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Spuren auf dem Mond

Spuren auf dem Mond

OT: Le Orme / Footprints
GIALLO: ITALIEN, 1975
Regie: Luigi Bazzoni
Darsteller: Florinda Bolkan, Peter McEnery, Lila Kedrova, Klaus Kinski, Nicoletta Elmi

STORY:

Eine Frau wacht eines Morgens auf - ohne Erinnerung an ihre letzten drei Tage. Einziger Anhaltspunkt: Ein Hotel auf Garma. Entgegen ihrer Überzeugung, die Insel noch nie besucht zu haben, reist die Frau dorthin und scheint dort wohlbekannt zu sein. Während sie weiter versucht Licht ins Dunkel ihres Bewusstseins zu bringen, offenbaren sich immer tiefere Seelenabgründe…

KRITIK:

Luigi Bazzoni zeigte sich in seiner kurzen Karriere für zwei Gialli verantwortlich. Als da wären der konventionelle, aber optisch beeindruckende THE FIFTH CORD (aka EIN SCHWARZER TAG FÜR DEN WIDDER) und sein Schwanengesang, der auch unter den Titeln SPUREN AUF DEM MOND oder FOOTPRINTS bekannte LE ORME.

Letzterer ist ein absolut ungewöhnlicher, im positiven Sinne seltsamer Genrebeitrag, der mit dem wiederkehrenden Traum seiner psychisch kriselnden Protagonistin beginnt. Ein dreiminütiger, bildgewaltiger Videoclip. Psychedelische Momente auf dem Mond - begleitet von Nicola Piovanis schlichtweg atemberaubender Musik. Drei von vier Faktoren, die die sogartige Faszination von SPUREN AUF DEM MOND ausmachen, trumpfen also schon mit den Opening Titles auf. Das sind Bazzonis superbe Inszenierung, Storaros exquisite Cinematographie und Piovanis Score. Drei Gefährten, die uns durch den mysteriösen, unwirklichen Plot tragen und cineastische Ausrufezeichen im Minutentakt setzen. Abgesehen von dem Mikrophon, das in einer kurzen Einstellung über dem Hund "Fox" ins Bild hängt, ist dies audiovisueller Hochgenuss.

Das vierte As: die Hauptdarstellerin. Die begabte Florinda Bolkan war in jeder ihrer Rollen -sei es als feministische oder rächende Nonne in FLAVIA, bzw. LA SETTIMA DONNA, eine Bank, aber so gut wie in SPUREN AUF DEM MOND habe ich sie noch nicht gesehen. Sie brilliert quasi im Alleingang, denn das Skript konzentriert sich ausschließlich auf ihre Figur, ihre Seele, ihre Einsamkeit, ihre Verwirrung, ihren aufkeimenden Wahnsinn.

Das Zusammensetzen all dieser realen und psychologischen Mosaikstückchen geht langsam von statten, hat aber seinen Reiz; zumal es letztendlich ein interpretationsoffenes Bild ergibt. Eindeutig ist das Ende nicht, aber in seinem unwirklichen Glanz ist es dennoch schwer beeindruckend. Der englische Titel FOOTPRINTS drückt die Quintessenz dieser letzten, atemberaubenden Szene punktgenau in einem Wort aus.

Doch die Geschichte, die der Film erzählt, wirkt nur als ganzes. Zur Einheit wird sie erst mit der genialen Endsequenz. Doch der Weg zu dieser kann bisweilen etwas anstrengend werden. Denn der Film dürfte das Grauen eines jeden filmischen Adrenalinjunkies sein. Es ist nämlich einer von der Sorte, der Action nicht nur kleinschreibt, sondern als Stilmittel gar nicht erst führt. Einer also, "wo nix abgeht".

Wobei die letzte Aussage so nicht ganz zutreffend ist. Auf einer subtilen Ebene geht in LE ORME nämlich ziemlich viel. Trotzdem könnte sich hier manch einer zu Tode langweilen, der mit ruhigen Inszenierungen und psychologisch komplexen Plots nichts anfangen kann. Der fehlende multiple Mord- und Totschlag ist aber verschmerzbar; wegen der exzellenten Kameraarbeit und Szenengestaltung, wegen den Farb- und Perspektivenspielen, wegen Florinda Bolkan und vor allem wegen der träumerisch-erhabenen Filmmusik, die es vermag, einen wahlweise zum Mond hinauf- oder in den seelischen Abgrund hinab schweben zu lassen. PS: In einer Minirolle darf der unvergessene Klaus Kinski etwas lauter werden und ein Wiedersehen gibt es mit dem Little Girl des italienischen Genrekinos der Siebziger, Nicoletta Elmi (u.a. FLESH FOR FRANKENSTEIN, THE CHILD).

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FAZIT:

Amnesiethriller. Metaphorischer Psycho-Giallo. Ungewöhnlich, langsam, aber exquisit auf audiovisueller Ebene. SPUREN AUF DEM MOND dient nicht mit schwarzen Handschuhen, aufgeschlitzten Kehlen und nackter Haut, aber dafür mit erhabenem Style, wunderschöner Filmmusik und einer glänzend aufgelegten Florinda Bolkan. Diese Rezension basiert auf der UK-DVD von Shameless. Eine anständige DVD-Veröffentlichung dieses Juwels hierzulande ist überfällig.

WERTUNG: 8 von 10 einsamen Minuten auf dem Mond
TEXT © Christian Ade
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Dein Kommentar >>
dok | 17.01.2017 16:58
Fragt sich nur, in welcher Sprache man den Film schauen soll. Der italienische und er englische Ton unterscheiden sich in gewissen Szenen doch ziemlich. Der englische passt scheinbar viel besser zu den Lippenbewegungen, im italienischen gibt es verschiedene Dialoge (aus dem off), die im englischen gar nicht vorkommen. Ich bin verwirrt ...
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Lesotho | 25.02.2011 12:26
"Footprints" hat eigentlich, so finde ich, nur wenig mit klassischen Giallos zu tun. Eher ist er ein Hybrid aus Arthouse (wie Letztes Jahr in Marienbad) und Thrillerelementen. Für mich ist es wie eine Reise in die abstrakte Welt einer Frau, die langsam den Kontakt zur Realität verliert. Es ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme, 10/10 sozusagen. Kann ich nur wärmstens empfehlen.
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