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The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford

The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford

SPÄTWESTERN: USA, 2007
Regie: Andrew Dominik
Darsteller: Brad Pitt, Casey Affleck, Sam Rockwell, Sam Shepard

STORY:

Der Film beschreibt den langsamen Fall und die Ermordung des Jesse James durch einen Schwächling und Feigling. Eigentlich eine Überraschung bei dem Titel ;-)

KRITIK:

Es gibt Filme, die an einem vorüberziehen so als wäre nichts gewesen. Es gibt viele Graustufen dazwischen. Und es gibt Filme, die sieht man an und schließt sie von der ersten Sekunde an ins Herz. Dieser Film ist so ein Fall. Ich habe diesen Film ins Herz geschlossen und ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, ich habe mich in diesen Film wahnsinnig verliebt.

Und jetzt komme ich als der Versuch einer Kritik in arge Bedrängnis, denn ich frage mich ob ich trotz rasender Verzückung nicht nur einem Traumbild aufsitze, ob ich es aus irgend einem Grund nicht übertreibe. Ich sehe in diesem Moment ein, dass man sowieso nicht objektiv sein kann, auch wenn man das manchmal glaubt oder möchte.

Wenn ich einmal in meinem Leben die Chance hätte einen Film nach meinen Vorstellungen zu drehen, dann würde ich wollen, dass ein Film wie "The Assasination of Jesse James by the Coward Robert Ford" dabei herauskommt (oder wie "8 1/2 " von Federico Fellini, aber das ist eine andere Geschichte ;-).

Um zu beschreiben, wie ich diesen Film empfunden habe, möge man bitte meine Kritik zu "Lust, Caution" von Ang Lee lesen und sich dazu noch in ein spätsommerliches Weizenfeld wünschen, wo einem der warme Wind den Duft des ausklingenden Tages in die sonnenuntergangsüberflutenden Augen weht in dem Wissen um die Vergänglichkeit dieses Augenblicks.

Zugegeben, dieses Gefühl entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn der Western ist wie der Kriegs- oder der Gangsterfilm eines jener Genres, die mich kaum zu Begeisterungsstürmen hinreißen, weil ich sie schlicht und einfach als langweilig und dumm empfinde.

Aber dieser Film hebt sich aus den Prämissen seines Genres indem er es diskutiert und nachhaltig dekonstruiert. Der Mythos des Westernhelden wird in bester Tradition anderer deshalb sogenannter "Spätwestern" wie "Spiel mir das Lied von Tod" oder "Unforgiven" feinsäuberlich zerlegt und durch den extrapolierenden Effekt, den Filme im besten Fall haben sollten, verallgemeinert.

In langen, elegischen, vor psychologischer Spannung berstenden Szenen und Bildern erzählt er von einem Traum, der wie eine Seifenblase zerplatzt und letztlich alle Beteiligten in eine Tragödie stürzt. Das scheint auf den ersten Blick bei einer Laufzeit von 160 Minuten endlos zu dauern, aber jede Aufnahme ist notwendig, jedes perfekt komponierte Bild, jede Geste trägt zu der hypnotischen Spannung dieses Abgesangs bei.

"Wenn man aufmerksam beobachtet, dann gibt es keine Belanglosigkeiten" ließ Ang Lee seinen Hauptdarsteller Tony Leung in seinem Film "Lust, Caution" sagen. Ich kann das nur unterstreichen. Ich bin davon überzeugt, dass nur solche Filme einen Wert für uns haben, da nur solche Filme uns lehren zu beobachten, zu verstehen, zu hinterfragen, weil nur sie die quälende Langsamkeit und Leere des Lebens in all der unerträglich tragischen Schönheit auslegen können.

So sehe ich die Welt, aber so sehe eben ich sie und deshalb möchte ich als (Möchtegern) Kritiker einen Schritt zurücktreten und einfach noch einmal zugeben, dass es letztlich nur Geschmackssache ist, weil ich fast sicher bin, dass es genug Leute gibt, die sich zu Tode langweilen werden. Aber mit diesem Film habe ich meinen Frieden gefunden und es ist mir daher wurscht, ob irgendjemand anders das genau so empfindet wie ich...

The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Bild 1
The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Bild 2
The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Bild 3
The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Bild 4
The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Bild 5
The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Bild 6
FAZIT:

Für mich der bisherige Höhepunkt des Kinojahres. Für mich die Konkretisierung der Vorstellung wie ein Film zu sein hat. Alleine der poetische Titel in seiner sperrigen Länge sagt eigentlich alles. Ich vergebe die Höchstnote.

WERTUNG: 10 von 10 letzten Blicken
TEXT © Ralph Zlabinger
Dein Kommentar >>
a-l-e-x | 11.11.2014 14:12
Es war tatsächlich der Besuch in einer schumrigen Bar in Shanghai
notwenig, um mit 7jähriger Verspätung auf diesen Film
aufmerksam zu werden. Aber lieber spät als nie!

