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Das ewige Leben

Das ewige Leben

SCHWARZES THRILLERDRAMA: A, 2015
Regie: Wolfgang Murnberger
Darsteller: Josef Hader, Tobias Moretti, Nora von Waldstätten, Roland Düringer, Margarete Tiesel

STORY:

Dem Brenner geht es schlecht. Er hat sich eine Kugel eingefangen. Wer sie abgefeuert hat und warum, das weiß er bis zum Ende nicht. Fest steht nur: Brenner ist in Graz gestandet, wo er alte Freunde aus Jugendtagen trifft. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz: Der Köck (Roland Düringer), mit dem der Brenner einst die Polizeischulbank drückte, ist selber pleite und kann dem Brenner leider kein Geld borgen. Und dem Grazer Kripo-Chef (Tobias Moretti) sollte der Brenner sowieso besser großräumig ausweichen.

KRITIK:

"Im Warteraum vom Arbeitsamt /
Sieht man sie sitzen allesamt.
Ja, a bisserl Arbeitswillen /
Sieht man heute schon bei vielen."

Ich weiß nicht, warum mir plötzlich diese Zeilen aus einem uralten Austropop - ähm - Klassiker einfallen. Das ist eine Musik, von der ich normalerweise Ausschlag kriege. Aber irgendwie passt das zum Einstieg ins vierte Brenner-Leinwand-Abenteuer. Der Film beginnt in einer gesichtslosen AMS-Wartehalle. Hier sitzen vom Leben gezeichnete Gesichter, traurig, ausgebrannt, desillusioniert.

Brenner wird aufgerufen. Mit hängenden Schultern schlurft er ins Zimmer der Betreuerin. "I hob grod beruflich a bissal a schlechte Phase." - "Herr Brenner, Sie san nit krankenversichert, Sie san nit sozialversichert, Sie haben ka Bankkonto. Des würd i net als 'schlechte berufliche Phase' bezeichnen. Sie san a U-Boot."

Der Antrag auf Mindestsicherung scheitert dann aber, weil der Brenner von seinem Opa ein Haus geerbt hat. Immerhin: Ein Dach über den Kopf, auch wenn's reinregnet.

In Rückblenden erinnert sich der Brenner an früher. In warmen, grobkörnigen Super-8-Aufnahmen sieht man ihn auf seinem Puch-Moped durchs steirische Hügelland fahren. Man schrieb die Siebziger. Leichtigkeit, Lebenslust und der Duft von lustigen Zigaretten liegt in der Luft, und die wehmütige Erinnerung an eine (vermeintliche) jugendliche Unschuld.

Im Hier und Heute quälen ihn Existenzängste und rasende Migräne-Attacken. Dann fällt ein Schuss. Und der Brenner wacht halbtot in einem Krankenhaus auf. Ihm ist klar: Irgendjemand will ihn fertig machen.

Mehr soll von der Handlung an dieser Stelle nicht mehr verraten werden.

Nach dem großartigen DER KNOCHENMANN (2009) war eine weitere Steigerung wohl kaum mehr vorstellbar. Die gute Nachricht: Auch der vierte Brenner-Film enttäuscht nicht. Er übertrifft seine Vorgänger sogar noch punktuell. Stärker als je zuvor wurde der Focus vom Thriller zum Drama verschoben. Die Krimi-Handlung tritt in den Hintergrund; der Komödien-Anteil ebenso. Der Film konzentriert sich stärker auf die Befindlichkeiten seiner Figuren. 

Über Josef Hader muss man eigentlich keine Worte mehr verlieren. Aber dafür, dass der Mann sich in aller Bescheidenheit "nicht als richtiger Schauspieler" sieht, spielt er mehr als nur beeindruckend. Es gehört schon auch eine gehörige Portion Mut und Scheiss-mich-nix-Attitüde dazu, praktisch die gesamte erste Filmhälfte als Sandler und halber Pflegefall über die Leinwand zu taumeln.

Aber so beschissen es ihm auch geht, der Brenner ist und bleibt ein grantiger, renitenter Hund, der immer noch genug Lebenswillen und Energie aufbringt, um sich selbst am Krawattl zu packen und aus dem Schlamassel zu ziehen. Und seinen Schmäh hat er glücklicherweise nicht verloren, egal, wie schlecht die Dinge stehen. Und so stolpert der Brenner devastiert wie nie zuvor durch eine abgründige Krimi-Handlung mit Schauplatz Graz, angetrieben von einem wie gewohnt prägnanten Sofa Surfers-Soundtrack.

Der Film ist bis in die Nebenrollen perfekt besetzt. Nach dem FINSTEREN TAL wird wohl niemand mehr wagen, über Tobias Moretti verächtlich die Nase zu rümpfen. Der Düringer ist halt der Düringer. Margarethe Tiesel hat in Ulrich Seidls PARADIES: LIEBE Eindruck hinterlassen. Und für die fantastische Nora von Waldstätten (CARLOS DER SCHAKAL, OKTOBER NOVEMBER, DIE WOLKEN VON SILS MARIA) werde ich wohl demnächst einen Fanclub gründen müssen.

