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Leichen muss man feiern, wie sie fallen

Leichen muss man feiern, wie sie fallen

OT: Giallo Napoletano
GIALLO: ITALIEN, 1978
Regie: Sergio Corbucci
Darsteller: Marcello Mastroianni, Ornella Muti, Renato Pozzetto, Zeudi Araya

STORY:

LEICHEN MUSS MAN FEIERN, WIE SIE FALLEN hieß damals der deutsche Verleihtitel dieses Films und "Fallen" ist auch das Schlüsselwort. Denn hier fallen die Leute aus den Fenstern - oder besser werden gefallen… Unten steht dann meist der unvergessene Marcello Mastroianni mit Locken, Bärtchen und einer Mandoline in der Hand und fragt sich, warum er, der Straßenmusikant, in dieser schicksalhaften Nacht das Engagement angenommen hat, unter einem bestimmten Fenster ein bestimmtes Lied zu spielen; und noch mehr treibt ihn die Frage um, warum zum Teufel immer dann Leute in den Tod stürzen, wenn diese Melodie erklingt…

KRITIK:

Mit seinem ersten und einzigen Giallo hat Italowestern-Marshall Sergio (LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG) Corbucci einen äußerst eigenwilligen Genrebeitrag abgeliefert, der in der Historie des Giallo fast ein Unikum darstellt. In diesem naturgemäß ernsten Sujet hat sich bislang niemand so weit auf das Feld der Komödie hinausgewagt wie Corbucci mit seinem GIALLO NAPOLETANO, einem Hybriden aus Murder Mystery, Krimikomödie und Groteske.

Vor der Kamera hat sich ein eindrucksvolles Starensemble versammelt, welches von dem renommierten wie wandlungsfähigen Marcello Mastroianni angeführt wird. Hier war vor allem Mastroiannis komödiantisches Talent gefragt; und das hat er unter Beweis gestellt.

Genreerprobte Kräfte finden sich im Stab: Die stimmigen Aufnahmen in und um Neapel stammen von Luigi Kuveiller, Argentos Kameramann in DEEP RED, und die wunderbare, nicht mehr aus dem Ohr gehende Musik von Riz Ortolani, einem der bekanntesten Hofkomponisten des italienischen Giallo.

Mord- und Thrillerelemente sind im GIALLO NAPOLETANO hingegen nur dosiert eingesetzt. Am Anfang fallen zwei aus dem Fenster und gegen Schluss nochmal ein paar. Dazwischen steht die dezente meist von Gesten und Mienenspiel getragene Komik Mastroiannis. Und die atemberaubende Schönheit solcher Damen wie Ornella Muti und Zeudi Araya. Es gibt viele, viele skurrile Szenarien, die jetzt nicht zum Schreien komisch sind, aber doch irgendwie amüsant. Bis zur vertrackten Auflösung, die einer geheimnisvollen Kassette innewohnt, verliert der Plot mehr als einmal seinen roten Faden und sich selbst in der grandios eingefangenen Atmosphäre eines kuriosen, aber faszinierenden Neapel.

Trotzdem hat in meiner Endabrechnung der Unterhaltungswert gestimmt. Ich habe mich durchweg wohl gefühlt - in diesem von den beschwingten Klängen Ortolanis erfüllten Neapel, in Gesellschaft von zweier der schönsten Frauen, die das italienische Kino damals zu bieten hatte und auch dieser komische Mandolinenspieler wurde mir ein guter Freund.

Allerdings ist Corbuccis Mixtur gewagt, das Experiment umstritten. Ich kann nachvollziehen, wenn das Fandom nicht kollektiv in Begeisterung ausbricht, angesichts eines Giallo, der mehr den Clown als den Rasiermessermörder heraushängen lässt. Wobei fairerweise gesagt werden muss, dass GIALLO NAPOLETANO nie in albernen Klamauk abrutscht. Der Humor wird zwar nie verhehlt, aber im Großen und Ganzen ist er angenehm dezent eingesetzt. Ich habe den GIALLO NAPOLETANO als nette Abwechslung zu den Genreroutinen gesehen, würde ihn aber nur aufgeschlossenen Genrefans empfehlen. Makabere Randnotiz zum Schluss: Die französische Schauspielerin Capucine, die hier in einer Nebenrolle zu sehen ist, nahm sich zwölf Jahre nach LEICHEN MUSS MAN FEIERN, WIE SIE FALLEN das Leben, indem sie sich aus dem 8.Stock eines Wohnhauses stürzte…

Leichen muss man feiern, wie sie fallen Bild 1
Leichen muss man feiern, wie sie fallen Bild 2
Leichen muss man feiern, wie sie fallen Bild 3
Leichen muss man feiern, wie sie fallen Bild 4
Leichen muss man feiern, wie sie fallen Bild 5
FAZIT:

Corbuccis erster und einziger Giallo präsentiert sich als äußerst eigenwilliger und sicherlich auch gewöhnungsbedürftiger Genrebeitrag. Hier wird der italienische Thriller munter mit den Fächern Groteske und Komödie gekreuzt. Das Ergebnis ist nicht hoch spannend, aber unterhaltsam; nicht todwitzig, aber durchweg amüsant. Der Film lebt von der dezenten Komik seines Stars Marcello Mastroianni und der Schönheit seiner Traumfrauen Ornella Muti und Zeudi Araya. Und auch von Riz Ortolanis toller Filmmusik und Kuveillers stimmigen Aufnahmen von einem merkwürdigen, aber faszinierenden Neapel. Weil das Murder Mystery nicht erste Geige spielt, könnte die gewagte Mixtur Die hard-Giallologen sauer aufstoßen. In meinen Augen ist GIALLO NAPOLETANO trotzdem sehenswert, weil anders.

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TEXT © Christian Ade
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