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Nosferatu in Venedig

Nosferatu in Venedig

OT: Nosferatu a Venezia
HORROR: Italien, 1986
Regie: Augusto Caminito, M. Caiano, L. Cozzi, K. Kinski, M. Lucidi
Darsteller: Klaus Kinski, Barbara de Rossi, Christopher Plummer, Yorgo Voyagis

STORY:

Zu Zeiten des Karnevals kehrt der Vampir Nosferatu nach Venedig zurück, um sich am Blute der schönen Frauen der Fluch beladenen, adeligen Familie Canins zu laben. Weder der auf dem Gebiet des Okkulten bewanderte Professor Catalano noch die Geistlichkeit und auch nicht der verliebte Doktor Barneval scheinen den Untoten aufhalten zu können...

KRITIK:

Willkommen zurück in Venedig, meine Freunde! Im Morgengrauen. Bei Nebel. In der Dämmerung. In tiefster Nacht, wenn die Straßenlaternen nur wenig Licht in die stygische Finsternis bringen und Vampire ihre Schatten auf das marode Mauerwerk werfen.

Alle Jahrhunderte wieder verlässt der ruhelose Nosferatu sein Grab und kehrt in die Lagunenstadt zurück, um die adelige Familie derer von Canins heimzusuchen. Er labt sich am Blute schöner Frauen. Er lässt die Kruzifixe in den Händen seiner Feinde schmelzen. Er durchstreift die Nacht wie ein Raubtier. Und doch ist er nur auf der Suche nach Vergänglichkeit und der einen ewigen Liebe...

NOSFERATU A VENEZIA (aka NOSFERATU IN VENEDIG) ist nur scheinbar das von Werner Herzog gewiß nicht autorisierte Sequel zu dessen NOSFERATU - PHANTOM DER NACHT, dem 80er-Jahre- Remake des Murnau'schen Stummfilmklassiker aus den frühen Zwanzigern. Tatsächlich ist dieser im Spätherbst des italienischen Horrorkinos entstandene Film ein eigenständiges Werk, das neben den Grundmotiven nur den Titel und den Hauptdarsteller mit Herzogs Variation der SYMPHONIE DES GRAUENS teilt.

Anders wie bei Herzog ist Kinski diesmal nicht das leichenblasse, spitzohrige, nagezahnbewehrte Abziehbild des originären - natürlich vom schaurigen Max Schreck verkörperten - Nosferatu, sondern viel mehr Kinski als Schreck. Der Schädel ist nicht mehr kahl, sondern von einer graublonden Mähne bedeckt; die Finger sind keine spindeldürren Krallen mehr, sondern nach üppigen Frauenbrüsten gierende Hände. Doch die Loslösung ist nicht nur von äußerlicher Natur; auch in seinem Spiel orientiert sich Kinski nicht mehr an Schreck (so wie es bei seiner ersten Vorstellung als Nosferatu noch erforderlich gewesen war), sondern viel mehr an seiner selbst. Eindringlich und beunruhigend als triebgesteuerter, mal rasender, mal versuchender Vampir. In dieser teuflischen, aber auch irgendwie tragischen Rolle des insgeheim nach Erlösung strebenden Vampirs offenbar mehr zur Vermittlung tieferer Gefühle befähigt als im wahren Leben...

NOSFERATU A VENEZIA ist längst nicht mehr derart dem Arthaus verpflichtet wie es NOSFERATU - PHANTOM DER NACHT gewesen war. Aber er ist auch weit davon entfernt, jene typische Genrekost zu sein, die man von einem italienischen Horrorfilm Mitte der Achtziger erwarten würde. Da ist zwar viel Nudity; es fließt auch Blut (und gar zwei, drei derbere Szenen grüßen das Zuschauerauge) - und doch ist NOSFERATU A VENEZIA vor allem eine (etwas atypische) Übung im morbiden Schauder.

Auf den ersten Blick ganz und gar nicht perfekt; auch nicht wirklich spannend im üblichen Sinne - und trotzdem geht von NOSFERATU A VENEZIA eine gewisse düstere Faszination aus. Die mich veranlasst hat, den Film gleich zweimal (!) hintereinander zu schauen.