Das ewige Leben Bild 1
Das ewige Leben Bild 2
Das ewige Leben Bild 3
Das ewige Leben Bild 4
Das ewige Leben Bild 5
FAZIT:

Home, sweet Home. Nach einer längeren beruflichen Durststrecke verschlägt es den Privatdetektiv Brenner in seine alte Heimat Graz. Hier hat er ein halbverfallenes Haus geerbt und wird von einem Blödsinn, den er in der Vergangenheit angestellt hat, eingeholt. Bleibt als Fazit nur zu sagen, was eh von Anfang an klar war: DAS EWIGE LEBEN ist natürlich ein Pflichtfilm. Vielleicht sogar der beste aus der Brenner-Reihe.

In diesem Sinne: "Für was braucht a Polizist an Schalldämpfer?"

WERTUNG: 8 von 10 Überwachungskameras
Dein Kommentar >>
Nico | 17.03.2015 13:03
Finde den Teil auch ziemlich ausgebrannt... sorry. - Die anderen Teil sind grandios... jeder von der
ersten bis zur letzten Minute großartig, originär und unterhaltsam... - und deshalb bin ich über
diesen vierten Teil wirklich enttäuscht wie nur was und kann mir nicht erklären, wie das gleich Team
hier den Film so in den Sand setzen konnte, bei allem Respekt. Kein Tempo, kein Rhythmus, nix fürs
Auge, pathetisch düster und in Sachen Humor kaum wiederzukennen und bis auf ein paar Oneliner
seicht und lustlos. Schei*e, Das Ewige Leben, hat überhaupt keinen Spaß gemacht und erinnert, wie
Wolf schon angeregt, eher noch an einen sehr schlechten Tatort... nur weit hinter dessen
Professionalität entfernt.

Bild: mir fallen gerade einmal zwei halbwegs gelungene aber für sich kaum originelle Szenen ein. Der
harmlos umfallende Baum, sowie der vermeintliche Selbstmord. Die eine nicht besonders originell, die
andere leider filmisch unlustig unausgereift. Wenn sich ein Bild für den ganzen Film eingeprägt hat,
war es die blutleckende Katze. Der Rest des Films leidet größtenteils an der schlechte Kameraarbeit
(mieses Fernsehframing, pathetisch düstere oder vielleicht eher unmotivierte Licht"gestaltung",
nerviges Locationspotting, miesestes weil nach Lowbudget-aussehendes Setdesign) - Das kann man
mir nicht aufs Auge drücken, dass das Absicht war, wenn man die drei vorherigen Teile anschaut und
man in ihnen diese Lässigkeit und Nonchalance entdeckt... für die man das österreichische Kino
einfach lieben kann.
Handlung: hab den Roman nicht gelesen... hab keinen einzigen Wolf-Haas gelesen, Wurst! Die
Schwäche will ich jetzt nicht an der Romanvorlage festmachen. Drei Filme, drei Erfolge und Werke, die
Kult sind und sich weit über die literarische Vorlage erhoben haben, sollen genug Argumente sein...
und (wieso nicht) auch beweisen, dass die Handlung eben nicht das wichtigste ist. Wer erinnert sich
schon an diese? Erinnern tut man sich ohnehin nur an Szenen... (die Rettungsraserei aus Komm, süßer
Tod, die Kreuzszene aus Silentium, das Finale aus Der Knochenmann) - Die Handlung eines Filmes
unterliegt immer der Inszenierung... aber was wurde bei Das Ewige Leben inszeniert? Was für Szenen
bleiben da hängen? Ist man nicht müde von Verfolgungsjagden? Und ist sie besonders irrwitzig, nur
weil der Brenner auf einer DS50 den Schloßberg raufstottert? Was gibts da sonst für Szenen außer der
erwähnte KO-Szene, die mitunter noch am gelungensten ist. - Hier sind dem Team echt die Ideen
ausgegangen. Oder sie haben keine gehabt für Graz. Oder naja... es gab kein Geld, was vielleicht
sogar am traurigsten ist, wenn man daran glaubt, dass man mit wenig Geld doch am kreativsten
arbeiten kann. Man kann diesen Teil als Drama sehen (wie Harald) oder aber auch... glauben... dass
man im Kollektiv hier echt keine Lust oder Inspiration oder Spaß mehr hatte.
Warum keine Spannung? Warum nicht wenigstens die banalsten erzählerischen Krimi-Tricks? Warum
dieser amateurhafte Rückblendenschmarrn, der den Film eine halbe Stunde zu lang macht und mit
aussagekräftigen Bildern geizt, wie auch mit Emotionen oder wenigstens nützlicher Charakterisierung
der Figuren? Warum hat man sich im Schnitt dafür entschieden und damit gehörig das Tempo des
Films/der Erzählung ruiniert? - Warum lässt man sich aus budgetgründen auf diese widerlich
anbiedernden Graztouristischen Outdoor-Spots ein und versemmelt völlig die Auswahl bei den
Indoor-locations?

