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Die Vermessung der Welt

Die Vermessung der Welt

DRAMA: Deutschland, 2012
Regie: Detlev Buck
Darsteller: David Kross, Florian David Fitz, Jérémy Kapone, Albrecht Schuch

STORY:

Der Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777-1855) und der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) sind die größten Wissenschaftler ihrer Zeit. Der introvertierte Einzelgänger Gauß (Florian David Fitz) verlässt nur äußerst ungern seine Wahlheimat Göttingen. Das muss er auch nicht, denn die wahren Abenteuer finden für ihn in seinem Kopf statt. So revolutioniert er von einem kleinen Zimmer aus die Mathematik. Das aus äußerst ärmlichen Verhältnissen stammende Genie ist jedoch gezwungen für seinen Lebenserhalt auch als Landvermesser zu arbeiten. Alexander von Humboldt (Albrecht Schuch) entstammt hingegen dem Großbürgertum. Er wurde bereits als kleines Kind zusammen mit seinem Bruder Wilhelm mittels einer Vielzahl an Hauslehrern zu späteren Großtaten gedrillt. Nach dem Tod seiner dominanten Mutter begibt sich Alexander von Humboldt auf große Forschungsreisen nach Amerika und Asien. Gegen Ende seines Lebens lädt er Gauß zu einem Forscherkongress nach Berlin ein, wo sich die beiden erstmalig bewusst begegnen. Doch Gauß sieht weder in diesem Kongress, noch in den weiteren Projekten des mittlerweile berühmten von Humboldt einen tieferen Sinn.

KRITIK:

Der im Jahre 2005 erschienene Roman "Die Vermessung der Welt" des deutsch-österreichischen Autors Daniel Kehlmann wurde schnell zu einem weltweiten Bestseller und ist bereits eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Bücher der Nachkriegszeit. Die fiktive Doppelbiografie zeichnet sowohl Gauß, als auch Alexander von Humboldt als alles andere, als umgängliche Zeitgenossen. Dem Genie, das sie in ihren Werken zeigen, steht in beiden Fällen eine Vielzahl an Marotten und an ernsthaften menschlichen Unzulänglichkeiten gegenüber.

Auch die weiteren im Buch auftauchenden großen Persönlichkeiten der damaligen Zeit werden von Daniel Kehlmann allesamt auf mal mehr und mal weniger subtile Art und Weise durch den Kakao gezogen. Die gesamte Epoche wird als äußerst widersprüchlich gezeichnet. Einer gewaltigen Anzahl an bahnbrechenden wissenschaftlichen und künstlerischen Errungenschaften steht eine Gesellschaft gegenüber, die extrem konservativ, hierarchisch und in zum Teil absurden Formalitäten gefangen ist. Auch scheinen die vielen neuen Entwicklungen und Entdeckungen selten zu einem konkreten Nutzen für die Allgemeinheit zu führen. Man entwirft revolutionäre neue wissenschaftliche Theorien und macht sich an "Die Vermessung der Welt". Doch zugleich laufen die meisten Menschen mit einer Vielzahl an Zahnlücken durchs Leben, da die einzige "Behandlung" von Karies im Ziehen der Zähne ohne Narkose besteht.

Natürlich musste es früher oder später unweigerlich zu einer Verfilmung des Romans kommen. Nun hat der vorrangig für seine Komödien bekannte Regisseur Detlev Buck das Buch für die große Leinwand adaptiert. In seinen Händen wurde DIE VERMESSUNG DER WELT zu einem sehr schön gefilmten Historienfilm in 3D. Der Autor Daniel Kehmann war am Drehbuchs beteiligt und kommentiert das Geschehen auf seine ihm eigene lakonische Art aus dem Off.

Die Verfilmung hält sich relativ eng an die literarische Vorlage, wenn auch Einiges vereinfacht oder weggelassen werden musste. Manches wurde auch neu hinzugefügt und gerade an diesen Stellen zeigt sich überdeutlich das Grundproblem dieser Verfilmung. So zeigt gleich die Eröffnungsszene einen greisen und leicht vertrottelten Alexander von Humboldt auf Besuch bei einigen tibetischen Lamas, denen er erfolglos zu erklären versucht, dass er keine Toten aufzuerwecken vermag. Damit ist bereits der Grundton für alles Folgende festgelegt. Der Film konzentriert sich vor allem auf das Groteske der Erzählung und ist bemüht eine plakative Szene an die nächste zu reihen.

Das funktioniert immer da relativ gut, wo bereits das Buch besonders groteske Szenerien zeigt. So wird bereits dort Alexander von Humbolds große Amerikaexpedition als ein im zunehmenden Maße surrealer Trip geschildert. Ein penibler Preuße im Lande von Kannibalen entbehrt eben nicht eines gewissen Unterhaltungswerts. So steht dieser Teil der Erzählung auch im Zentrum des Films. Detlev Buck gelingt es hier ziemlich gut die besondere Atmosphäre des Buchs auf die große Leinwand zu übertragen. Albrecht Schuch verkörpert angemessen Kehlmanns Version von Alexander von Humbold und Jérémy Kapone ist passend besetzt als von Humboldts französischer Partner Bonpland.

