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Gabrielle - Liebe meines Lebens

Gabrielle - Liebe meines Lebens

DRAMA: F, 2008
Regie: Patrice Chéreau
Darsteller: Isabelle Huppert, Pascal Greggory, Claudia Coli

STORY:

Im Paris der Jahrhundertwende leben die reichen Herveys ein perfektes Leben, gezeichnet von Gefühlskälte, gesellschaftlichen Verpflichtungen und glänzenden Salons. Eines Tages verlässt Gabrielle ihren Mann, nur um nach wenigen Stunden wiederzukehren. Doch es kann niemals wieder so werden wie es früher war....

KRITIK:

Ich gebe zu, der Titel klingt schrecklich. "Gabrielle - Liebe meines Lebens". Das hört sich so nach Danielle Steel oder Rosamund Pilcher an. Aber tatsächlich ist das nach einer langen Durststrecke von mehreren Monaten der erste Film seit langem, der mich so richtig gepackt hat.

Patrice "Intimacy" Chéreau ist seit je her ein Garant für bemerkenswerte und vor allem unbequeme Filme. Einer jener Regisseure, der es wagt, Erzählkonventionen zu sprengen und damit ein sicher eher sperriges Ouevre sein Eigen nennt. Erzählt wird nach einer Erzählung von Joseph Conrad und dabei wird tief in die Trickkiste der Filmsprache gegriffen, was aber meines Erachtens auch nötig ist. Denn wie die meisten Geschichten wurde auch diese sicher schon hunderte Male erzählt. Daher stellt sich vielmehr die Frage wie man sie erzählen sollte. Das führt zu einem strengen aber hochoriginellen Formalismus, der sicher von weniger verkopften Rezipienten als gefühlskalt und abgehoben abgelehnt wird.

Aber genau darum geht es doch in diesem Film.

Und sein Thema ist keineswegs veraltet. Es ist keine neue Weisheit, dass die meisten Menschen für materiellen Besitz und gesellschaftliche Akzeptanz ihre Ideale und vor allem ihre Gefühle über Bord werfen. An sich ist das auch verständlich, denn Gefühle und Ideale verändern sich mit der Zeit, das Bedürfnis nach Sicherheit, Zugehörigkeit und gefülltem Magen wird einen jedoch ein Leben lang begleiten.

So gesehen ist der Film dann doch sehr idealistisch, denn durch diesen kurzen Ausbruchversuch seiner Protagonistin aus der Starre des goldenen Käfigs bricht das ganze Kartenhaus zusammen und Gefühle werden offengelegt, die keiner der Betroffenen jemals vermutet hätte.

Jean Hervey erkennt viel zu spät, nachdem er schon alles zerstört hat, dass er seine Frau wirklich liebt und erkennt weiters, dass sie ihn niemals (wieder) lieben wird. Er zerbricht daran und alles was sie dazu zu sagen hat ist: "Wenn ich gewusst hätte, dass du mich liebst, wäre ich niemals zurückgekehrt."

Diese Worte aus dem Mund der Huppert, die wie so oft die gefühlsvergletscherte Frau spielt, laufen einem kalt den Rücken herunter. Unterlegt von unangenehmen atonalen Klängen und grandiosen, kontraststarken Bildern in Schwarzweiß und Farbe, die einen gebannt auf den Bildschirm starren lassen.

Elitär? Ja sicher. Aber trotzdem großartig, weil allgemeingültig. Voller schmerzlicher Weisheit, aber vielleicht gerade trotzdem ungeheuer befreiend. So kann und muss Kino sein.

Gabrielle - Liebe meines Lebens Bild 1
Gabrielle - Liebe meines Lebens Bild 2
Gabrielle - Liebe meines Lebens Bild 3
Gabrielle - Liebe meines Lebens Bild 4
FAZIT:

Intellektuell-verstörende Beziehungstragödie in grandios-freigeistiger Form und mit zwei großartigen Hauptdarstellern, die sich gegenseitig im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand spielen. Französisches Kino wie es sein kann.

WERTUNG: 9 von 10 Stubenmädchen
TEXT © Ralph Zlabinger
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