PSYCHOTHRILLER: GB, 1963
Regie: Francis Ford Coppola
Darsteller: William Campbell, Luana Anders, Bart Patton, Eithne Dunn
Die durchtriebene Louise hat ein Problem. Nach dem letzten Willen ihres Gatten John fällt ihr dessen Vermögen erst nach dem Ableben der sich noch bester Gesundheit erfreuenden Schwiegermutter zu. Daher bekniet sie John jeden Tag das Testament zu ihren Gunsten zu ändern. Doch bevor es dazukommt, erleidet John einen tödlichen Herzanfall. Louise lässt die Leiche verschwinden und reist alleine zu Johns Familie nach Irland. Denn dort findet just das alljährliche Familientreffen zum Gedenken an Johns Schwester statt, die als Kind im Teich ertrunken ist. Louise erklärt das Fehlen ihres Mannes mit einer Geschäftsreise und will den morbiden Anlass dazu nutzen, auch Johns Mutter loszuwerden. Doch mitten in die perfiden Pläne platzt ein unheimlicher Killer mit einer Axt ...
Auch ein Francis Ford Coppola ist nicht einfach vom Himmel gefallen, auf einem Regiestuhl in Hollywood gelandet und hat gleich filmgeschichtliche Meilensteine wie APOCALPYSE NOW oder DER PATE erschaffen. Auch die Karriere dieses großen Filmschaffenden fing einmal klein an. Und zwar irgendwo in Irland und mit einem Budget von vergleichsweise mickrigen 30.000 Dollar aus der Tasche Roger Cormans...
Wie andere namhafte Kollegen (siehe Spielberg {mit DUELL, DER WEISSE HAI}, Jackson {BAD TASTE, BRAINDEAD} oder Raimi {THE EVIL DEAD}) war Francis Ford Coppola zunächst in den abseitigeren Genres tätig. Der Film, den der damals vierundzwanzigjährige Francis Ford Coppola 1963 im Auftrag von Cormans (vor allem wegen der stimmungsvollen Poe-Verfilmungen bekannt gewordenen) B-Movie-Schmiede "American International Pictures" in Irland mit kleinen Mitteln drehen durfte, ist der vorliegende DEMENTIA 13.
DEMENTIA 13 präsentiert sich als Mixtur aus klassischem Psychothriller und Schauerfilm, die darüber hinaus in Gestalt eines unheimlichen Axtmörders sogar noch waschechte Slasher-Elemente besitzt. Mit dem kurz zuvor entstandenen Hitchcock-Klassiker PSYCHO teilt sich DEMENTIA 13 nicht nur die Schwarz/weiß-Fotografie. Nach einer halben Stunde verbeugt sich Coppola vor dem Meister mit einer herrlich komponierten Mordsequenz, die in Sachen Ausführung, Zeitpunkt und vor allem in der überraschenden Delinquentenwahl ganz offensichtlich Janet Leighs berühmt-berüchtigter letzten Dusche huldigt.
Die Auflösung, wer (oder was) auf dem irischen Herrensitz umgeht, gibt es erst ganz am Ende der kurzen, aber knackigen 71 Minuten und doch bezieht DEMENTIA 13 den Großteil seiner Spannung nicht etwa aus der (für Genrebuffs ohnehin leicht durchschaubaren) Whodunit-Komponente, sondern vor allem aus der gespenstischen Atmosphäre, die Coppola in den ausgesucht düsteren Locations und unter gekonntem Einsatz von Ronald Steins stimmiger Filmmusik zu kreieren versteht. Der Geist des ertrunkenen Mädchens scheint allgegenwärtig und manifestiert sich in einigen herrlich morbiden Szenen, die Puppen und Mädchenkleider in den Fokus rücken ebenso wie in der Trauer und den Traumata der Hinterbliebenen.
Ohnehin durchweht DEMENTIA 13 -ganz nomen est omen- eine Aura des dümpelnden Irrsinns und präsentiert seine Darstellerriege als eine Schar undurchsichtiger, skrupelloser oder labiler Personen, die sich trotz kleinerer schauspielerischer Mängel als perfekte Belegschaft für einen Psychothriller mit deutlichem Gruseleinschlag entpuppen. Und genau ein solcher ist DEMENTIA 13 und sicherlich nicht der Schlechteste.
Dass Coppola in einem Genrebeitrag aus den frühen Sechzigern auf Atmosphäre setzt, ist nicht verwunderlich; allerdings überrascht angesichts des Produktionsjahres die Ruppigkeit mancher Szenen. Der Axtmörder verrichtet sein Werk mitnichten nur im Off, sondern lässt auch gerne mal in Großaufnahme einen Kopf rollen oder schleift eine blutüberströmte Leiche durchs Gras. Sicherlich ist das mit dem Härtegrad späterer Genreexzesse nicht vergleichbar, aber Gänsehautpotenzial hat sie trotzdem: diese fies zelebrierte, im Gedächtnis bleibende "Corpse on a hook"-Szene am Ende eines Films, den ich an dieser Stelle vor allem Genretraditionalisten ans Herz legen will.
Zu guter Letzt noch ein bisschen Trivia zur Cast: Darsteller Patrick Magee bekleidete später Hauptrollen in Kubricks CLOCKWORK ORANGE und Fulcis THE BLACK CAT. Und Second Unit Director Jack Hill tat sich später als Regisseur vieler Filme der Blaxploitation-Wildkatze Pam Grier hervor.
In diesem Frühwerk aus dem Jahr 1963 huldigt ein blutjunger Francis Ford Coppola Hitchcocks PSYCHO und anderen klassischen Psychothrillern mit deutlicher Gruselschlagseite. Doch er bietet nicht nur durchtriebene Erbschleicherinnen und die Geister, die ein vor vielen Jahren in einem Teich ertrunkenes Mädchen rief, sondern auch einen unheimlichen Axtmörder. Dabei ist die ausgesucht düstere mit Wahn und Schuldgefühlen aufgeladene Atmosphäre fast spannender als die Frage nach dem Who-(or what-)dunit...