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Barfuss durch die Hölle

Barfuss durch die Hölle

OT: Ningen no joken
ANTIKRIEGSEPOS: JAPAN, 1959
Regie: Masaki Kobayashi
Darsteller: Tatsuya Nakadai, Michiyo Aratama, Ineko Arima

STORY:

Die Kriegsfilmtrilogie "Barfuss durch die Hölle" erzählt die Geschichte von Kaji, einem jungen Linksintellektuellen, der an die Arbeiterrevolution glaubt und Pazifist ist. Durch Beziehungen schafft er es zunächst, dem Krieg zu entgehen und wird als Aufseher in ein Arbeitslager in der Mandschurei geschickt, wo er versucht ein humanes System zu etablieren. Durch seine ständige Auflehnung wird er wegen Vaterlandsverrats verklagt und strafweise schließlich zur Armee eingezogen, wo er bis zur Kapitulation Japans ein unermüdlicher, aber dennoch immer desillusionierterer Verfechter seiner Grundsätze bleibt. Nach langer Flucht und russischer Gefangenschaft muss er schließlich einsehen, dass auch seine heißgeliebten Russen keine besseren Menschen sind und bricht noch ein letztes Mal aus, um endlich wieder mit seiner Frau vereint zu sein.

KRITIK:

Man muss sich vorstellen was für ein Kraftakt dieser Film gewesen sein muss. Begonnen bei der Herstellung, im Japan des Jahres 1957 einen großen, langen, überaus kritischen Antikriegsfilm zu drehen, der die "Ehre" und die Taten des eigenen Landes hinterfragt. Regisseur Kobayashi machte sich als erster daran, Japans Rolle im zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten. Weiters die Dreharbeiten selbst, die sich über vier Jahre zogen und besonders von Hauptdarsteller Tatsuya Nakadai mehr als einmal verlangt haben müssen, an die Grenze zu gehen. Große spektakuläre Armee- und Lagerszenen, die unwirtlichen, unendlichen Weiten der Mandschurei, und das schwere Thema, das auf einem sechsbändigen Roman namens "Ningen no Joken" von Junpei Gomikawa beruhte.

Und nicht minder anstrengend ist der Film geworden, der sich in der japanischen Fassung über neun Stunden zieht, und vom Zuseher so einiges abverlangt. Am schwersten fallen natürlich die ersten 3 Stunden, die Zeit im Arbeitslager, die nächsten 3 Stunden im Krieg, erinnern stark an einen gewissen "Full Metal Jacket" (ob man jetzt von Guttenberg und Kubrick in einem Atemzug sprechen kann?), aber der Unterhaltungswert steigt, während unser Held wider Willen vom Pazifisten zur Kampfmaschine umgedrillt wird. Doch sein Widerstandsgeist bleibt ungebrochen, sein Wille zum Leben treibt ihn voran, bis zu den schrecklichen Stunden, in denen Japans Armee aufgerieben wird. Dann endlich startet der dritte Teil und der bietet einem endlich den Grund, 9 Stunden lang vor einem japanischen Schwarzweißfilm aus den Sechziger Jahren zu verharren.

Bis jetzt zweifellos ein guter aber keineswegs genialer Film, der sich in epischer Breite eines Romanes die Zeit nimmt, die Umwelt, die Menschen, die Gedanken, die Widersprüche, die Brutalität und Gräuel des Krieges zwischen den Japanern, Chinesen und Russen über ein gewaltiges Panorama auszubreiten. Jedoch auch seeeehr laaaaangsam voranschreitet.

Aber der 3. Teil, die Flucht durch die endlosen Weiten der Mandschurei abwechselnd mit japanischen Flüchtlingen und Soldaten, die permanent wegsterben, verhungern oder Selbstmord begehen, die sich wie Bestien um wenige Bissen schlagen, vergewaltigen, schwachsinnigen Träumen vom Endsieg hingeben, und deren Menschlichkeit bei jedem Schritt noch ein bisschen weiter einbüßen, ist wahrlich eine der intensivsten und erschreckendsten Filmerlebnisse, an das ich mich jemals erinnern konnte.

Es kommt der Punkt an dem selbst der scheinbar mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Kaji zu einem Tier wird. Hinter dem nächsten Berg wieder nur kalter Wind und endlose Prärie. Diese wahnsinnige Einsamkeit, diese unstete Horde an entmenschlichten Tieren, die aus letzter Kraft dem Nichts entgegenkriechen, wühlen sich in die Emotionen des Zusehers ein und hinterlassen dort tiefe Wunden.

Wie weit kann der Mensch gehen um ein Mensch zu bleiben, wie weit wird er für seinen Glauben gehen, wie lange wird er Widerstand leisten gegen die geradezu kafkaesken Mächte, die ihn in der Zange haben und in groteske Abgründe treiben?

Es gibt wohl selten Filme, die dem Schmerz, den Menschen in Extremsituationen erleben, nahekommen, es wäre natürlich vermessen zu behaupten, dass Barfuß durch die Hölle dieser unmögliche Spagat aus Kunstwerk und Spürbarmachung der Realität (eines Krieges) gelingt, aber es ist sicher ein Film, der dabei weiter kommt als die meisten anderen.

Wer also neugierig wurde, dem sei gesagt, dass die "Barfuß durch die Hölle"-Trilogie bei Winklerfilm auf DVD erschienen ist, inklusive der deutschen Kinofassung, die von Regisseur Bernhard Wicki stammt, und um 3 Stunden gekürzt wurde, wodurch natürlich ein wenig mehr Tempo in die Angelegenheit gekommen ist.

Barfuss durch die Hölle Bild 1
Barfuss durch die Hölle Bild 2
Barfuss durch die Hölle Bild 3
Barfuss durch die Hölle Bild 4
Barfuss durch die Hölle Bild 5
Barfuss durch die Hölle Bild 6
Barfuss durch die Hölle Bild 7
FAZIT:

Die japanische Antikriegsfilm "Barfuss durch die Hölle" ist ein "gesellschaftskritisches Meisterwerk" und eines der "großen humanistischen Epen", wie es in der Presseaussendung heißt. Wessen Atem lange genug ist um eine neunstündige Schwarzweiße Kriegstrilogie durchzusitzen, wird vor allem im dritten Teil mit einer intensiven Filmerfahrung der Extraklasse belohnt. Wer sich zumindest sechs Stunden Zeit nimmt, kann mit der gekürzten deutschen Kinofassung Vorlieb nehmen. So oder so, ich wette ihr gehört dann zu den ganz wenigen Menschen, die das gesehen haben, und könnt zurecht stolz darauf sein ... ;-)

WERTUNG: 9 von 10 Steppen
TEXT © Ralph Zlabinger
Dein Kommentar >>
Andreas | 16.03.2011 19:23
Wow, ich dachte, mit "Melancholia" schon den längsten Film gesehen zu haben (6h). Mal sehen, ob ich mal an einem freiem Regentag "Barfuss durch die Hölle" durchstehe. Natürlich im Original.
Ralph | 16.03.2011 21:48
Hast du den Film eigentlich schon. Sonst kannst du ihn von mir haben.
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