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Das Wiegenlied vom Totschlag

Das Wiegenlied vom Totschlag

OT: Soldier Blue
WESTERN: USA, 1969
Regie: Ralph Nelson
Darsteller: Candice Bergen, Peter Strauss, Donald Pleasence, John Anderson

STORY:

Als Indianer einen von Soldaten eskortierten Geldtransport angreifen, überleben nur der junge Soldat Honus und die hübsche Cresta, gerade jüngst aus indianischer Gefangenschaft befreit, den Überfall. Gemeinsam versuchen sich die beiden durch die Wildnis bis zum nächsten Fort durchzuschlagen, wo man schon den Vergeltungsschlag gegen die Indianer plant. Dieser wird unrühmlich als das "Sand-Creek-Massaker" in die Geschichte eingehen...

KRITIK:

Die weiße Fahne wird ignoriert - Feuer frei! Brennende Tipis. Weinende Kinder. Das Schreien der Sterbenden. Im vollen Gallopp prescht ein Kavallerist in der blauen Uniform der Nordstaaten durch das verheerte Indianerdorf. Sein Säbel trennt einer unbewaffneten Indianerin den Kopf von den Schultern. Frauen werden vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt und ermordet. Köpfe auf Fahnenspitzen gespießt, gefallene Krieger von weißen Soldaten skalpiert.

"Der härteste Western aller Zeiten" entpuppt sich jedoch ziemlich rasch als das Gegenteil einer auf Splatter und Krawall gebürstete Bleioper. SOLDIER BLUE -hierzulande freilich besser unter seinem deutschen Verleihtitel DAS WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG bekannt - ist ein durchaus diskussionswürdiges filmisches Mahnmal wider brutaler militärischer Übergriffe auf eine wehrlose Zivilbevölkerung.

Der von Ralph Nelson im Jahre 1969 gedrehte Western basiert ausdrücklich auf das historisch verbriefte Massaker aus dem Jahre 1864, welches US-Kavalleristen an einem Stamm der Cheyenne am Sand Creek verübt hatten. In der Mehrzahl waren es Frauen, Kinder und Greise, die sich unter den zahlreichen indianischen Opfern befanden.

Ebenso gut jedoch könnte SOLDIER BLUE als Protestantwort auf das My Lai-Massaker betrachtet werden. Nur ein Jahr vor Drehbeginn hatten amerikanische Soldaten im südlichen Vietnam ein Dorf ausgemerzt. Auch dort ist es zu barbarischen Übergriffen auf die wehrlose Zivilbevölkerung gekommen. Auch dort gab es am Ende unzählige Tote zu beklagen; zumeist Frauen und Kinder. Der Mensch lernt nicht aus seinen Fehlern. Geschichte wiederholt sich. Phrasen, sicher. Aber leider wahr.

DAS WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG beginnt mit einem Indianerüberfall und einem Gemetzel an US-Soldaten und endet mit dem eingangs beschriebenen unmenschlichen Vergeltungsschlag. Dazwischen liegt ein Überlebensmarsch durch eine unglaublich schön fotografierte wilde amerikanische Landschaft. Und eine zart knospende, manchmal sogar witzige Romanze. Da ist ein junger Soldat, dessen Ideale am Ende gnadenlos im Blut ersäuft werden und die vielleicht stärkste Frauenfigur, die ich bislang in einem Western erleben durfte. Candice Bergen und Peter Strauss, ein Traumpaar, das so rührig und sympathisch spielt, dass wir ihnen das Happy End von ganzen Herzen wünschen. Obwohl wir wissen, dass es ein solches in einem Film, der die Bestie Mensch in Zeiten des Krieges behandelt, niemals geben wird.

Für sein Entstehungsjahr hat DAS WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG einige äußerst drastische Szenen in petto, doch scheinen diese in keinem Moment selbstzweckhaft oder gar spekulativ zu sein. Im Gegenteil - der Aufschrei gegen sinnlose Gewalt und Grausamkeit wirkt grundehrlich. Wahrlich nicht jeder Genrefilm, der vorgibt eine Message zu haben, kann das von sich behaupten.

Das Wiegenlied vom Totschlag Bild 1
Das Wiegenlied vom Totschlag Bild 2
Das Wiegenlied vom Totschlag Bild 3
Das Wiegenlied vom Totschlag Bild 4
Das Wiegenlied vom Totschlag Bild 5
FAZIT:

Oft wird DAS WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG auf seine für ihr Entstehungsjahr durchaus grausamen Szenen reduziert, welche ihm den Ruf als "härtester Western aller Zeiten" eingebracht haben. Dabei ist Ralph Nelsons Werk in seinem Aufschrei gegen von amerikanischen Soldaten verübten Massenmorde wie die historisch verbrieften vom Sand Creek, 1864, oder jene von My Lai (Vietnam, 1968) viel mehr Mahnmal denn Exploitation. Und erzählt nebenbei eine süße Liebesgeschichte. Die allerdings ebenso drastisch endet wie dieser Film auch mit dem romantisch verklärten Bild von der Besiedlung Amerikas durch den weißen Mann, aufräumt, welches der klassische amerikanische Western so lange und selbstbetrügerisch zu zeichnen nicht müde geworden ist...

WERTUNG: 9 von 10 brennenden Zelten
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
Erich H. | 18.02.2013 20:25
Fein. Endlich auch einmal kein Italo-Western, der trotzdem gegen die üblichen US-Western gestriegelt war. Und gut und richtig beurteilt. Die 9 stehen im locker zu.
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