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Das Vaterspiel

Das Vaterspiel

THRILLER/DRAMA: A/D, 2009
Regie: Michael Glawogger
Darsteller: Helmut Köpping, Ulrich Tukur, Christian Tramitz, Sabine Timoteo

STORY:

Ratz, so nennen ihn seine Freunde, hat die letzten Jahre im ungelüfteten Zimmer verbracht. Dort hat er ein obskures Computerspiel programmiert, in dem er seinen übermächtigen Vater virtuell umbringt. Immer und immer wieder. Das Spiel erweist sich als unverkäuflich. Die inzestiöse Liebe zu seiner Schwester wird auch nicht so recht erwidert. Und Vater ist sowieso der größte Arsch. Höchste Zeit, abzuhauen. Da kommt ein Anruf seiner Ex-Freundin Mimi aus New York gerade recht. Mimi braucht Hilfe - wofür, das sagt sie nicht gleich. Als Ratz in New York eintrifft, tun sich vor ihm Abgründe auf - sprichwörtlich …

KRITIK:

Wie geht man damit um, wenn man erfährt, dass der eigene Großvater ein gesuchter Nazi-Kriegsverbrecher ist? Die junge Frau in Michael Glawoggers Verfilmung des gleichnamigen Romans von Josef Haslinger hat ihren Nazi-Opa im Keller versteckt. Dort vegetiert er vor sich hin - ein Pflegefall, der kein Wort spricht und geistesabwesend in den Fernseher starrt. Er soll nur noch in Würde sterben dürfen.

Doch dazu wird es nicht kommen.

Michael Glawogger, einer der unberechenbarsten und vielseitigsten Filmemacher in diesem Land, hat sich mit dem Nationalsozialismus auseinander gesetzt. Aber anders als sonst: Keine Hakenkreuzflaggen, keine SS-Uniformen, keine KZs. Überhaupt keine historischen Bilder. Die Geschichte spielt in der Gegenwart - und zeigt die Hilflosigkeit der Nachkommen von Tätern UND Opfern im Umgang mit Kollektivschuld und Individualverantwortung.

Das hört sich jetzt vielleicht sperriger an, als es wirklich ist. DAS VATERSPIEL ist in erster Linie ein Thriller, ein spannender und abgründiger Psycho-Thriller, der drei komplexe Handlungsstränge ineinander verwebt. Da hätten wir den jungen Mann, der gegen seinen Vater rebelliert. Eine junge Frau, die den Nazi-Kriegsverbrecher im Keller versteckt hält. Und einen jüdischen Überlebenden eines Massakers, an dem Keller-Nazi beteiligt war.

Eine stockdüstere, unheimliche Schwärze liegt über dieser Geschichte, die es niemandem leicht macht - der "Vor-dem-Abspann-muss-alles-total-logisch-und-schlüssig-erklärt-werden"-Fraktion am allerwenigsten.

Aber auch jene, die Kino als bildungsbürgerliche Erbauung und moralische Wertevermittlung konsumieren, könnten Schwierigkeiten bekommen: Der Film kennt keine moralisch integeren Figuren (vom jüdischen Ankläger abgesehen - doch dessen Part spielt quasi im Hintergrund, in der Vergangenheit), sondern nur menschliche Niedertracht in unterschiedlichen Abstufungen.

Alles, was hier geschieht, geschieht aus Hilflosigkeit, aus eiskalter Berechnung, aus Angst, aus dumpfen, blanken Hass. Einzig der alte Nazi kann ein schlüssiges Motiv - in seiner eigenen kranken Vorstellungswelt, wohlgemerkt - für seine monströsen Verbrechen nennen. Reue zeigt er selbstverständlich keine.

Ziemlich starker Tabak also, den Michael Glawogger hier auf die Zuseher loslässt. Und für den er völlig zu Recht mit dem Hauptpreis der diesjährigen Diagonale ausgezeichnet wurde. "Ein Meisterwerk" schrieb auch Markus Keuschnigg auf der FM4-Website. Dem möchte ich nichts mehr hinzufügen.

Außer vielleicht noch, dass der Film, der vom heimischen Kinopublikum aus nicht nachvollziehbaren Gründen leider weitgehend ignoriert wurde, beim deutschen Label Alamode Film auf DVD veröffentlicht wurde. Mit Audiokommentar von Michael Glawogger und Deleted Scenes.

Das Vaterspiel Bild 1
Das Vaterspiel Bild 2
Das Vaterspiel Bild 3
Das Vaterspiel Bild 4
Das Vaterspiel Bild 5
FAZIT:

Michael Glawogger, Österreichs vielseitigster Filmemacher hat sich selbst übertroffen mit dieser stockdüsteren Verfilmung eines Gegenwarts-Romans von Josef Haslinger. Ein Meisterwerk von einem Psychothriller-Drama um zerstörte Familien, Schuld, Angst, Gewalt und menschliche Abgründe unter dem langen Schatten der unaufgearbeiteten Vergangenheit.

