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Nightmare Alley

Nightmare Alley

DRAMA: USA, 2021
Regie: Guillermo del Toro
Darsteller: Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Willem Dafoe, Richard Jenkins, Rooney Mara, Mary Steenburgen, David Strathairn

STORY:

Irgendwo in den Südstaaten, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs: Der arbeitslose Stanton Carlisle (Bradley Cooper) heuert auf einem Jahrmarkt an und gewinnt das Vertrauen der dortigen Artisten, Freaks und Geeks. Stanton lernt schnell: Wie man "Gedanken liest" und dem Publikum mit einer ungesunden Portion Skrupellosigkeit das Geld aus der Tasche zieht. Ein paar Jahre später ist Stanton ein reicher Mann, der die New Yorker Upperclass mit vermeintlichen "Jenseitskontakten" betrügt. Doch das Spiel wird immer gefährlicher, und das Unheil nimmt seinen Lauf ...

KRITIK:

Wir erfahren nicht viel über Stanton Carlisle: Sein Haus ist in Flammen aufgegangen, und seine Habseligkeiten passen in einen kleinen Koffer. Mittellos und hungrig heuert er auf einem Jahrmarkt an. Die Arbeit ist hart, doch ein paar Dollar sind schnell verdient. Die Hellseherin Zeena (Toni Collette) erkennt das Potential des jungen Mannes: Mit seinem guten Aussehen, seinem Charme und seiner Wortgewandtheit wird er ihr Assistent, der dem Publikum die Dollars aus der Tasche zieht. Er lernt die geheimen Kommunikationscodes, mit der die "Hellseher" das Publikum manipulieren. Und er lernt sie gut.

Wie nicht anders zu erwarten, führt uns der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro mit atemberaubenden Bildern in die schummrige und raue Welt einer Freakshow ein. Menschliche Wärme und komplette zynische Menschenverachtung führen eine bizarre Ko-Existenz. Während die Artisten durchaus liebevoll miteinander umgehen, wird ein Geek in einem Käfig gehalten, geschlagen und mit Drogen gefügig gemacht.

Stanton will sein Talent nicht auf einem grindigen Jahrmarkt verschwenden, wo die größte "Attraktion" erwähnter Geek ist, ein opiumsüchtiger Obdachloser, der sich in einem Sandloch wälzt und lebenden Hühnern den Kopf abbeißt.

Mit der Artistin Molly (Rooney Mara), die seine Partnerin wird, verlässt Stanton den Zirkus. Er avanciert zum Star-"Mentalisten" der New Yorker Upperclass. Alles läuft gut, bis er auf die Psychologin Dr. Lillith Ritter (Cate Blanchett) trifft, eine blonde Femme Fatale, wie sie im Film Noir-Buch steht. Sie hat ihre eigenen Pläne mit dem "Hellseher". Und es wird nicht gut ausgehen für Mr. Carlisle, so viel darf verraten werden.

140 Minuten dauert dieser Film, und er bleibt ständig auf dem Boden der Tatsachen. Ja, das ist ein Novum im Werk von Guillermo del Toro: Übersinnliche Erscheinungen, Fabelwesen, Fantasy-Figuren, all das, wofür der Regisseur früher gefeiert wurde, sucht man hier vergebens. Monster gibt es dennoch. Aber es sind Menschen, die zum Monster werden. Thematisch dreht sich alles um Manipulation durch Psycho-Tricks und vermeintliche übersinnliche Fähigkeiten, mit denen ein Publikum betrogen wird, das an ein Leben im Jenseits glaubt und Trost im Irrationalen sucht.

Ich weiß nicht, wie die alten Fans des Regisseurs diesen Film aufnehmen, und ich traue mich gar nicht erst, die einschlägigen Rating-Seiten aufzurufen. 

Dass ein Film über einen skrupellosen Eso-Scharlatan gerade jetzt in die Kinos kommt, in einer Zeit, in der eiskalte Betrüger Fake-News über Impfungen verbreiten und Millionensummen mit esoterischem Geschwurbel verdienen, ist natürlich eine besondere Pointe.

Realistisch im filmischen Sinne ist NIGHTMARE ALLEY dennoch nicht: Die Ausstattungsorgie, die hier betrieben wurde, ist atemberaubend, fast schon wieder surreal in ihrem Pomp, die Besetzung bis in die kleinste Nebenrolle top. NIGHTMARE ALLEY ist ein Remake des gleichnamigen Film Noir-Klassikers von 1947. Film Noirs leben ja von ihrem Pessimismus, ihrer düsteren Grundstimmung, ihrer speziellen, oft geisterhaften Atmosphäre. Die wiederum bestens zum Werk von Guillermo del Toro passt.

Nightmare Alley Bild 1
Nightmare Alley Bild 2
Nightmare Alley Bild 3
Nightmare Alley Bild 4
Nightmare Alley Bild 5
FAZIT:

Von der Freakshow in die New Yorker Upperclass und wieder zurück: In wie gewohnt atemberaubenden Bildern und unterstützt von großartigen Schauspielern erzählt Guillermo del Toro vom Aufstieg und Fall eines Pseudo-Hellsehers. Wer will, kann den Film als Kommentar zum unserer von Fake-News, Esoterik-Betrügern und Impfgegnern vergifteten Gegenwart sehen. Filmisch ist er top, wie alles von diesem Regisseur.

WERTUNG: 8 von 10 Lügendetektoren
Dein Kommentar >>
Bradley | 27.01.2022 14:27
Ich fand den Film extrem vorhersehbar und zu lang. Man hätte locker 30 Minuten da raus schneiden können. Der große Cast der ersten Hälfte hätte schlauer eingesetzt werden sollen. Für mich verschwendet. Klar am Ende wird's spannend und cool, aber es ist ein seeeeeehr langer weg bis dahin. Und das alles auch predictable. Sieht alles toll aus und Production Design und Kostüm und so sind Oscar reif. Der Rest eher nicht.
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catrin pichler | 25.01.2022 11:54
?Dass ein Film über einen skrupellosen Eso-Scharlatan gerade jetzt in die Kinos kommt, in einer Zeit, in der eiskalte Betrüger Fake-News über Impfungen verbreiten und Millionensummen mit esoterischem Geschwurbel verdienen, ist natürlich eine besondere Pointe?.
Die Millionen werden wohl woanders verdient. Auf solche Bemerkungen kann ich in einer Filmkritik verzichten.??
Harald | 25.01.2022 18:35
Und ich kann auf solche Kommentare verzichten. Bye, ein schönes Leben noch.
fubu | 26.01.2022 08:32
and 12 points from switzerland to austria!!!
Superboingo | 06.02.2022 13:21
Nein, eine solche Anmerkung (nämlich über den Gegenwartsbezug) gehört genau in die Filmkritik!
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