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A Stranger in Town / The Stranger returns

A Stranger in Town / The Stranger returns

OT: Un Dollari tra i denti / Un uomo, un cavallo, una pistola
WESTERN: I, USA / I, D, 1966
Regie: Luigi Vanzi
Darsteller: Tony Anthony, Frank Wolff, Dan Vadis, Daniele Vargas

STORY:

Sowohl in A STRANGER IN TOWN (Italien, USA 1966) als auch in THE STRANGER RETURNS (Italien, Deutschland 1967) legt sich ein namenloser Fremder in gottverlassenen Wüstennestern irgendwo im Nirgendwo des Grenzgebiets mit einer Übermacht mexikanischer Banditen an. Da geht es einmal um zwei prall gefüllte Beutel Gold, ein anderes Mal gar um eine goldene (!) Postkutsche und immer um reichlich Kopfgeld. Am Ende - so ist's beim mal knochentrockenen, mal selbstironischen STRANGER guter Brauch- wird die mehrläufige Schrotflinte durchgeladen und gnadenlos aufgeräumt... 

KRITIK:

Nicht wenige Italowestern-Fans haben in den letzten Monaten sehnsüchtig die Tage bis zum 1. Juni 2013 gezählt. Warum? Weil an diesem Tag dank Colosseo Film eine neue deutsche DVD zu A STRANGER IN TOWN (aka EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN) in die Verkaufsregale kommt. Und das (Man hat es nach dem massiv geschnittenen und in unterirdischen Qualität dahergelaufenem Schrottling aus dem Hause VZ ja nicht mal mehr zu hoffen gewagt!) erstmals ungeschnitten und digital restauriert. Die fehlenden zehn Minuten wieder an Bord und das Bild ordentlich; ergo ein Feiertag für all jene Filmfreunde, die eine Vorliebe für rauchende Colts, einsame Rächer, niederträchtige Banditen und staubige Wüstenstädte hegen.

Nun ja, sagen wir ein Feiertag für fast alle Spaghettiwesternfans. Es soll ja auch solche darunter geben, die Hauptdarsteller Tony Anthony nicht für einen coolen Oskar, sondern für eine drittklassige Clint Eastwood-Kopie halten...

Wie dem auch sei. Der Kultstatus im Fandom ist dem STRANGER IN TOWN sicher nicht mehr abzusprechen. Und das liegt eben vor allem an der irgendwo zwischen tapsig, lässig, gefrierschrankkühl und selbstironisch mäandernden Präsenz seiner leading role. Und die verkörpert Tony Anthony, der irgendwann einmal als Roger Anthony Pettito in den USA geboren wurde und in den Sechzigern als Schauspieler, Produzent und Drehbuchautor nach Cinecittà gekommen war, um den römischen Western um einige kultige Vorstellungen zu bereichern, par exellence.

Bekannt wurde er vor allem durch seine Rolle als namenloser Fremder in den drei STRANGER-Filmen unter der Regie von Luigi Vanzi. Wobei sein letzter Auftritt in DER SCHRECKEN VON KUNG FU (sic!) als Revolverheld im fernen Japan mindestens ebenso schräg daherkommt wie seine wahrlich kultverdächtige Performance als blinder (!) Pistolero, der in der irrwitzigen Italowestern-Sexploitation-Mixtur BLINDMAN - DER VOLLSTRECKER fünfzig (!!) leichtbeschürzte Frauen durch die Wüste eskortieren muss. Unvergessen auch die Tagline, unter deren Banner er dort agierte; "Blindman, Blindman, what did he do? Stole 50 Women that belong to you!" Im ersten STRANGER-Film, dem hier vorliegenden EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN, präsentiert man sich allerdings noch bodenständig.

