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The World's End

The World's End

KOMÖDIE: GB, 2013
Regie: Edgar Wright
Darsteller: Simon Pegg, Nick Frost, Martin Freeman, Rosamund Pike

STORY:

Nach zwanzig Jahren Funkstille trommelt Gary King seine alten Schulfreunde wieder zusammen, um zu vollenden, woran sie damals gescheitert waren: Die "Goldene Meile", eine epochale Sauftour durch alle zwölf Pubs ihrer Heimatstadt. Doch bereits nach dem zweiten Bier müssen die fünf Freunde feststellen, dass irgend etwas mit den Bewohnern von Newton Haven fundamental nicht stimmt. Doch Gary denkt nicht daran, sich von einer lächerlichen Alien-Invasion die Sauftour vermasseln zu lassen ...

KRITIK:

Für Gary King (großartig: Simon Pegg) war der wahnwitzige Alk-Exzess nach dem Schulabschluss 1992 der Höhepunkt seines Lebens. Danach kam nicht mehr viel. Während die Saufkumpane von damals zu gutbürgerlichen Familienvätern und brav funktionierenden Robotern der modernen Leistungsgesellschaft mutierten, blieb für Gary die Zeit mehr oder weniger stehen. Mit viel Bier und wenig Ambition ließ er sich einfach durch die Jahrzehnte treiben, ohne seine schwarzen "Sisters of Mercy"-T-Shirts allzu oft zu wechseln.

Melancholischer als erwartet gestaltet sich der Einstieg in THE WORLD'S END, dem neuen Streich der Rasselbande Edgar Wright (Regisseur), Simon Pegg (Drehbuchautor, Hauptdarsteller) und Nick Frost (Sidekick und bester Freund von Simon Pegg). Trotz hohen Tempos, beachtlicher Pointendichte und grandiosem Dialogwitz - Gary zu Kumpel Andy, der nach einem Unfalltrauma dem Alkohol abgeschworen hat und seit 16 Jahren ausschließlich Wasser trinkt: "Du trinkst verdammten Regen? Das ist ja, als würde ein Löwe Hummus fressen." - funktioniert The World's End auch als Drama über den Horror des Älterwerdens. Über die verdammte Nostalgie, die zwar Trost und Wärme spendet, aber jede Weiterentwicklung im Hier und Heute verhindert. Über die Unmöglichkeit, die magischen Momente der Vergangenheit zu konservieren. Geschweige denn zu wiederholen.

Klickt man durch die einschlägigen Foren, so scheint es THE WORLD'S END ein bissl schwerer zu haben als die allerorts bejubelten Vorgängerfilme SHAUN OF THE DEAD (2003) und HOT FUZZ (2007). Was vielleicht daran liegt, dass die parodierten Filme etwas weniger geläufig sind. Hände hoch, wer außer Chris die INVASION OF THE BODY SNATCHERS (1978 bzw. Remake 1992) oder THE MANCHURIAN CANDIDATE (1962 bzw. Remake 2004) wirklich gesehen hat.

Wright, Pegg und Frost haben die Bilder des Paranoia-Kinos jedenfalls ausgiebig studiert. Wir tun jetzt was für unsere Bildung und schlagen im Lexikon der Filmbegriffe nach, wo es heißt:
Paranoia-Kino: Ein Meta-Genre, das - meist als Thriller mit fantastischen Elementen - Ohnmachtsgefühle des Individuums in der modernen Welt sowie soziale und politische Krisen und Bedrohungsszenarien in Form umfassender Verschwörungen und globaler Gut/Böse-Konfrontationen dramatisiert. Oft geprägt von einer klaustrophobisch-expressionistischen Verfremdungsästhetik, entwerfen diese Werke geschlossene Welten, häufig mit subjektivierter, Film Noir-typischer Innenperspektive. Zu den bevorzugten Motiven und Figuren gehören investigative Protagonisten, die ein bösartiges System aufdecken, dessen Fäden in einem Machtzentrum zusammenlaufen. Seltener kommen Paranoia-Filme auch als Satiren und schwarze Komödien daher.

Schwarze Komödie. Yep. Natürlich ist THE WORLD'S END eine hochgradig amüsante Angelegenheit. Wenn man unbedingt matschgern (Wienerisch für sich beklagen, jammern, sich beschweren) will, wird man natürlich fündig: Etwas enttäuschend fand ich, dass sich die Konfrontation mit den außerirdischen Invasoren auf exzessive Kneipen-Schlägereien beschränken. Natürlich choreographisch und stunttechnisch 1A, eh klar. Aber irgendwie dann doch etwas - nein, ich will jetzt nicht ermüdend schreiben, aber repetitiv. Genau.

Schön hingegen, dass unsere Helden selbst inmitten der wüstesten Prügeleien immer Zeit für einen entspannenden Schluck Bier haben. Noch schöner, dass - Minimal-Spoiler voraus - unser Held keine Läuterung durchmacht. Auch nicht unlustig: Die Aliens; die sich einer lächerlichen Bullshit-Bingo-Sprache bedienen, wie man sie möglicherweise aus NLP-Spam-Mails oder Motivationsseminaren für mittlere Führungskräfte kennt. Bei einem wie Gary, dem "Selbstorganisation", "Potentialentfaltung" und "Effizenzsteigerung" herzlichst am Allerwertesten vorbeigehen, sind sie damit wohl an den Falschen geraten.

In diesem Sinne: There's only one Gary King!

The World's End Bild 1
The World's End Bild 2
The World's End Bild 3
The World's End Bild 4
FAZIT:

Das Einzige, was man THE WORLD's END, dem neuen Streich der Wright/Pegg/Frost-Rasselbande wirklich vorwerfen kann, ist, dass er ein Jahr zu spät kommt. 2012 hätte die promillegetränkte Weltuntergangskomödie wie die Faust aufs Auge gepasst. In die liebevolle Genre-Parodie mischen sich stärker als zuvor melancholische Untertöne. Ein Film, den man sich nicht mehr schöntrinken muss, der aber mächtig Laune auf das eine oder andere Bierchen danach macht. Prost!

WERTUNG: 8 von 10 frisch gezapften Half-Pints
Dein Kommentar >>
Marcel | 21.09.2013 23:42
Ehm... Invasion of the Body Snatchers war bereits 1978 ein Remake...
Harald | 22.09.2013 09:00
Ehm... stimmt natürlich. (*schäm*)
>> antworten
Fedi | 21.09.2013 03:33
War fein, kurzweilig aber bei weitem nicht so gut wie
Shaun oder HF. Sehr gut hingegen war das wirklich
coole (Welt-)Ende.
Fedi | 21.09.2013 03:35
Ah ja; Hände hoch zu den Remakes. Aber nicht jeder ist
ein Chris.
>> antworten
Johannes | 20.09.2013 10:58
Ich freu mich schon tierisch drauf; deine Besprechung hat mir noch mehr Lust drauf gemacht.

Hoffentlich gibt's 'ne Eiscreme-Trilogie Box, wenn The World's End auch auf den Heimmedien erscheint. :)
ghostdog | 17.03.2014 08:35
Nach Pegg`s mäßigem Solofilm "Die fürchterliche Furcht vor dem Fürchterlichen" kann "World`s End" nur eine Steigerung bedeuten!

Solo sind weder Pegg noch Frost ("Attack the Block")
so genial wie im Doppelpack! (Bei Besprechungen wird imo viel zu wenig auf den völlig unterschätzten "Paul" eingegangen).
>> antworten