WERTUNG: 9 von 10 Eimer Nazi-Scheisse.
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Slumming
Slumming
KOMÖDIE/DRAMA: A, 2005
8/10
Nacktschnecken
Nacktschnecken
PORNO-KOMÖDIE: A, 2003
5/10
Workingmans Death
Workingmans Death
DOKUMENTARFILM: A, 2005
9/10
Contact High
Contact High
KOMÖDIE: A, 2009
8/10
Dein Kommentar >>
Andreas | 06.01.2010 10:24
So, endlich auch gesehen (im sogar ausverkauftem (!) Votiv Kino).

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SPOILER!
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Der jüdische Ankläger spielt meiner Ansicht nach keine Hintergrundrolle, sondern ist im Gegenteil zentral für die Quint-Essenz des Films, nämlich den Gegensatzbogen der Charaktere: Er sucht den Mörder seines Vaters, Ratz will seinen Vater ermorden. Will also das genaue Gegenteil.

Der Nazi hat tausende umgebracht ohne Reue, genausowenig wie Ratz beim tausendfachem (virtuellem) Mord an seinem Vater. Am Ende schafft es der Jude nicht, den Mörder-Nazi zu belangen und Ratz Vater stirbt auch von selbst.

Und erst am Schluss zeigen beide etwas von Reue, Läuterung und Erlösung gibt es aber dadurch keine.

======
Tolle Geschichte, hat mir sehr gefallen!

7/10 toten Rehen auf der Straße
Harald | 06.01.2010 10:44
ausverkauft? schön, daas zu hören. vielleicht ist das land doch noch nicht ganz verloren.
sorry, bin politisch und kulturell gerade im apokalypse-modus :(
Andreas | 06.01.2010 11:22
als kärntner solltest du dich eigentlich eh schon im POST-apokalypse-modus befinden. :-)
>> antworten
hanhasan | 05.12.2009 01:42
ich kann nich finden untertitel aus deutsch.welche internet site ist gut in deutsche untertiteln
>> antworten
Nic | 29.11.2009 23:34
hat interessante momente, wirkt mir aber zu amateurhaft zusammengeschustert. vorallem die david-lynch-typische musikalische untermalung passt überhaupt nicht. dennoch sehenswert -> 7/10
Harald | 30.11.2009 06:47
olga neuwirth ist bekanntlich bekennender lynch-fan; hat u.a. lost highway als vorlage für ein musiktheater verwendet.
>> antworten
Nic | 02.10.2009 00:41
glawogger scheint ja dauerbeschäftigt zu sein ;) wird ein pflichttermin an einem kalten winterabend nach dem punsch *g*
Ralph | 02.10.2009 01:58
Verdammt, ich werds kaum schaffen, das Buch davor noch zu lesen :(
Harald | 02.10.2009 10:37
In der Presseinfo sagt Glawogger, er hat das 600-Seiten-Buch für unverfilmbar gehalten. Auf der Leinwand sehen wir deshalb nicht alles - sondern lediglich jene Bilder, die beim Lesen in seinem Kopf entstanden sind.
Schöne Herangehensweise, finde ich. Diese Einsicht, dass Literatur und Kino unterschiedliche Kunstformen sind. Die man nicht vergleichen kann. Die sich aber gegenseitig inspirieren können.

Aber ich höre schon die Besserwisser matschgern, dass der Film der Komplexität des Buches - nona - nicht gerecht wird. So what?
Nic | 02.10.2009 12:02
Die sollten herr der ringe gucken ;)
Ralph | 07.10.2009 11:01
Wer traut sich eigentlich einmal über eine Herr der Ringe Kritik? Das wär vielleicht was für unseren "Epiker" Bernhard... :-)
Andreas | 26.11.2009 19:08
Wenn ich die "Herr der Ringe"-Kritik mach', dann bekommt der nur 5,5 von 10 Goldsäcken aus dem Filmreibach und dann regen sich wieder alle auf. Drum lass ich's gleich :-)
Nic | 27.11.2009 01:08
gib ihm doch 6,5 für jackson's mühen und cate blanchett, dann sollten alle zufrieden sein (mit dir) ;)
Ralph | 27.11.2009 15:58
5,5? Hmm. Was?!!!!! (Frag ich mal so als nicht unbedingt riesiger HdR Fan?)
Andreas | 27.11.2009 16:06
Goldsäcken. Behältnis, in denn Gold drinnen ist, Plural.
valentin | 28.11.2009 15:43
Ich finde schon das man hin und wieder gemerkt hat das die Geschichte als Buch besser Funktioniert. ´Trotzdem sehr individueller, einamliger und stimmiger Film. 8/10
Bernhard | 30.11.2009 00:04
Yikes, PROTEST! :) Ich lass mich ja gern Besserwisser schimpfen, schließlich bin ich ja auch einer, aber unabhängig davon muss ich die Buch-besser-als-Film-Fraktion ein wenig verteidigen.

