OT: House of Usher
HORROR: USA, 1960
Regie: Roger Corman
Darsteller: Vincent Price, Mark Damon, Myrna Fahey, Harry Ellerbe
Um seine Verlobte Madeline Usher zu sich nach Hause zu holen, kommt der junge Phillip Winthrop zum düsteren Familiensitz der Ushers. Madelines unheimlicher Bruder Roderick scheint etwas dagegen zu haben. Winthrop weigert sich ohne Madeline zu gehen und schwört unbeabsichtigt eine Katastrophe herauf, die zum Untergang des fluchbeladenen Hause Usher führen wird ...
KRITIK:Freilich kannte ich ihn nicht persönlich, aber Edgar Allan Poe scheint mir ein etwas seltsamer Zeitgenosse mit einem höchst morbiden Gemüt gewesen zu sein. Einen anderen Schluss lässt ein Blick auf sein Oeuvre kaum zu. Wie ein roter Faden ziehen sich die abseitigsten Themen durch sein gesamtes Werk. Betörende, junge Frauen, die in der Blüte ihrer Schönheit aus dem Leben scheiden. Gramgebeugte trauernde Liebhaber, die daraufhin bedenkliche nekrophile Tendenzen aufweisen. Dazu kommen unterschwellig inzestuöse Strömungen und die tiefe Angst vor dem Lebendig Begrabenwerden.
Poes Kurzgeschichte "The Fall of the House of Usher" aus dem Jahr 1839 eint viele der dunklen Obsessionen und Ängste des Schriftstellers auf einigen wenigen Seiten.
Als sich der amerikanische Filmproduzent Roger Corman in den 60ern Jahre anschickte, eine Reihe von Poe-Werken zu verfilmen, war es naheliegend, dass er gerade diese Geschichte als erstes adaptiert hat.
Die Inszenierung von HOUSE OF USHER (aka THE FALL OF THE HOUSE OF USHER aka DIE VERFLUCHTEN) hat der erklärte Poe-Verehrer Corman anno 1960 selbst übernommen. Wie so ziemlich alles aus der Schmiede seiner Firma AIP ist auch dieser Film eine Low-Budgetproduktion. Ungeachtet dessen hat Corman es aber geschafft, eine großartige Schaueratmosphäre zu kreieren. Darüber hinaus hat er vor und hinter der Kamera einige Prominenz versammelt.
Richard (Autor von I AM LEGEND, THE LEGEND OF HELL HOUSE) Matheson hat das Drehbuch und Les Baxter die schaurig-schwülstig-schöne Musik geschrieben. Mark Damon, der insbesondere die Freunde des italienischen Genrekinos - sei es aus Gialli, Western, Horror- oder Sandalenfilmen - wohl bekannt sein dürfte, spielt den jungen Winthrop, seines Zeichens letzter Gast, den das dem Untergang geweihte Haus Usher je wieder beherbergen wird.
Niemand Geringeres als die große Horrorfilmlegende Vincent Price verleiht dem mysteriösen und morbiden Hausherren Roderick Usher seine brillant- dunkle Theatralik. Was hätte da schon schiefgehen können?
Sicherlich sind DIE VERFLUCHTEN kein Adrenalinkino. Action wird ganz klein geschrieben. Atmosphäre ist alles! Aber ist nicht eben die das Sahnehäubchen auf dem Filmabend jedes Connaisseurs des altehrwürdigen klassischen Horrorkinos? Richtig - und hier gibt es viel Sahne!
Der überwiegende Teil aus dem reichen Fundus der von Roger Corman produzierten Filme sind aus purem kommerziellen Gewinndenken entstanden; das ist bekannt und auch nicht weiter verwunder- oder verwerflich. Doch es ist davon auszugehen, dass Corman in seine Edgar Allan Poe-Adaptionen weit mehr Herzblut als in seine anderen Projekte investiert hat. Schließlich zählt der B-Moviepapst zu den erklärten Verehrern von Poes Werk.
HOUSE OF USHER zeigt deutlich, dass Corman mit diesem Film nicht nur Geld verdienen, sondern auch unbedingt der literarischen Vorlage gerecht werden wollte.
DIE VERFLUCHTEN ist Poe in bewegten Bildern. Corman trifft den Ton der Poe'schen Essenz punktgenau. Vordergründige Schocks finden sich keine im Hause Usher. Es herrschen unterschwellige Dekadenz und schleichender Wahnsinn. Nichts Greif- oder Zeigbares; eher Diffuses aus der düsteren von Erpressern, Huren und Mördern besiedelten Familiengeschichte der Ushers. Die letztere wird in den wahrlich brillanten Filmminuten visuell dargestellt, als der seltsame Hausherr dem Besucher Winthrop die bizarre Ahnengalerie zeigt. Gänzlich ohne Action und Budenzauber werden die Schatten um das Hause Usher dichter. Mit jeder Filmminute steigt die Gewissheit, dass es in diesem trostlosen Schloss kein Happy End geben wird ...
Eine verstörende, gespenstische Schlusssequenz besiegelt letztendlich den bereits im Titel prophezeiten Untergang des Hauses Ushers und Cormans atmosphärisch fulminanten Einstieg in die abseitige Welt des Edgar Allan Poe!
Mit HOUSE OF USHER (aka DIE VERFLUCHTEN) stieg Roger Corman atmosphärisch fulminant in seine mit diesem Film beginnenden Reihe seiner Edgar Allan Poe- Verfilmungen ein. Für Fans moderner Horrorfilme eher ungeeignet; für Genretraditionalisten, Poe-Liebhaber und Freunde gepflegter morbider Schauermähren praktisch ohne Alternative.