DOKUMENTARFILM: D, 2013
Regie: Mo Asumang
Darsteller: Mo Asumang, Tom Metzger u. a.
Die Filmemacherin Mo Asumang hat einen Vater aus Ghana und eine deutsche Mutter. Sie ist in Kassel geboren. Sowohl ihr Großvater als auch ihre Großmutter waren in der SS. Aufgrund ihrer Hautfarbe bekam sie eine Morddrohung der Berliner Neonaziband "White Arien Rebels". Was sie dazu veranlasste, dem Begriff Arier mal genauer auf den Grund zu gehen.
"Was machen Sie hier? Wofür demonstrieren Sie?" Fast schon naiv erscheinen ihre Fragen, als sie sich bei einer Neonazidemonstration unter die Rassisten mischt. Klar, da fällt sie auf. Keiner ist bereit mit ihr zu sprechen, sie wird gebeten sich hier zu entfernen. Zwei Männer bauen sich vor ihr auf und drängen sie ab. "Kuscheln wollte ich heute eigentlich nicht", entgegnet sie. Später bekommt sie doch noch "hilfreiche" Tipps wie das aussehen könnte mit dem Sich-Entfernen. In einem Interview zu ihrem Dokumentarfilm erzählt sie, dass sie anfangs mit Kamera- und Tonmännern zusammengearbeitet hat, jedoch dabei schnell die Situation eskalierte und ihr Team angegriffen wurde. Weshalb sie später nur noch mit Frauen zusammenarbeitete, da war die Hemmschwelle größer.
Was diese unglaublich eindringliche und absolut sehenswerte Dokumentation auszeichnet, ist Mo Asumangs Herangehensweise. Sie nähert sich den Neonazis erst einmal unvoreingenommen, soweit das möglich ist. Sie unterhält sich mit ihnen und stellt die einfachen Fragen, über die sich anscheinend von ihnen noch niemals jemand Gedanken gemacht hat. Sie gibt "dem Schwarzen", "dem Juden", "dem Ausländer" ein Gesicht. Macht diese Archetypen zu einem menschlichen, fühlenden, intelligenten Wesen, das nun vor "dem Nazi" steht und mit ihm spricht. Sicherlich der beste Weg um diesem Hass entgegenzutreten. Hass erzeugt Gegenhass, auf dieses Spiel lässt sie sich nicht ein, würde es doch den Rassisten nur noch mehr Nahrung geben.
Sehr schlau nähert sie sich diesem schwierigen Thema und fällt dabei nicht in die Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Falle. Eindringlich folgen wir als Zuseher ihrem Weg, der ein stückweit auch die Aufarbeitung ihrer eigenen Familiengeschichte ist. Gerade der Begriff des Ariers ist für sie Leitmotiv. Was ist eigentlich ein Arier? Die Menschen auf der Straße wissen dazu nur wenig zu berichten. Hat sich doch in ihren Köpfen die Nazipropaganda verankert. Tatsächlich habe ich vor einigen Jahre selbst mal den Begriff des Ariers nachgeschlagen, weil ich wissen wollte wie genau den dieses Wort definiert wird und wo es seinen Ursprung hat. Ich würde jedem Mal raten es selbst nachzuschlagen. Mo Asumang kommt dem auch auf den Grund und trifft die echten Arier. Die doch so gar nichts gemein haben mit dem Bild, das Hitler geschickt, bis heute, in unseren Köpfen verankert hat.
Ihr Weg führt sie von Deutschland, über den Iran bis nach Amerika. Wo der Hass auf Ausländer ganz andere Dimensionen angenommen hat. Und dabei begibt sie sich in nicht ganz ungefährliche Situationen oder wie ein Freund von mir sagte: "... aber die ist echt hart drauf!" Sie trifft dabei Mitglieder des Ku-Klux-Klan und den Ultrarechten Tom Metzger. Das Gespräch mit ihm ist harter Tobak und obwohl ich ihn schon kannte und einige Interviews mit ihm gesehen hatte, war ich doch erneut schockiert über die Ideale dieses Mannes. In der Tat ist dieses Gespräch der beiden, unter vielen großartigen Momenten im Film, einer der stärksten. Am Ende umarmt er sie, nicht ohne den Hinweis, dass er geliefert ist, wenn das nun jemand fotografiert. Dann geht er seinen Weg, um weiter seine Hasspropaganda zu verbreiten: "In Deutschland würde ich für das was ich hier sage 10 Jahre mindestens bekommen."
Was diesen Film nun so unglaublich sehenswert macht ist die unverfälschte Art, die einfache Herangehensweise. Die zwar naiv wirkende, aber tatsächlich sehr intelligente Aufarbeitung einer Begrifflichkeit und ihrer Folgen. Die wahrhaftige "Leichtigkeit" mit der Asumang vorgeht. Sie ist sich dieses Hasses durchaus bewusst, sie erkennt jedoch, dass er aus einer Angst heraus resultiert. Sie verteufelt nicht, sie möchte schlicht und einfach wissen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Dieser Weg führt nur über die Menschen, über das Gespräch und nicht über die generelle Parole: "Nazis sind scheiße!" Sie ist überzeugt, ich übrigens auch, dass man dem brauen Sumpf nur so Herr werden kann. Das Erschreckende ist nämlich nicht wie eingeschränkt die Menschen sind, sondern wie wenig sie bereit sind über den Tellerrand zu schauen und ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden.
So trifft sie am Ende einen Aussteiger, der offen von seiner Zeit bei den Neonazis erzählt. Am Schluss des Gespräches schafft er es sie anzusehen. Er schafft es seine eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden, sich seine Fehler einzugestehen und voran zu gehen, zu lernen aus seinen Fehlern, weil er begonnen hat seine Einschränkungen hinter sich zu lassen, weil er angefangen hat nachzudenken. Weil wir alle anfangen sollten nachzudenken, egal über was.
Der Film Die Arier ist in der Mediathek von Arte zu sehen. Außerdem am Donnerstag, 15. 5., um 9 Uhr, auf Arte.
Mo Asumangs Dokumentation Die Arier nähert sich sehr intelligent dieser Begrifflichkeit und geht unvoreingenommen an das Thema Rassismus heran. Mo unterhält sich mit "dem Nazi" und gibt dabei "dem Schwarzen", "dem Juden" und "dem Ausländer" ein Gesicht, macht ihn zu einem denkenden, fühlenden Wesen. Sie fällt dabei nicht in die Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Falle und zeigt, dass das wirklich Erschreckende nicht ist, dass viele Menschen so eingeschränkt sind in ihrem Denken, sondern dass sie nicht einmal auf den Gedanken kommen ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden. Dabei kann jeder von uns etwas dazu beitragen dem braunen Sumpf Herr zu werden - das fängt nämlich schon im Kleinen an, an dem Punkt wo sich der Sitznachbar in der Bahn über "den Ausländer" beschwert und man nicht stillschweigend daneben sitzt, sondern so besonnen und schlau reagiert wie Mo Asumang und ein Gespräch beginnt.