Was mich selbst verwundert, denn NOSFERATU A VENEZIA wirkt alles andere wie aus einem Guß. Was wiederum nicht verwundert: Schließlich verschließ die Produktion gleich drei Regisseure, die nach wenigen Drehtagen das Weite suchten oder suchen mussten. Darunter solch illustre Namen wie Mario (NIGHTMARE CASTLE, WITHOUT TRACE) Caiano und Maurizio (DER TODESENGEL) Lucidi. Der Sage nach beteiligten sich desweiteren neben dem unerfahrenen Produzenten Augusto Caminito und dem umtriebigen Luigi Cozzi gar Klaus Kinski selbst an der "Reise nach Jerusalem" um den Regiestuhl.

Das erklärt wohl, warum die Handlung etwas wirr wirkt. Der Schnitt bisweilen holprig. Oder warum manche Szene nicht wirklich mit der vorangegangenen harmoniert. Nicht oft, aber manchmal hat das etwas vom chaotischen Geist von Kinskis unglaublich ex(ego)zentrischen PAGANINI. Einige Sequenzen scheinen nach dem First Take-Prinzip entstanden zu sein; andere wiederum wirken merkwürdig unpassend. Wie etwa jene Minute, in der man Kinski durch eine Reihe von Hundezwingern gehen und wie ein Tobsüchtiger gegen die Gitter treten sieht, bis sich die eingepferchten Tiere in einer ähnliche Raserei wie er selbst befinden. Tatsächlich steht in den Produktionsnotizen geschrieben, dass es sich hierbei um einen von Kinskis berüchtigten cholerischen Anfällen handelt - welcher freilich im Drehbuch nicht vorgesehen war...

Dennoch (oder gerade deswegen) ist NOSFERATU A VENEZIA ein ungewöhnlicher, höchst stimmungsvoller Vampirfilm geworden.

Weil da nicht nur das Stückwerk ist. Sondern vor allem eine lebendige, morbide Poesie. Und Melancholie. Begehrenswerte Frauen. Die brennende Leidenschaft, das sprudelnde Blut. Luigi Ceccarelli, der es im Zusammenspiel mit Vangelis wie dereinst die New Age-Krautrocker von Popol Vuh meisterhaft versteht, Nosferatu in Noten zu kleiden. Diesmal weniger sphärisch, dafür wuchtig orchestral. Last but not least ist da natürlich Venedig. In seiner immer währenden Düsternis.

Nosferatu in Venedig Bild 1
Nosferatu in Venedig Bild 2
Nosferatu in Venedig Bild 3
Nosferatu in Venedig Bild 4
Nosferatu in Venedig Bild 5
FAZIT:

Klaus Kinski schlüpft ein zweites Mal in die fahle Haut des klassischen Vampirs Nosferatu, interpretiert diese Rolle diesmal nicht nach Schreck-Manier, sondern nach Kinski-Art und sucht die schönen Frauen des düsteren Venedigs heim... - Drei Regisseure hat das italienische Quasi-Sequel zur Herzog-Variante der Murnau'schen SYMPHONIE DES GRAUENS verschlissen. Mindestens drei weitere Männer haben auf dem Regiestuhl Platz genommen. Und in dem eigentlich ganz und gar nicht perfekten, bisweilen gar etwas holprigen Stückwerk wabert trotzdem überraschend prächtig die morbide Poesie, rauscht das Jungfrauenblut, klagt leise die Melancholie, ertönt Vangelis und bebt der üppige Busen von Anne Knecht. Alldies, während der grausame wie tragische Vampir auf der Suche nach Erlösung durch die verwinkelten, dunklen Gassen Venedigs streift. Das ist nicht Twilight, sondern Midnight!

WERTUNG: 8 von 10 geschassten Regisseuren
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
an | 01.11.2013 21:40
Im Augenblick höchster Lust wird er sterben :D
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Mauritia M. | 14.10.2013 18:51
Von dem hab ich ja noch gar nie gehört. Sieht schon recht trashig aus. Und Kinderschänder Klaus wirkt mit diesen komischen Mausezähnen nicht gerade furchterregend... Aber die Venedig-Bilder machen das vielleicht wieder wett. Hast mich jedenfalls neugierig gemacht :) Danke für's Review.
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