ANTIHEIMATFILM: D, 1978
Regie: Ernst Ritter von Theumer
Darsteller: William Berger, Maria Beck, Herb Andress
Die junge Annerl verliebt sich in den gleichaltrigen Zigeuner-Buben Joschi. Vor ihren Eltern hält sie die unschuldige Pubertätsromanze geheim, denn diese wollen Zigeuner am liebsten tot sehen - im Wortsinne ...
Wenn es einen Oscar für den irreführendsten Verleihtitel gäbe, wäre DER IRRE VOM ZOMBIEHOF ein aussichtsreicher Kandidat. Und das kam so: Die Dreharbeiten begannen unter dem Arbeitstitel BLUTRAUSCH. Ins Kino kam der Film unter dem unschuldigen Titel DAS MÄDCHEN VOM HOF, doch das Publikum glänzte durch Abwesenheit. Die Produzenten versuchten die Verluste zu begrenzen. Ein neuer Titel musste her: Mit DIE TODESSCHMECKER wollte man das Horrorpublikum ansprechen. DAS TAL DER GESETZLOSEN sollte auf die Westernfans zielen. Beides ohne Erfolg. Man schreib das Jahr 1978, und George A. Romeros DAWN OF THE DEAD, in Deutschland bekanntlich nur als ZOMBIE betitelt, ließ die Kinokassen klingeln. Was lag näher, als den Film abermals umzubenennen und als DER IRRE VOM ZOMBIEHOF auf den boomenden Videomarkt loszulassen?
Es ist nicht überliefert, welches Gesicht deutsche Videokunden machten, als sie in Erwartung eines zünftigen Zombie-Reißers dieses Band in den Rekorder schoben. Es gibt zwar einen Irren im Film, aber weit und breit keine Zombies. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne. Wohl aber hirnamputierte, triebgesteuerte Kreaturen, denen die Dumpfheit und Brutalität aus allen Poren quillt. Und dann fließt Blut. Viel Blut, das die FSK-18er-Freigabe durchaus rechtfertigt.
Aufmerksam geworden bin ich auf dieses Kleinod bundesdeutscher Exploitation-Filmkunst durch einen Text des Filmgelehrten Christian Keßler, dessen vergnügliches Büchlein WURMPARADE AUF DEM ZOMBIEHOF in keinem filminteressierten Haushalt fehlen sollte. Lange Zeit kursierte der Film lediglich als Videokassette, die auf Sammler-Auktionen Höchstpreise erzielte. Und nun hat sich ein mir bislang unbekanntes Label namens Mr. Banker Films einer DVD-Auswertung angenommen. Logisch, dass ich noch in der Minute bestellte.
Wie wollen wir den Irren vom Zombiehof nun einordnen? Heimat-Horrorfilm? Alpen-Western? Alpin-Exploitation? Die Schauspieler sind jedenfalls ziemlich gut - William Berger und Herb Andress sind auch einschlägig bekannte Namen. Die Inszenierung ist solide, die Bilder ansprechend und atmosphärisch, sofern man die Schönheit der alpinen Bergwelt zu schätzen weiß. Das Ambiente ist herb-rustikal, man glaubt den Duft nach Schweiß und Kuhstall fömlich riechen zu können. Und dann diese irren Gewaltausbrüche: Als wäre der Geist von Sam Peckinpah in eine aus dem Ruder gelaufene Bauerntheater-Aufführung gefahren, wo sich irgendwann alle gegenseitig an die Gurgel gehen.
Hinter dem Regie-Pseudonym Richard Jackson verbirgt sich Ernst Ritter von Theumer, ein österreichischer Filmproduzent, der in Bälde seinen hundertsten Geburtstag feiern wird. Sein filmisches Sündenregister umfasst unter anderem einen Frauengefängnisaufenthalt mit Linda Blair (READ HEAT - UNSCHULD IN KETTEN, 1985) und eine Rambo-artige Dschungel-Expedition mit der österreichischen Hollywood-Exilantin Sybill Danning (JUNGLE WARRIORS, 1984). Ja, das waren wilde und politisch nicht besonders korrekte Zeiten. Gerade deswegen erscheint es mir wichtig anzumerken, dass sich DER IRRE VOM ZOMBIEHOF als klar anti-rassistisches Werk lesen lässt.
Schöner als ich es je formulieren könnte, bringt es Christian Keßler in seinem Buch auf den Punkt: "Der Film führt vor, was unter der heimischen Scholle so alles an Dumpfem wabert, was raus will, und wenn es rauskommt, dann fließt Blut in Strömen [..] Sieht man den Film als politische Allegorie, könnte man das ganze Nachkriegsdeutschland als Zombiehof begreifen, in dem Gastarbeiter behandelt werden wie der letzte Dreck. [..] Mir fällt auf Anhieb keine andere deutsche Produktion ein, die ein ähnlich wütendes Bild vom Landleben geschaffen hat im Rahmen eines kommerziellen Kinofilms."
Ein so klingender Titel weckt natürlich eine gewisse Erwartungshaltung: Zombies im eigentlichen Sinne gibt es zwar keine in diesem alpinen Drama, wohl aber brutale Bauernlümmel, die schnapstrunken das Wiegenlied vom Totschlag singen. Wäre Sam Peckinpah in den Alpen aufgewachsen, hätte er solche Filme gemacht. Wer - entfernt - vergleichbare Anti-Heimatfilme wie JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN oder auch DIE SIEBTELBAUERN schätzt, sollte sich die DVD bestellen.
PS: Wem Landschaft und Zungenschlag bekannt vorkommt: Gedreht wurde in Kitzbühel.