Doch während es im Roman zumeist dem Leser überlassen bleibt, die zahlreichen Dissonanzen und Widersprüche als witzig zu interpretieren, tritt der Film als von allen Feinheiten und Zwischentönen entschlackte Rohfassung auf. Im Roman entsteht der Humor durch die Gegensätze zwischen geistiger Brillianz und zwischenmenschlichem Versagen, zwischen Eigenwahrnehmung und Wirklichkeit, zwischen wissenschaftlichem Fortschritt bei zugleich allgegenwärtiger Rückständigkeit. Der Film übersteigert das subtil Absurde allzu oft zur offensichtlichen Groteske und opfert die Komplexität der Charaktere im Buch nur zu gern der so entstehenden platten Komik.

Als Gauß im Buch zum Zahnarzt muss, nutzt der Autor diese Episode dazu den Gegensatz zwischen Gauß´ innerer Welt und der ihn umgebenen Realität herauszustellen. Gauß verzweifelt daran, dass er in einer Epoche leben muss, in der es bei allem wissenschaftlichen Fortschritt noch keine Zahnbehandlung gibt, die diesen Namen verdient. Stattdessen muss er sich seinen schmerzenden Zahn ohne Betäubung und bei erbärmlichen hygienischen Bedingungen einfach ziehen lassen, wobei ihm als Krönung auch noch der falsche Zahn gezogen wird. Gauß ist sich sicher, dass diese Zustände in nur 200 Jahren Vergangenheit sein werden und sieht auch sofort, dass man hierzu zuerst eine Möglichkeit zur lokalen Betäubung finden müsste. Fazit dieser Szene im Buch: Das Übergenie Carl Friedrich Gauß ist seiner Zeit um 200 Jahre voraus. Im Film lässt Gauß am Ende der betreffenden Szene zwar auch diese Gedanken anklingen. Jedoch gehen diese in dem zuvor breit ausgewalzten Gespucke und Gesplattere fast unter. Fazit dieser Szene im Film: Wie gut, dass der Zuschauer bequem bei Popcorn und bei Nachos über die Trottel im Film lachen kann.

Und während Gauß im Buch mit messerscharfen Verstand und ohne jede Rücksichtnahme alle und alles um ihn herum gnadenlos analysiert und seziert, ist der von Florian David Fitz verkörperte Gauß nicht viel mehr, als ein netter und ein wenig weltfremder Sunnyboy. Es kommt kaum heraus, dass Gauß nicht umsonst als eines der größten Genies aller Zeiten gilt. Man vermutet, dass dieser mit seinem Gesamtwerk - also zusammen mit seinen unzähligen unveröffentlichten Notizen - die Mathematik im Alleingang um circa 200 Jahre vorangebracht hat. Nur im Kontrast zu Gauß erscheint das Werk Alexander von Humboldts als vergleichsweise unbedeutend. Davon abgesehen gilt auch jener immerhin als geistig auf einer Ebene mit Männern wie z.B.Galileo Galilei.

Bei Detlev Buck erscheint von Humboldt als ein reiner arbeitssüchtiger Bürokrat, der ohne Sinn und Verstand alles vermisst und aufzeichnet, was ihm vor die Linse kommt. Bei Kehlmann entsteht der Witz gerade aus der Gegenüberstellung des Genies und der persönlichen Marotten von Gauß und von Alexander von Humboldt. Im Gegensatz zum Autor konzentriert sich Detlev Buck alleine darauf die komischen Seiten der beiden Forscher darzustellen und diese dann auch noch zusätzlich zu überzeichnen. Doch da, wo die einstige Subtilität und die innere Komplexität fehlen, verkommt die ursprünglich dem Roman eigene Ironie streckenweise zur reinen Farce.

Die Vermessung der Welt Bild 1
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Die Vermessung der Welt Bild 3
Die Vermessung der Welt Bild 4
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Die Vermessung der Welt Bild 9
Die Vermessung der Welt Bild 10
FAZIT:

Daniel Kehlmanns fiktiver Roman "Die Vermessung der Welt" zeichnet anhand der Biografien von Carl Friedrich Gauß und von Alexander von Humboldt ein Bild der Zeit der deutschen Aufklärung, das gleichermaßen geistreich wie amüsant geraten ist. Obwohl der Autor direkt in die Verfilmung seines Buches involviert war, konzentriert sich Detlev Bucks Version von DIE VERMESSUNG DER WELT alleine auf die komischen Aspekte der Personen und der Geschichte. Das Ergebnis ist durch den Kontrast zwischen der Schönheit und der optischen Tiefe der 3D-Bilder und der Eindimensionalität der Figuren und der Flachheit des Drehbuchs bestimmt.

WERTUNG: 5 von 10 irrtümlicherweise gezogene Zähne
TEXT © Gregor Torinus
Dein Kommentar >>
thomas | 01.11.2012 10:12
Was ich mich die ganze Zeit Frage welchen Menschen die Idee kam den Film in 3D zu drehen.
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