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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Mondo Candido

Mondo Candido

FANTASY/SATIRE: I, 1975
Regie: Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi
Darsteller: Christopher Brown, Michelle Miller, Jacques Herlin

STORY:

Der blondgelockte Jüngling Candide hat sich der bezaubernden jungfräulichen Schönheit Kunigunde cunnilingusmäßig etwas zu intensiv genähert und wird nun aus der besten aller möglichen Welten - einem gemütlichen Schloss, in dem Sinnesfreunden, kulinarische Genüsse und Geisteswissenschaften kultiviert wurden - verbannt. Kurze Zeit später wird das Schloss von motorradfahrenden Satansjüngern niedergebannt. Kunigunde soll überlebt haben. Als verliebter Suchender streift Candide fortan durch Zeit und Raum, über mittelalterliche Schlachtfelder und in die Fänge der Heiligen Inquisition, ins bürgerkriegserschütterte Irland und ins Manhattan der Siebziger. Wird Candide seine geliebte Kunigunde jemals wiedersehen?

KRITIK:

Immer dann, wenn man glaubt, eh schon alles gesehen zu haben, kommt plötzlich ein Film daher, bei dem man aus dem Staunen nicht mehr raus kommt, wo einem der Mund offensteht, und man am Ende die Freudentränen aus den Augen wischen muss.

Stellt Euch die Quersumme aus der poetischen Bildgewalt eines Federico Fellini, dem schwarzen Humor der Monty Pythons und den halluzinogenen filmischen Paralleluniversen eines Alejandro Jodorowsky vor.

Mondo Candido ist ein Fantasy-Film, ein blutiges Märchen (so der damalige deutsche Verleihtitel), ein desillusioniertes Statement zum Zustand der Welt und zu allererst ein Kind der wilden Siebziger, in der filmtechnisch alles, aber wirklich alles möglich schien.

In ihrem letzten gemeinsamen Film langten die Mondo Cane-Erfinder Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi richtig in die Vollen: 16 Wochen Drehzeit, Schauplätze rund um die Welt, größenwahnsinniger Ausstattungspomp und Statistenheere, wohin das Auge blickt. Der skandalisierte MONDO CANE und seine Nachfolge-Filme waren Kassenknüller; Geld stand offensichtlich in Hülle und Fülle zur Verfügung.

Das Ergebnis ist eines der seltenen Fälle, wo Arthouse und Exploitation zu einem schönen, runden Gesamtkunstwerk verschmelzen. Über all dem weht noch der Hauch des klassischen italienischen Genrekinos, so dass man sich fragt, warum Quentin Tarantino nicht schon längst ein Remake gedreht hat.

Ich will jetzt gar nicht in die Debatte einsteigen, ob den als Rassisten, Faschisten, Sexisten, Nihilisten und sonstigen '-isten' verteufelten Filmemachern am Ende unrecht getan wurde. Gualtiero Jacopetti hat diese Hundewelt am 17. August 2011 verlassen. Ob er in Wahrheit ein Moralist war, der die schlimmen Seiten des Menschseins abbildete, um uns die guten Seiten näherzuführen, wie es der Filmgelehrte Christian Keßler ausdrückte, kann nur er selbst wissen.

Sein letzter Film - und vor allem die Monty Pythons-artige Schlussszene mit der enttäuschenden Gott-Begegnung kann jedenfalls als humanistisches Statement verstanden werden, als klares Bekenntnis zum weltlichen Leben, als Aufforderung, das Leben zu leben, anstatt endlos nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Amen.

Das engagierte Mini-Label Camera Obscura hat sich erneut selbst übertroffen mit dieser auch qualitativ erstklassigen Veröffentlichung: Die Farben erstrahlen in sattestem Technicolor, das Bild ist gestochen scharf. Es gibt ein Booket und 200 Minuten Bonusmaterial, u.a. ein ausführliches Interview mit den Signori Jacopetti und Prosperi.

Mondo Candido Bild 1
Mondo Candido Bild 2
Mondo Candido Bild 3
Mondo Candido Bild 4
Mondo Candido Bild 5
Mondo Candido Bild 6
FAZIT:

Arthouse und Exploitation, Philosophie und blanker Blödsinn, Zynismus und Moral: Dieses filmische Wunderwerk der umstrittenen Mondo Cane-Macher führt mit Leichtigkeit zusammen, was nicht zusammen gehört. Ein Kind der wilden Siebziger, maßlos, delirisch, bunt, bizarr, blutig und schlicht großartig. Wer seinem Cineastenherz eine Freude machen möchte, bestellt noch heute.
Bei Amazon gibt's den Film leider nicht, wohl aber bei den üblichen verdächtigten Ösi-Mailorders (z.B.dtm.at oder beyond-media.at)

WERTUNG: 8 von 10 Muttermale in Rosenform.
Dein Kommentar >>
a bloodred bird | 09.09.2011 14:25
wow! hab schon immer davon geträumt, dass es einen film
basierend auf voltairs grossartigen "candid" geben sollte - und
dann noch dazu von Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi... die
ja immer schon für - ähem - geschmackssichere und politsch
korrekte filmerei gestanden sind... MUSS ICH HABEN!!!!
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