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Noroi: The Curse

Noroi: The Curse

OT: Noroi
HORROR: Japan, 2005
Regie: Koji Shiraishi
Darsteller: Jin Muraki, Marika Matsumoto, Satoru Jitsunashi, Tomono Kugi

STORY:

Ein Sachbuchautor spürt zusammen mit seinem Kameramann übernatürlichen Phänomenen nach. Während seiner Reportage stößt er auf diverse unheimliche Ereignisse, einer Menge seltsamer Personen und einen alten Schamanenfluch aus einem durch eine Flutkatastrophe ausgelöschten Dorf. Die Reporter ahnen nicht, dass sie mit ihren Nachforschungen dämonische Mächte herausfordern...

KRITIK:

Das neue Jahrtausend in meinem (unserem?) Lieblingsgenre stand zunächst ganz im Zeichen des asiatischen Schauerfilms. RINGU und JU-ON haben uns das Fürchten gelehrt und eine ganze Legion an Geistermädchen aus Japan, Thailand oder Südkorea in unsere Breitengrade marschieren -oder besser- mit verrenkten Gliedern kriechen lassen. Solange bis wir am Ende etwas übersättigt waren; von gespenstischen Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und den oftmals so ähnlichen Motiven und Vorgehensweisen. Auch wenn sie uns unbestritten einige unverzichtbare und vor allem gänsehautfördernde Filmmomente beschert hatten.

Mitte der Nullerjahre verebbte die Erfolgswelle. 2005 (zwei Jahre vor der ersten PARANORMAL ACTIVITY) im Rahmen des Schwanengesangs von Takashige Ichise produzierten J-Horror-Theaters entstanden, orientierte sich Koji Shiraishis NOROI weniger an den landsmännischen, großen Vorbildern, sondern viel mehr am BLAIR WITCH PROJECT. Und setzt damit voll auf einen gefakten Dokumentarstil und das mittlerweile ebenfalls im Totlaufen begriffene Found Footage-Prinzip. Schon der Off-Sprecher zu Beginn des Films, mit seinem unheilschwangeren "Dieser Film ist versiegelt worden und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt!"-Statement lässt keinen Zweifel daran, welches Stilmittel in den kommenden knapp zwei Stunden exzessiv eingesetzt werden wird.

Wie schon in der Inhaltsangabe erwähnt, folgen wir dem Sachbuchautor Masafumi Kobayashi und seinem Kameramann beim Aufspüren von übersinnlichen Phänomenen. Was uns zunächst von Talkshows zu "Tatortbesichtigungen" führt und selbstverständlich unzählige Hausbesuche mit Befragungen von Experten, Zeugen, Verrückten und Psi-begabten Menschen mit sich bringt. Dann und wann erhascht unsere emsige Handkamera selbst unerklärliche Geräusche oder geisterhafte Schemen. Oder man stößt auf Filmmaterial mit ebensolchen.

Anfangs wirkt NOROI etwas überladen. Und fast so verwirrt wie jener Protagonist, der sich selbst mit Alufolie aus Schutz vor "spirituellen Würmern" ausstaffiert. Die verschiedenen unheimlichen Begebenheiten scheinen zunächst nicht miteinander in Verbindung zu stehen; man fühlt sich etwas erschlagen von den Geisterstimmen, den Trancezuständen, den verschwundenen Kindern, toten Tauben und geraubten Föten. Ja, und später auch von den Klopfgeistern, schamanistischen Ritualen und einer seltsamen Selbstmordserie. Der Stoff, den Herr Masafumi während seiner paranormalen Ermittlungen zusammenträgt, scheint für fünf J-Horror-Vorstellungen zu reichen.

Doch dann laufen die Fäden überraschend schlüssig und geschmeidig in einem einst im Stausee versunkenen Dorf zusammen. Und bereitet die Bühne für ein alptraumhaftes und furioses Finale, das sich gewaschen hat. Im Gegensatz zum BLAIR WITCH PROJECT, das außer nächtlichem Waldspaziergang und Erklärungsnot im Rahmen einer wenig phantasievollen und abgeschmackten Fluchgeschichte lediglich seine damals frische Erzählperspektive aufbieten kann, fügt sich in NOROI das anfangs völlig konfuse und skurrile Puzzlespiel am Ende doch zu einem recht komplexen wie beunruhigenden Gesamtbild zusammen. Somit geht dieser Film im Vergleich zum Trendsetter in vielen Disziplinen als klarer Punktsieger hervor.

Allerdings ist Geduld vonnöten. Und etwas Nachsicht. Geduld, weil sich NOROI eine lange (aber nie uninteressante) Anlaufzeit gönnt. Nachsicht, weil der Doku-Stil anfangs fast schon too much wirkt. Dennoch zieht einem der raffiniert fragmentarische Verlauf der Geschichte mit und immer tiefer hinein in einen Strudel gespenstischer Ereignisse, die gegen Ende immer garstiger werden.

In den letzten zwanzig Minuten erklärt Regisseur Shiraishi (der übrigens auch den oft gescholtenen, aber gar nicht mal so schlechten CARVED:THE SLIT MOUTH WOMAN und später noch den extrem gewalttätigen wie umstrittenen Folterfilmexzess GROTESQUE inszeniert hat) sein Publikum endlich für sturmreif und packt die Keule mit den Alptraumszenen aus, nachdem er zuvor lange Zeit subtil agieren ließ.

Noroi: The Curse Bild 1
Noroi: The Curse Bild 2
Noroi: The Curse Bild 3
Noroi: The Curse Bild 4
Noroi: The Curse Bild 5
FAZIT:

(Fake-) Horrordocumentary auf asiatisch. Das eindeutig gelungenere und unheimlichere BLAIR WITCH PROJECT.

 

WERTUNG: 8 von 10 verwaisten Hundehütten
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
Tim | 13.10.2013 11:15
Echt guter Horror der fast ohne Schockmomente auskommt, aber dafür eine äußerst bedrohliche Atmosphäre aufbaut. Allerdings sind die vier unteren Bilder keine Filmszenen, die sind wohl irgendwo anders her.
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Andreas | 12.10.2013 17:17
Super, sehr treffende Kritik! Wie Du schreibst: Der
Film ist lang, aber niemals langweilig!
7 von 10 Staudämme
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