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Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam

Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam

OT: La Notte che Evelyn uscì dalla tomba
GIALLO: ITALIEN, 1971
Regie: Emilio Miraglia
Darsteller: Anthony Steffen, Erika Blanc, Marina Malfatti

STORY:

Nicht genug, dass sich das rothaarige Schuckelchen Erika Blanc in Lackstiefeln jauchzend auspeitschen lässt, nein, der Herr des Hauses verdreht ihr danach auch noch den Kopf. Im wahrsten Sinne. Lord Cunningham hat den Tod seiner geliebten Ehefrau offensichtlich nicht so ganz verkraftet, dafür aber eine kranke Phantasie, zu viel Geld, einige Leichen im Keller und eine ganz eigenartige Vorstellung von Verhaltenstherapie.

KRITIK:

DIE NACHT IN DER EVELYN AUS DEM GRAB KAM ist zweifelsohne einer der abgedrehtesten Gialli ever. Wenn bereits nach knapp fünf Minuten die Kamera losgelöst durch das düstere Schloss schwirrt und ebenso verquer wie originell die Perspektive kippt oder durch Lampenschirme filmt, dann ist das das filmische Äquivalent zum verquasten Innenleben des Lords. Einen Sprung in der Schüssel wäre noch schöngeredet, er braucht anscheinend regelmäßig käufliche Damen mit roten Haaren, die stellvertretend für seinen Verlust leiden müssen. Lästige Zeugen werden dabei mit entsprechend hohen Geldern mundtot gemacht, und die Familie hält ohnehin dicht.

Wer anfangs glaubt, einem aus dem Ruder gelaufenen Psychiatrieexperiment beizuwohnen, liegt nicht ganz falsch, aber nach einem Twistgewitter ist nichts mehr so, wie es scheint. Schon zur Hälfte des Films kippt die Story in eine ganz andere Richtung. Denn der Lord heiratet überstürzt das erste Mädel, das nicht schnell genug Nein sagen kann, entführt es auf sein Schloss - und aus dem dreckigen Stück harter SM-Erotik wird eine Hommage an Hitchcocks romantischen Thriller REBECCA.

Schon bei der Ankunft im Schloss zitiert EVELYN Einstellung für Einstellung Joan Fontains erste Begegnung mit Manderley. Der Schatten der verstorbenen Frau liegt wieder einmal über der jungen Beziehung, und jenes berühmte gemalte Portrait hat eine mindestens ebenso verstörende Wirkung wie das Bildnis der ersten Mrs. de Winter. Scheinbar ist die Gattin von den Toten auferstanden und das düstere Geheimnis ihrer Vergangenheit ist REBECCA nahezu wörtlich entnommen. Sogar der Cousin und damit das schwarze Schaf der Familie findet seine Entsprechung.

Nun kann man aber EVELYN auch ohne Kenntnis der Anspielungen sehr gut goutieren. Obgleich die Geschichte manchmal etwas chaotisch wirkt und vielleicht auch nicht jeder Twist Sinn ergibt, spannend ist sie allemal. Die Ausstattung ist chic pur und stylish bis zum abwinken, und es wird genug nackte Haut gezeigt. Die Klamotten atmen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft der 70er, die Damen nutzen zudem jede Gelegenheit, tief ausgeschnittene Tag- und Nachtwäsche zu zeigen, nur um sich dieser zu entledigen.

So sleazy das vordergründig erscheint und so wenig der deutsche Kinotitel DIE GROTTE DER VERGESSENEN LEICHEN es nahelegt - der Film ist deutlich intelligenter, als er vorgibt. Zwar ist Erika Blancs erster Auftritt im Film eine morbide Stripszene, bei der sie aus einem Sarg steigt - aber damit nimmt sie exakt den weiteren Verlauf der Handlung vorweg. Immer wieder wird zudem mit der Erwartungshaltung des Zuschauers gespielt. Der Film lässt bewusst Lücken in der Narration, die die Fantasie schließen muss, und er vertraut darauf, dass genau das auch geschieht. Wie sicher das Spiel mit den Sehgewohnheiten inszeniert ist, zeigt sich jedoch erst rückblickend.

Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam Bild 1
Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam Bild 2
Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam Bild 3
Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam Bild 4
Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam Bild 5
Die Nacht, in der Evelyn aus dem Grab kam Bild 6
FAZIT:

DIE NACHT, IN DER EVELYNE AUS DEM GRAB KAM verbindet ganz einträchtig niedersten Sleaze-Trash mit hochwertiger Giallo-Eleganz und schwarzen Handschuhen. Ein blendend erzähltes, trickreiches Stück Trivialkino, bei dem so manches Fetischherz zu klopfen beginnt.

WERTUNG: 8 von 10 Adam-und-Eva-Spielen im Schlosspark
TEXT © Marcel
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