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Leichenhaus der lebenden Toten

Leichenhaus der lebenden Toten

OT: Non si deve profanare il sonno dei morti
HORROR: I/E, 1974
Regie: Jorge Grau
Darsteller: Ray Lovelock, Cristina Galbó, Arthur Kennedy, Aldo Massasso, Jeannine Mestre

STORY:

Der sympathische Hippie George trifft bei einer Motorradfahrt durchs Land an einer Tankstelle auf die leicht reizbare Edna, die ihre Schwester in deren Landhaus besuchen möchte. Da Edna durch unkonzentriertes Rücksetzen an der Zapfsäule das Motorrad von George verkehrsuntauglich gemacht hat, nimmt sie den jungen Mann als Entschädigung mit. Als die beiden unterwegs Halt machen, um nach dem Weg zu fragen, erleben sie Wundersames: George trifft auf einen Bauern, der mithilfe einer neuartigen Maschine, die Hochfrequenz-Schallwellen ausstrahlt, Schädlingsbekämpfung betreibt. Die Strahlung soll auf das Zentralnervensystem der Insekten wirken, die nach der "Behandlung" dem Kannibalismus verfallen.

Edna wird beim Warten auf George im Auto von einem vor Nässe triefenden Landstreicher mit blassem Gesicht und roten Augen angegriffen und kann gerade noch entkommen. Als Edna und George endlich bei Ednas heroinsüchtiger Schwester und deren Mann, die mitten in der Einöde leben, ankommen, finden sie ein grausiges Szenario vor: Ednas Schwester befindet sich in einem hysterischen Schockzustand und ist unfähig, sich zu verbalisieren, Ednas Schwager wurde bestialisch ermordet. Die Polizei trifft nur wenig später am Ort des Geschehens ein. Der besserwisserische Inspektor hat sogleich den Verdacht, dass George der Täter und Edna wahrscheinlich seine Komplizin ist. Während George und Edna versuchen, ihre Unschuld zu beweisen, finden sie höchst Seltsames heraus: Der Landstreicher, von dem Edna attackiert wurde, soll eigentlich bereits vor einer Woche ertrunken sein, in einem Krankenhaus kämpfen Ärzte gegen aggressive und beißwütige Neugeborene, Leichen verschwinden aus ihren Gräbern ...

KRITIK:

Das "Leichenhaus der lebenden Toten" des spanischen Regisseurs Jorge Grau (welch klangvoller Name für einen Horrorfilm-Regisseur) aus dem Jahre 1974 ist zweifelsohne ein Zombie-Klassiker der obersten Liga. Während ich diese Zeilen schreibe, bereite ich mich innerlich schon auf Schimpftiraden und hochemotionale Diskussionen seitens der leicht zum Fanatismus tendierenden und bisweilen wenig kritikfähigen Romero/Savini-Fangemeinde vor, aber es muss einfach mal öffentlich festgehalten werden: Das Zombie-Makeup und die Effekte in "Leichenhaus der lebenden Toten" wirken durch die Ausarbeitung mit einer perfektionistisch anmutenden Liebe zum Detail bis heute unübertroffen authentisch.

Im Gegensatz zu den bläulich-grünlichen Zombie Exemplaren (vgl. Dawn of the Dead ua.) wurde bei der Gestaltung der Untoten Wert auf glaubwürdigen Leichen-Look gelegt. Natürlich war es für den italienischen Effekte-Künstler de Rossi einfacher, Details umzusetzen, da für den Film keine Zombie-Horden benötigt wurden. Aber es ist eindrucksvoll zu sehen, was Giannetto de Rossi im Jahr 1974 (!) zustande gebracht hat - und von Genrefilmen neuerer Generation (Stichwort CGI) beinahe 40 (!) Jahre später immer noch nicht einmal annähernd erreicht wird.

Der ansonsten sehr schnuckelige Ray Lovelock (bekannt aus Poliziottesci wie z.B. Der Berserker und anderen italienischen Genreproduktionen der 70er) spielt den bärtigen Hippie George, der nicht nur die Ursache der Zombie-Invasion herausfindet (kann man sich -abhängig von der gewählten Synchro- aussuchen, ob es ein neuartiges Insektengift, das nicht unweit des Leichenschauhauses getestet wird oder ein Gerät, das zur Bekämpfung von Ungeziefer radioaktive Strahlung in die Atmosphäre verteilt), sondern auch zum mutigen Kämpfer und Helden des Films wird.