Nicht generell, nein, viele von denen bringen diese Sprüche ja sowieso nur, um etwas pseudo-intelligentes zum Film zu sagen und so zu tun als wären sie die Bücherwürmer schlechthin. Das Buch haben sie natürlich nie gelesen. Viel schlimmer noch, ich hab diese "Aber das Buch war besser"-Sprüche schon bei Filmen gehört, zu denen es gar keine Romanvorlage gab.

Meist sind das dieselben, die ständig wichitge Originalversion-Sprüche ablassen, obwohl ihnen klar sein sollte, dass jeder weiß, dass ihre Englischkenntnisse bei weitem nicht für einen Filmgenuss in OV ausreichen.

Ja, die gibt es. Und es gibt auch die Fratkion, die die Bücher wirklich gelesen hat, und die trotzdem, ebenfalls um intelligenter zu wirken, grundsätzlich die Buchvorlage besser finden.

Und es gibt auch die, die es wirklich ehrlich meinen und die halt oft den Unterschied der beiden Kunstformen noch nicht so ganz verstanden haben.

Trotzdem: die Diskussion halte ich bei JEDER Verfilmung einer Buchvorlage für gerechtfertigt. Und da kann man auch zum Schluss kommen, dass der Film der Vorlage nicht gerecht wird.

Und das hat nichts damit zu tun, ob der Film sich zu 100 % an der Vorlage orientiert. Natürlich ist mir klar dass aber genau das von vielen erwartet wird, die Herr-der-Ringe-Trilogie kam hier schon zu Wort und ist ein perfektes Beispiel: nirgends sonst wurden sogar in den Film nicht übernommene Beistriche aus dem Buch heftigst diskutiert. Und das ist Schwachsinn, ja! Wäre die filmische Umsetzung noch näher an Tolkiens Vorlage gewesen, diese Ring-Filmchen wären noch schlechter, als sie es ohnehin geworden sind (gemessen an Oscars, Kritiken etc.).

Und deshalb ist das, was Glawogger sagt, schon richtig und trifft so ziemlich den Punkt.

Aber NEIN, die Diskussion darf und muss trotzdem geführt werden.

Mein Lieblingsbeispiel ist hier immer Kubricks Shining: toller Film, zweifelsohne, aber gemessen an der Buchvorlage eine Katastrophe. Nicht weil Kubrick die Vorlage nicht zu 100 % übernommen hat - nein! Es geht vollkommen ok, dass er der Meinung war, dass der Film etwas weniger Horror und etwas mehr Thriller benötigt. Bin ich sowieso dafür weil Stephen King-Vorlagen meist völlig über-horrorfiziert werden.

Er hätte sogar noch viel mehr davon machen können. Denn auf seinem Weg vom Buch zum Film ist er leider inkonsequent geworden. Einerseits wärs ihm wohl lieber gewesen, einen reinen Psycho-Thriller aus dem Stoff zu machen, andererseits wollte er aber scho ein wenig Horror-Zeug aus der Vorlage übernehmen ... und irgendwo da ist sich Kubrick völlig verlaufen.

Er hat einen Film geschaffen, der die Seele der Vorlage komplett zerstört hat. Er nennt den Film "Shining", er thematisiert über den ganezn Film das Shining - doch er verändert die Geschichte so, dass genau dieses Shining für den Film, für die Story überhaupt keine Relevanz mehr hat. Es ist nur da, weils halt in der Buchvorlage stand. Und weils zufällig der Titel des Buches und des Films ist.

Und deshalb muss das IMHO bei jedem Film, der sich an einem Buch orientiert, disktuiert und angesprochen werden (sofern der Kritiker das BUch gelesen hat, geht ja bei weitem nicht immer, leider). Mit der richtigen Herangehensweise und der richtigen Erwartungshaltung natürlich. Ein Film kann und soll sowohl der Seele als auch der Komplexität eines Buches entsprechen, aber er muss das natürlich auf anderem Wege erreichen, als das ein Buch tut. Mit einer ohnehin niemals erreichbaren 100%-Kopie auf Film ist das natürlich nicht möglich.

Und bevor ich da jetzt weiter Zeit ins Kommentieren vergeude, sollte ich vielleicht endlich mal eine Shining-Review schreiben, die fehlt hier immer noch schmerzlich :) und ich hab filmtipps in letzter Zeit ohnehin zu sehr (aber gewzungener Maßen) vernachlässigt :)

Nur Herr der Ringe, Ralph, gibts von mir nicht ... dazu fehlt mir die Kompetenz weil ich erstens Fantasy so überhaupt nich leiden kann, und zweitens auch nicht eine Zeile der Tolkien-Vorlage gelesen habe, um das Buch-Thema zu besprechen :)

Aber danke für den "Epiker"-Titel, ich denke mal das ist als Kompliment zu verstehen ;))
Andreas | 30.11.2009 01:53
HDR reviews gibts außerdem ohnehin schon wie hobbits in neuseeland - also mehr als genug. da fänd ich das von shining eh interessanter...
Federico | 17.12.2009 02:29
was hacken alle hier auf HErr der Ringe rum?? der is toll!
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