Toller Film, tolle Rezi - gefällt mir!
>> antworten
Hans-Christian | 25.10.2009 17:27
Hast Du eigentlich mal "The Searchers" von
John Ford gesehen?
>> antworten
Snow | 16.04.2009 00:33
"...denn der Western ist wie der Kriegs- oder der Gangsterfilm eines jener Genres, die mich kaum zu Begeisterungsstürmen hinreißen, weil ich sie schlicht und einfach als langweilig und dumm empfinde."
@Ralph: Du bezeichnest ganze Genres als langweilig und dumm? Nicht gerade die beste Voraussetzung für einen Filmkritiker, der wenigstens versuchen sollte objektiv an jeden Film ranzugehen.
Ralph | 08.05.2009 11:27
Lieber Snow,

1) Objektivität ist eine Illusion.
2) Diese 3 Genres sind "dumm". Sie erzählen von Menschen, die ihre Probleme mit Waffen lösen, da sie zu schwach dafür sind Worte, Gedanken oder sonst etwas zu nutzen (etwa Battlerap;-)
3) Darunter fallen auch Actionfilme, aber die nehme ich ja nicht ernst. Auch ich habe also "guilty pleasures"
4) Das heißt aber nicht, dass Filme die diese Mechanismen dekonstruieren bzw. kristisieren großartig sein können. Nur sind das dann meistens "Anti-"Kriegsfilme, "Spät-"Western und "?"-Gangsterfilme.
5) Ich bin sicher auch du hast Genres, die du eher meidest.
>> antworten
a bloodred bird | 02.09.2008 11:04
wunderbares, poeitisch-melancholisches und
bildgewaltiges meisterwerk. endlich wieder mut
zu grossen gesten und unkitschigem pathos ; )
ähnlich wie "there will be blood" - big as life -
bigger as life. und wie bei "spiel mir das lied
vom tod" hat man von anfang an den eindruck,
dass alle protagonisten wissen oder zumindest
ahnen, dass sie hier nicht lebend rauskommen.
und nicht vergessen: der kurze aber
eindrucksvolle auftritt von nick cave als
moritaten-sänger gegen ende des films - yeah!
9,8 von 10 kugeln in den rücken....
>> antworten
Nicolae David | 21.12.2007 11:52
Ich hab mir gestern "Long Riders" von Walter Hill angeschaut und musste am Ende schmunzeln.- Das liegen Welten dazwischen!!! - In "Die Ermordung des..." ist es von Anbeginn ein trauriger, vielschichtiger Abgesang eines der größten amerikanischen Antihelden. "Long Riders" dagegen ist ein beinharter 1A Western in "W.Hill"-Manier... ohne Frage, aber ich vermisste spürbar die dichte psychologische Atmosphäre aus "Die Ermordung des..." ...- schaut euch Long Riders mal an! - Von mir ebenfalls 10/10 schiefe Bilder an der Wand!!!!
>> antworten
Patrasch | 09.12.2007 23:56
...rein subjektiv würde ich sagen: Anti-Blockbuster mit kleinen (aber doch einigen) Längen ;) und Knalleffekten (im wahrsten Sinne des Wortes), perfekt inszeniert, poetisch, authentisch...8,5 - 9/10
>> antworten
Wolfgang | 09.11.2007 03:15
Ich stimme dem oben gesagten gut, aber die inhaltliche belanglosigkeit bleibt. deswegen nur "gut".
korrektur | 09.11.2007 03:16
ich stimme dem oben gesagten ZU
Ralph | 09.11.2007 17:57
Der Film kämpft keinen Klassenkampf und behandelt auch nicht die Erderwärmung, er fällt somit sicher nicht unter engagierte Kunst, aber als belanglos würde ich ihn deshalb nicht bezeichnen. Ich fand den Inhalt sehr vielschichtig, hervorstechend dabei die mehrperspektivische Betrachtung und Dekonstrutktion des Themas Starkult, wodurch ja auch Brad Pitt eine sehr treffende Besetzung war. Darüber hinaus funktionierte der Film auch sehr gut als Psychostudie einer Gruppe von extremen Charakteren, aber ich glaube fast, dass die Frage, ob die Psychologie nicht nur eine, wie du eben sagst, "belanglose" Scharlatanerie ist, beschäftigt schon seit es diese "Wissenschaft" gibt. Ich persönlich finde sowas schon sehr spannend.
Wolfgang | 11.11.2007 23:42
Ja, ich stimme dir zu, allerdings ist interessiert mich ein "Psychogramm" von Menschen die sich mMn. grossteils wie Vollidioten verhalten nicht sonderlich.
>> antworten
Nic | 08.11.2007 00:23
er is wirklich so gut (~9) :)

ist mehr psychogramm als western geworden...das muß man mögen
>> antworten
Bernhard | 07.11.2007 14:30
Höchstnote? Wow, bin überrascht. Muss ich mir den wohl doch anschauen ...
Andreas Berger | 07.11.2007 14:35
tja... werde es bernhard gleichtun. ohne dieses review hätte ich ihn mir vermutlich nicht angeschaut...

bin ja gespannt...
Ralph | 07.11.2007 15:52
Jetzt werd ich aber schon nervös ;-)
Johnny Favorite | 11.02.2013 16:42
geht mir genauso bin jetzt gespannt drauf!
>> antworten