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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Stromboli

Stromboli

DRAMA: IT, USA, 1950
Regie: Roberto Rossellini
Darsteller: Ingrid Bergman, Mario Vitale, Renzo Cesana, Mario Sponzo

STORY:

Um schneller aus der Kriegsgefangenschaft entlassen zu werden, heiratet Karin (Ingrid Bergman) Antonio, einen einfachen Soldaten, den sie kaum kennt. Antonio führt seine frischgetraute Frau auf seine Heimatinsel Stromboli, in deren Mitte ein aktiver Vulkan brodelt. Doch nicht nur der bedrohliche Vulkan macht Weltfrau Karin zu schaffen, es sind vor allem die Enge und Kargheit der Insel, unter denen sie leidet. Für Karin zählt nur eines: Sie will weg von dieser Insel und der auf ihr herrschenden Armut. Antonio versucht in der Zwischenzeit mit allen Mitteln seiner Frau zu bieten, was ihr gebührt, während sich die Dorfgemeinschaft mehr und mehr von ihm distanziert. Doch auch das frischvermählte Paar findet nicht zueinander...

KRITIK:

Ob Ingrid Bergman, als sie Ende der 40er Jahre mit den Filmen des italienischen Neorealisten Rossellini in Berührung kam und dem Regisseur daraufhin ihre Mitarbeit in einem Film anbot, ahnen konnte, dass es nicht nur zu einem sondern gleich zu sieben Filmen kommen würde? Ob Rossellini ahnte welchen Medienrummel seine Zusammenarbeit mit dem Hollywoodstar Bergman (und vor allem seine Affäre mit diesem) nach sich ziehen würde?

Ihr seht schon, die Dinge die bei Stromboli hinter der Kamera passierten sind mindestens genauso spannend wie der Film selbst. In den Augen mancher, vielleicht sogar noch spannender, glaubt man zumindest den Analysen, nach denen Zeitschriften, die vor allem auf Klatsch und Tratsch setzen trotz Krise sogar mit Umsatzsteigerungen rechnen können. Während Medien die auf Hard-Facts setzen seit Jahren mit roten Zahlen zu kämpfen haben. Daher: Ingrid Bergman und Roberto Rosellini waren wohl so was wie Kristen Stewart und Rupert Sanders ihrer Zeit. Ach ne, das wird selbst mir zu dumm, Klickzahlen hin oder her.

Also lieber zurück zum Wesentlichen: In "Stromboli" erzählt Rossellini die Geschichte einer modernen Frau, die in eine archaische Welt zurückgeworfen wird. Sie, die es (vermutlich) gewohnt ist in Caféhäuser oder ins Theater zu gehen, findet sich plötzlich inmitten einer kargen Insel, deren Bewohner ein ebenso karges Leben führen, wieder.

Es ist ein Leben, in dem man noch der Natur trotzen und ihr mit aller Gewalt ihre Gaben zum Überleben entreißen muss. Am stärksten zeigt sich das in einer minutenlangen Mattanza (Traditonelle Thunfischjagd vor den Küsten Siziliens. Lässt sich mit "Abschlachten" übersetzen), die in all ihrer Brutalität (und Schönheit?) gezeigt wird, so dass nicht nur Karin, sondern auch der eine oder andere nicht an solche Dinge gewöhnte Zuseher erschrocken oder gar mit Entsetzten dem Spektakel beiwohnt.

Ein Kulturschock par Excellence also, der von Rossellini auf recht schmerzhafte Art und Weise inszeniert wurde. Kein Spiel mit den Klischees, wie man es vielleicht von anderen Filmen kennt und auch kein schön anzusehender Reifeprozess a la Snob-findet-auf-dem-Land-zurück-zur-Natur-und-zur-heilen-Welt, erwartet den Zuseher, nein Stromboli hat eher etwas von einem existenzialistischem Drama und zeigt zudem die Figuren in all ihrer Widersprüchlichkeit.

Außerdem zeigt Rossellini auch beide Seiten der Geschichte, es gibt also keine simple Gut-Böse Unterteilung, sondern nur Menschen die sich vielleicht sogar lieben, aber nicht zueinander finden können. Antonio wird als eine tragische Figur dargestellt, als ein Mann der seine Frau liebt und alles für sie tun würde aber gefangen zwischen Tradition und seinem Selbst, nie ganz zu seiner Frau finden kann.

Und erst Karin: Eine Frau gefangen in einer ihr fremden Welt, von den anderen verachtet, weil sie sich anders gibt und kleidet. Soll man ihr zurufen: Pass dich doch einfach an. Lerne Demut und werde glücklich! Darf man das überhaupt? Wenn man doch genau ahnt wie man selbst, wäre man in Karins Situation, reagieren würde.

Ein Leben als Aussteiger, quasi Back to the roots wäre doch für die wenigsten Mitglieder unserer technisierten Wohlstandsgesellschaft denkbar.

Stromboli ist ein schwieriger Film, weil er sich einem schwierigen Thema widmet ohne konkrete Antworten zu geben oder dem Zusehern einen Weg aus der Misere zu zeigen. Und auch weil richtige Sympathieträger fehlen. Der Schluss von Stromboli ist leider ein Kapitel für sich. Für meinen Geschmack war es zu melodramatisch (und auch zu religiös).

Aber auch die Kritiker konnten anfangs recht wenig mit Stromboli anfangen. Der Film wurde als zu zäh und zu melodramatisch gescholten. Im Laufe der Zeit wurden die Rezensionen aber zunehmend milder.

Stromboli erschien zusammen mit "Reise in Italien" und den Kriegsdramen "Paisà" und "Es war Nacht in Rom" bei Koch Media im Rahmen einer Rossellini-Edition.

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FAZIT:

Mit Stromboli schufen Rossellini und seine Hauptdarstellerin Ingrid Bergman ein existenzielles Drama, einen Film über die Schwierigkeiten zueinander zu finden, ein Melodram und einen Skandalfilm in einem. Wobei letzteres vor allem der Affäre zwischen den beiden geschuldet war. Stromboli macht es dem Zuseher nicht leicht, beginnt der Film doch als recht modernes Drama und wartet zugleich auch mit religiösen Motiven auf.

Dazwischen geht es noch um Tradition und Vergangenheit, verschiedene Lebenswesen, die Unfähigkeit zu kommunizieren und Beziehungen im Allgemeinen. Da der Film auf traditionelle Gut-Böse, Richtig oder Falsch Zeichnung verzichtet und man also Zuseher auch immer die Widersprüchlichkeiten der Figuren, ihre innere Zerrissenheit, vorgesetzt bekommt, ist eine objektive Interpretation natürlich schwierig. Jemand der vom Land kommt wird vielleicht einen anderen Zugang zu dem Film haben als jemand der nur die Stadt kennt. Ein religiöser Mensch einen anderen als ein Atheist. Ob man die Taten der Figuren verstehet, nachvollziehen kann, wie man sie interpretiert, auch das hängt vom Betrachter ab.

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TEXT © Gerti
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