SCIENCE-FICTION: BRD 1974, 1976
Regie: Rainer Erler
Darsteller: Silvano Tranquilli, Dieter Laser, Peter Fricke, Loumi Iacobesco, Eva Renzi
Das blaue Palais ist ein zurückgezogener Ort, in dem Wissenschaftler aufgrund geheimnisvoller Finanziers nach Belieben forschen können. Doch so sehr sie sich mit einer möglichen Zukunft auch beschäftigen, sie stoßen dabei an Grenzen, die für sie undurchdringlich bleiben.
DAS BLAUE PALAIS ist eine legendäre Fernsehreihe aus den großen Tagen des europäischen, öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Es soll - und das ist keine Einzelmeinung - eine der, wenn nicht die beste Science-Fiction-Serie sein, die hierzulande entstand.
Ein Teil des Ruhmes, dem diese Serie vorauseilt, ist sicher in seiner Seltenheit begründet. Jahrelang existierte die Serie nur als wehmütige Erinnerung - oder als VHS-Kassette in bescheidener Qualität, aber zu astronomischen Preisen. Beides trieb den Betrachtern die Tränen in die Augen, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen.
36 Jahren nach der Erstausstrahlung kann man DAS BLAUE PALAIS nun auf DVD bewundern. Heutzutage fällt natürlich sofort die recht behäbige Erzählweise auf. Das Tempo ist gedrosselt und überfordert niemanden. Die eigentliche Geschichte jeder neunzigminütigen Folge ließe sich auch bequem in 30 Minuten erzählen. Umso mehr Zeit bleibt damit für Zwischentöne, für die Charaktere, ihre Motive und ihre Gedanken. Die Bilder sind zudem auf das Wesentliche reduziert. Forschung kann - auch in Grenzbereichen - sehr nüchtern ausfallen. Höhepunkte, so sie die Story hergibt, werden unspektakulär inszeniert.
Das alles ist Lichtjahre von den aufputschenden Schnittstakkatos und einpeitschender Spannungsmusik heutiger TV-Produktionen entfernt. Damit unterläuft Rainer Erler natürlich jede Erwartungshaltungen. Zugleich ist aber genau das der Schlüssel zur Serie. Denn Erler inszenierte bewusst zurückhaltend, um seine Zuschauer zu überzeugen, nicht, um sie zu überrumpeln.
Dabei erzählt er seine Geschichten nicht selten aus mehreren Blickwinkeln und verleiht ihnen damit mehr Objektivität. Es gibt für ihn nicht eine Wahrheit, sondern immer nur ein Austausch von Wahrheiten. Zudem sollten wissenschaftliche Berater den Hypothesen und Spekulationen ein Fundament geben. DAS BLAUE PALAIS bewegt sich im Grenzland zwischen Fakten und einer aus damaliger Sicht durchaus möglichen Fiktion.
Und Erler stellt diese zugleich in Frage. Er zeigt, dass der Mensch bei seinem Tun nicht nur an eine Grenze der Erkenntnis stößt, sondern vor allem auch an moralische und ethische Grenzen. Die Serie widerlegte damit den bloßen Fortschrittsglauben und kommt am Ende zu einer sehr realistischen Einschätzung, wer von Forschung eigentlich profitiert.
Allerdings ist DAS BLAUE PALAIS auch selbst auf der Suche und genügt seinen eigenen Ansprüchen nicht immer. Erler findet die Balance erst im Laufe der Zeit. Zwischenzeitlich driftet er ins Belanglose, Oberflächige oder erklärt einfach zu viel und zu lang. Doch am Ende war sein Experiment, dem Fernsehen etwas Neues zu schenken, erfolgreich.
Die legendäre Science-Fiction-Reihe DAS BLAUE PALAIS ist ein ausgegrabenen Fossil des deutschen Fernsehens. In unserer heutigen Zeit wirkt die entschleunigte und undramatische Erzählweise wie ein ausgestorbener Dinosaurier, der nicht so recht weiß, warum man ihn wiederbelebt hat. Lässt man sich aber darauf ein, entsteht mit zunehmender Laufzeit eine Sogwirkung und eine Ahnung davon, welche Sensation die Serie damals gewesen sein muss.