleich Regisseur Djordjevic wirklich nichts auslässt: Echter Sex zwischen allen erdenklichen Geschlechtern, Vergewaltigungen, verstörend geschickt inszenierte Fake-Snuff-Szenen und explizite Gewalt.

Die Grenzen des filmisch Darstellbaren werden also ähnlich sorgfältig ausgelotet wie beim berüchtigten SERBIAN FILM.

Damit erschöpfen sich die Parallelen aber auch schon.

"Ich liebe den Balkan. Diese eindrucksvolle Mischung aus Grausamkeit und Kreativität."

Es ist kein Kunststück, LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE auf seinen politischen Subtext abzuklopfen: Der Film ist eine wütende Abrechnung mit der Ära Milosevic, dessen Kriegspolitik die Serben ins kollektive Unglück gestürzt und das gesellschaftliche Klima auf Generationen vergiftet hat.

"Das Provinzielle hat sich durchgesetzt", sagt Regisseur Djordjevic auch im Booklet-Interview. Vor den Neunziger Jahren sei es überhaupt kein Problem gewesen, Darsteller zu finden, die bereit waren, ihre nackten Körper vor der Kamera zu zeigen. Doch anno 2009 haben beim Casting 20-30 potentielle Darsteller abgesagt. Und die Kuss-Szene zwischen zwei Männern wäre beinahe unmöglich gewesen.

Die Tabubrüche der PORNOBANDE reihen sich in eine lange Tradition des jugoslawischen Kinos ein. Wer will, darf jetzt nach dem Begriff "Schwarze Welle des jugoslawischen Films" googlen und sich über Regisseure wie ŽElimir Iilnik oder Dusan Makavejev informieren. Von Letzterem hätten wir übrigens auch zwei Filmkritiken anzubieten, nämlich SWEET MOVIE und MANIFESTO.

Wenn wir gerade bei Querverweisen sind: In einer schönen Outdoor-Orgie lässt Lars von Triers IDIOTEN grüßen, die kalten und grausamen Pornodreh-Szenen kennt man in ähnlicher Form aus Lukas Moodyssons umstrittenen A HOLE IN MY HEART, die räudige Digicam-Ästhetik erinnert an Takashi Miikes VISITOR Q (den der Regisseur als Inspirationsquelle nennt), und der bunte Freak-Wanderzirkus mit künstlerischer Mission könnte auch John Waters' wunderbarem CECIL B. DEMENTED entsprungen sein. Mit dem Unterschied halt, dass hier niemand 'Zölibat für Zelluloid' deklamiert, sondern eher das Gegenteil davon ;-)

"Als ich anfing, diesen Film zu drehen, hatte ich keine Ahnung, wo ich enden würde."

Wir enden hier mit der Feststellung, dass LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE beeindruckend selbstsicher zwischen Kunst und Exploitation pendelt, seine Finger tief in die Wunden einer von Hoffnungslosigkeit und Demoralisierung geprägten Gesellschaft legt und Freunden des extremen Kinos dringend ans Herz gelegt werden muss.

Erschienen in einer aufwändigen 2-DVD-Edition samt Booklet und vielen Extras beim renommierten BILDSTÖRUNG-Label. Die Limited Edition enthält zusätzlich die Dokumentation MADE IN SERBIA, die sich der serbischen Porno-Subkultur widmet. Kaufen!

Leben und Tod einer Pornobande Bild 1
Leben und Tod einer Pornobande Bild 2
Leben und Tod einer Pornobande Bild 3
Leben und Tod einer Pornobande Bild 4
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Leben und Tod einer Pornobande Bild 9
FAZIT:

Another Serbian Film: Die neueste Veröffentlichung aus dem Hause Bildstörung kommt aus Serbien und trägt den schönen Titel LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE. Ein ebenso grausames und grenzüberschreitendes wie künstlerisch wertvolles Statement zum Zustand einer Gesellschaft, die nichts mehr zu verlieren hat.

WERTUNG: 8 von 10 Video-Beichten
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Dein Kommentar >>
uncut71 | 23.05.2013 22:12
same,same but different!
>> antworten
Federico | 29.06.2011 15:09
Harald, du schaust da auch immer die ganz argen Sachen an, hm?
Harald | 29.06.2011 17:00
Einer muss es ja tun.
Federico | 30.06.2011 11:35
Bildungsauftrag, ich weiß. Die Kritik gefällt übrigens, find ich sehr fein geschrieben.
>> antworten
Konservative Mistsau | 28.06.2011 17:52
Titten, die 2347te.
Harald | 28.06.2011 18:45
Frei nach Nine Inch Nails: Something you can never have? ;-)
Konservative Mistsau | 28.06.2011 22:18
Nee, eher nach Depeche Mode: Just Can't Get Enough.
Harald | 28.06.2011 22:39
DM haben eh auch sehr viele konservative Hörer.
Konservative Mistsau | 28.06.2011 22:44
Und die Hörer von Trent Reznor sind arme kleine Gestalten, die auch mal hart und böse sein wollen.
Harald | 29.06.2011 12:03
Wir müssen nur wollen.
Federico | 29.06.2011 15:08
We just fucking know, what we are.
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