Tatsächlich erinnert einiges an den Clint Eastwood-Klassiker FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR: Die von Banditen beherrschte Stadt, der Fremde ohne Namen, der Dollar im Titel. Aber wo Eastwood noch zwei verfeindete Banden clever gegeneinander ausgespielt hat, geht es bei A STRANGER IN TOWN inhaltlich wesentlich entschlackter nur noch um zwei profane, prall mit Goldmünzen gefüllte Beutel, die Anthony als Ein-Mann-Armee einer von Frank Wolff angeführten Übermacht an mexikanischen Halunken abzuluchsen gedenkt.

A STRANGER IN TOWN verzichtet größtenteils auf große Reden und Finessen, sondern erzählt von einem wortkargen, meist von der überstimmigen Musik von Benedetto Ghiglia getragenen Rachefeldzug, der so lange unerbittlich geführt wird, bis der letzte Mann in den Staub des kleinen, gottverlassenen Wüstennests gebissen hat. Dabei ist vom Augenzwinkern der späteren STRANGER-Filme mit Tony Anthony hier noch nicht viel zu sehen. Beziehungsweise, es ist knochentrocken.

Seinerzeit waren die Einspielergebnisse des STRANGER(s) so zufriedenstellend, dass nur ein Jahr später ein Sequel folgte. Vanzi verblieb auf dem Regiestuhl, Tony Anthony in seiner Paraderolle. Und auch sonst hat sich nicht viel geändert. Im Grunde erzählt der in Deutschland ebenfalls via Colosseo erhältliche THE STRANGER RETURNS (aka WESTERN JACK) die haarklein gleiche Geschichte; nur mit mehr Dialog, Humor und vor allem in Gestalt einer goldenen (!) Postkutsche mit einer zusätzlichen Prise Irrwitz. Der abschließende Rundumschlag mittels einer diesmal (fünfläufigen) Schrotflinte fällt allerdings ähnlich heftig und endgültig aus wie im ersten Teil.

Welcher von beiden mir letztendlich besser gefällt, vermag ich gar nicht zu sagen. Je nach Gusto und Tagesform mundet sowohl der etwas härtere und puristischere erste Teil als auch das mit mehr Ironie und Unterhaltung gewürzte Sequel, welches dennoch über einen nicht minder hohen Blutzoll verfügt.   

A Stranger in Town / The Stranger returns Bild 1
A Stranger in Town / The Stranger returns Bild 2
A Stranger in Town / The Stranger returns Bild 3
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A Stranger in Town / The Stranger returns Bild 7
FAZIT:

Tony Anthony hin, Coolness her: Die ersten STRANGER-Filme spielen qualitativ bestimmt nicht in einer Liga mit Göttergaben wie den der drei Sergios (Leone, Corbucci, Sollima), doch die Zuneigung des Die Hard-Fandoms sei sowohl A STRANGER IN TOWN als auch THE STRANGER RETURNS ungenommen. Für die einen mag Hauptdarsteller Tony Anthony nur eine drittklassige, tollpatschige Clint Eastwood-Kopie sein; seine selbstironischen Auftritte als Fremder ohne Namen in den zunehmend schräger werdenden STRANGER-Filmen sind dennoch kultverdächtig. Die Probe auf Exempel kann der geneigte Filmfan in beiden Fällen endlich offiziell, ungeschnitten und in ansprechender Bild- und Tonqualität machen. Teil 1 bietet Anthonys wortkarges, minimalistisches, knochentrockenes, aber immer unterhaltsames Scharmützel mit einem von zahllosen mexikanischen Halunken unterstützten Frank Wolff. Teil 2 fast dasselbe minus Frank Wolff, dafür in Addition mit mehr Dialog und Augenzwinkern. Die Musik von Benedetto Ghiglia ist hier wie da genial. In diesem Sinne: "Was für ein Mann bin ich, Maninero?" - "Ein fairer Mann!"

WERTUNG: 7 von 10 gescheiterten Versuchen, sich eine Zigarette zu drehen
TEXT © Christian Ade
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