Aber zurück zur Handlung:
Wie ist der erste Mord begründet? Eine sonst ganz vernünftige und ziemlich langweilige Akademikerin
bringt einen Kerl um, weil dieser ihren Polizeichef-Mann erpresst? - Ähm... gehts noch???

Kommen wir zu den Figuren. Brenner... ok. Er ist ausgebrannt. Am Ende. Er ist knapp 50. Wollte nie
ein bürgerliches Leben, sondern ganz frei von der Leber weg als Nichtpolizist sich detektivisch der
kellerdunklen, österreichischen Seele stellen... - Tja, wer zu oft in den Abgrund blickt... - Ok! Aber,
dass er erniedrigt und beleidigt so vollkommen ohne seine sonst vitalen Facetten auskommen muss,
tut beim Zuschauen weh. Brenner stöhnt, ächzt und guckt ganz wehmütig. Viel mehr spielt der Hader
auch nicht, obwohl er könnte! Das einzige was er tut im Film ist.. sich einmal in die Rübe zu schießen
und ansonsten davonzulaufen oder auf der DS Gas zu geben. Da war sonst nicht viel... und das ist
eigentlich für einen Helden oder Antihelden dann schon ziemlich wenig... (drei Filme beweisen da
schon andere Tatkraft) und zerstören den Mythos um den sonst so wackren Austrodetektiven. Da frag
ich mich: War die Dekonstruktion Absicht? Wo ist die Liebe hin für diese Figur?

Und diese vernachlässigte, eindimensionale Ausarbeitung merkt man auch den anderen Figuren an;
Der Köck: Düringer ist Düringer und leider hauchdünn ohne Weisheiten... selbst die seine Brille hat in
diesem Film aber leider mehr Charakter...
Dr.Irrsiegler: Nora von Waldstätten ist n hübsches, sonst unschuldiges aber irgendwie doch ziemlich
langweiliges Lämmchen, das, weil das Drehbuch so will, den Mord verübt... scheinbar gefühllos...
einen Menschen umbringen, das geht ganz leicht... aber, dass außer einmal hinkotzen das überhaupt
keinen Effekt mehr in einer menschlichen Psyche hat, das ist schon recht... hmmmm... halbgar.
Der Nachbar... ist einfach n Nachbar... und hier grad mal ein Leben zwischen seiner Haustür und
Brenners Wohngrund.
Der Heinz: vielleicht die am temperamentvollste von Schärf gespielte Figur, tritt liebend gern gegen
den Brigadier-Chef an, hat aber auch sonst nicht soviel Eigenleben, was Schade ist...
Wo ist das alles hin? Die Liebe zu den Figuren... warum werden sie hier, wie so vieles im Film verheizt?
Warum verlässt man sich auf die gerade noch rettende einzige interessantere, weil facettenreiche
Figur des Aschenbrenners für einen ganzen Film? Und warum hat man den Moretti sich selbst
überlassen? Aus ihm kann man viel herausholen, leider aber verfügt er nicht über diese absolut
ausreichende Einfachheit und Kopflosigkeit, die ein Bierbichler hat oder die Unheimlichkeit eines
Joachim Krol, dessen Gesicht ein ganzes Pandämonium sein kann.
Moretti ist ein ganz Großer im deutschsprachigen Raum, braucht aber auch immer ein bisschen
Masquerade, die über eine Narbe und gefärbte Haare hinausgeht oder einen echten Regisseur.

Das Zusammenspiel mit Kollegin Waldstätten funktioniert in Folge dann auch ziemlich wenig bis
kaum. Man kauft den Beiden die Liebe kein einziges Mal ab und entlarvt immer nur emotionsloses
Schauspielhandwerk. Das ist schlimm mitanzusehen teilweise! Er schenkt ihr einen Limonenbaum?
Was ist das für ein dämlich darauf folgender Dialog? -
Leider funktioniert das hier chemisch zwischen beiden nicht, denn genau dieser Aspekt im Film,
deren Liebe, hätte man sie sorgfältig inszeniert, der ganze Film hätte einen Sinn bekommen oder
sagen wir... - der Film insgesamt hätte dann tatsächlich doch funktioniert!

Tonmäßig haben sich die Sofa Surfers wieder selbst adeln können zwischen den vielen
Bierschlürfsamples, die der Film bietet.
>> antworten
Wolf | 10.03.2015 08:48
Nein, nein und nochmal nein!
Der Brenner ist durchgebrannt und so auch seine Macher.
Murnberger freut es anscheinend nicht mehr so richtig und
fühlt sich anscheinend ganz wohl in der Tatort-Ästhetik. Aber
ich müsste einen Artikel der selben länge verfassen um im
Grunde einfach nur dieser ungerechtfertigten Lobeshymne zu
widersprechen...
Ban | 11.03.2015 09:49
Und die Begründung?? Aber Hauptsache grantig vor sich hin
matschgern?

Großartiger Film nebenbei!
>> antworten
Monika | 09.03.2015 19:10
Amen amen und nochmal amen!
>> antworten