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Sehnsüchtig

Sehnsüchtig

OT: Wicker Park
DRAMA: USA, 2004
Regie: Paul McGuigan
Darsteller: Josh Hartnett, Rose Byrne, Diane Kruger

STORY:

Matthew, dessen Leben durch seine anstehende Verlobung mit einer arrivierten Businessfrau und seine hochdotierte Tätigkeit in der Werbeagentur ihres Bruders ganz schön ernst zu werden verspricht, glaubt während eines Restaurantbesuches seine große Liebe Lisa zu erkennen, die ihn vor zwei Jahren ohne jede Erklärung verlassen und sich praktisch in Luft aufgelöst hat. Und obwohl er am selben Abend zur alles entscheidenden Geschäftsreise nach China aufbrechen soll, bleibt er heimlich in der Stadt und macht sich besessen auf die Suche nach ihr.

KRITIK:


Warum man diesen Film als Thriller bewirbt, wird mir ewig ein Rätsel bleiben, denn er ist - im besten aristotelischen Sinn - ein klassisches Drama und als solches perfekt inszeniert. Der Protagonist Matthew und sein bester Freund, der zu einem sehr schicksalhaften Zeitpunkt wieder in sein Leben tritt; auf der anderen Seite die verschwundene Lisa und die geheimnisvolle Alex, die, man ahnt es bald, der Schlüssel für die Auflösung ist: das ist Shakespeare (dem in der Mitte des Films nicht umsonst eine entscheidende Sequenz gewidmet wird) pur im modernen Gewand. Die raffinierte Geschichte, die nach und nach die Vergangenheit ihrer Figuren zu einem so überraschenden wie (emotional) spannenden Showdown und somit zu ihrem logischen Höhepunkt führt und sehr geschickt mit den Faktoren Ort und Zeit spielt, läßt nichts zu wünschen übrig und ermöglicht dem Publikum die gute alte Katharsis (die "Reinigung durch Jammern und Schaudern"), die Aristoteles in seiner Poetik als unverzichtbares Kernelement der Tragödie postuliert hat.

Sehr klassisch ist auch das fortwährende Spiel mit Symbolen - Schlüssel, die unvermutet auftauchen und wichtige Türen aufsperren, Spiegel, in denen der Protagonist immer nur sich selbst sieht und somit der Sicht auf das Wesentliche beraubt wird, die rote Rose als Symbol der Liebe, das Theater als Schauplatz des wirklichen Lebens und eine viel zu gute Schauspielerin, die ihr Leben besser im Griff zu haben glaubt, wenn sie es nach ihren Regeln spielt. Daß das Restaurant, einer der Ausgangs- und Schlußpunkte der Geschichte, ausgerechnet "Belucci's" heißt, ist wohl eine versteckte Hommage an die Schauspielerin Monica Bellucci, die im ursprünglichen Film "L' Apartment", der allerdings hierzulande nie in die Kinos kam, die Hauptrolle verkörperte.
Die optische Umsetzung des Plots, der von Liebe, Leid, Voyeurismus und Besessenheit, vielleicht modern ausgedrückt auch vom Stalking erzählt, ist durch intelligenten Schnitt und wunderschöne Bildkomposition ausgesprochen gelungen. Hauseingänge, Treppen und Türen sind als Hommage an Großmeister Hitchcock zu verstehen, das intensive Spiel von Rose Byrne erinnerte mich zum Teil an "Weiblich, ledig, jung sucht".

Trotz dieser qualitativ hochwertigen Zutaten schafft der Film es aber nicht ganz, den Zuschauer wirklich in die Geschichte hineinzuziehen, weil leider was anderes drin ist, als draufsteht: Wer sich, wie die Filminfo suggeriert, einen beklemmenden Thriller erwartet, ist in "Sehnsüchtig" nicht gut aufgehoben.

FAZIT:

Man kann diesen Film all jenen uneingeschränkt empfehlen, die bereit sind, ihren Zynismus an der Kinokassa abzugeben und sich voll und ganz in die STORY fallenzulassen. Auch Studierende der Theaterwissenschaften und Leute, die sich ein wenig näher mit dem klassischen Hollywoodkino beschäftigen, werden ihre helle Freude daran haben. Für alle anderen wird "Sehnsüchtig" wahrscheinlich "nur" eine bis zum Schluß spannende Liebesgeschichte bleiben - aber auch die kann reizvoll sein.

WERTUNG: 8/10
Gastreview von dieJulia
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