Seine Hauptrollen-Partnerin Cristina Galbó (u.a. bekannt aus den Giallo-Meisterstücken Cosa avete fatto a Solange? und Das Versteck) glänzt zwar weniger durch Heldentum, aber spielt die vom Drehbuchautor der Frauenrolle zugeschriebenen hysterischen Anfälle glaubwürdig. Was wäre denn ein Horrorfilm ohne überforderte, schutzbedürftige, hysterisch kreischende Frauen? Aber das ist wieder ein anderes Thema ...

Über Arthur Kennedy wurde in Reviews zu "Leichenhaus der lebenden Toten" bereits viel philosophiert, zumal Jorge Grau im Interview erwähnt, dass der alternde Star unverkennbar charakterliche Parallelen zum verbitterten, radikalen und jähzornigen Kommissar aufzuweisen hatte. Neben den gruseligen Zombiedarstellern mit hohem Wiedererkennungswert sollte unbedingt Jeannine Mestre, die die heroinabhängige Schwester von Edna spielt, lobend erwähnt werden. Frau Mestre, die glatt als Cousine oder verloren gegangene Zwillingsschwester von Peter Bark aus Rückkehr der Zombies durchgeht (oder war es doch Peter Bark himself mit Perücke?), spielt ihre Rolle hingebungsvoll und wirkt in jeder Szene wie von Dämonen besessen, was dem Film neben den bissigen Säuglingen in der Kinderstation eine sympathische Trash-Note verleiht.

Leichenhaus der lebenden Toten Bild 1
Leichenhaus der lebenden Toten Bild 2
Leichenhaus der lebenden Toten Bild 3
Leichenhaus der lebenden Toten Bild 4
Leichenhaus der lebenden Toten Bild 5
Leichenhaus der lebenden Toten Bild 6
Leichenhaus der lebenden Toten Bild 7
FAZIT:

Alles in allem ist "Leichenhaus der lebenden Toten" ein von vielen verkanntes Meisterwerk auf dem Gebiet der Zombiefilme, der vor allem durch seine einzigartige, unverwechselbare Optik und Stimmung besticht: grüne Hügellandschaften Englands, ein antiker Friedhof, Nebel, Umweltthematik und Generationenkonflikt. Die von Romero-Fans und selbsternannten Zombiefilmkennern häufig als Erklärung bemühte und gerne interpretierte "Gesellschaftskritik" kann natürlich auch hier als Rechtfertigung für die Vorliebe für das Genre herangezogen werden. Obgleich etwas sparsam an Gore-Effekten, wurde der Film in Deutschland beschlagnahmt - glücklicherweise hat Blue Underground eine qualitativ gute und ungeschnittene 2-Disc-Special Edition und eine Blu Ray-Disc herausgebracht.

WERTUNG: 10 von 10 dubiosen Schädlingsbekämpfungsmaschinen
TEXT © Mauritia Mayer
Dein Kommentar >>
Chris | 09.10.2011 23:01
Sowohl als Zombie- als auch als Gruselfilm eine Granate mit
erlesen düsterer Atmosphäre und einem coolen Score! Und Gianetto
de Rossi stimmt sich hier schon ein bisschen auf die kommenden
Blut- und Madenorgien für den Maestro ein... Ja, diesen Film kann
man ohne Wenn und Aber in einem Atemzug mit den besten von
Fulci und Romero nennen.
Marcel | 09.10.2011 23:44
Tja, ich Banause konnte damit nichts anfangen. Der war mir damals einfach zu nihilistisch und zu düster. Vielleicht hatte ich damals aber auch den falschen Blick drauf, oder die Hochfrequenzen haben meine Sinne zerstört.
toxic | 10.10.2011 14:02
Ich auch Banause. Ich erinnere mich noch an ein charmant-trashiges Italovergnügen und selbstverständlich an die Effekte. Aber in meinen trüben Augen kein Meisterwerk. Aber ich ich esse auch lieber Kartoffeln statt Spaghetti ;-)
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