OT: Mississippi Grind
DRAMA / ROAD MOVIE: USA, 2015
Regie: Anna Boden, Ryan Fleck
Darsteller: Ben Mendelsohn, Ryan Reynolds, Sienna Miller, Analeigh Tipton
Der abgehalfterte Glücksspieler Gerry (Ben Mendelsohn) lebt von der Hand in den Mund und hetzt von einem Casino zum nächsten - meistens ohne Erfolg. Als er dem charismatischen Curtis (Ryan Reynolds) begegnet, glaubt er, in ihm einen Glücksbringer gefunden zu haben. Curtis hingegen ist eher das Gegenteil: ein Reisender ohne Wurzeln, der zwar gerne spielt, aber nie wirklich auf das große Ganze schielt. Gemeinsam begeben sie sich auf einen Roadtrip den Mississippi hinunter - von Iowa bis nach New Orleans - mit dem Ziel, bei einem hochdotierten Pokerspiel das Blatt endgültig zu wenden. Unterwegs treffen sie auf verschiedene Gestalten, verlieren mal Geld, mal den Verstand und kommen dabei sich selbst gefährlich nahe. Gerry glaubt, das Glück ließe sich erzwingen. Curtis hingegen erkennt, dass es manchmal besser ist, rechtzeitig auszusteigen.
Was "Mississippi Grind" so besonders macht, ist seine ruhige, fast melancholische Erzählweise. Statt auf Spannung oder actionreiche Casino-Szenen zu setzen, konzentriert sich das Regieduo Boden und Fleck auf die Beziehung der beiden Hauptfiguren. Gerry und Curtis sind keine Helden - sie sind gescheiterte Existenzen, auf der Suche nach etwas, das sie selbst nicht benennen können. Und genau deshalb bleibt man als Zuschauer dran. Die Kameraarbeit ist zurückhaltend, fast dokumentarisch, und begleitet die beiden Männer auf staubigen Landstraßen, in verrauchten Pokerlounges und billigen Motels.
Der Soundtrack, durchzogen von Blues und Country, verstärkt die Stimmung einer Welt, in der Glück nur einen Würfelwurf entfernt scheint - aber oft genauso schnell wieder verschwindet. Glücksspiel-Filme gibt es viele, aber selten eines, das so ehrlich mit der Sucht, der Hoffnung und der Verzweiflung seiner Figuren umgeht. Mississippi Grind wirft einen ungefilterten Blick auf das Innenleben eines Spielers: das Adrenalin, die Schuld, das Verlangen - alles ohne moralischen Zeigefinger, aber auch ohne Verklärung.
Dabei ist besonders Ben Mendelsohn herausragend. Sein Gerry wirkt verloren, aber nicht bemitleidenswert. Ryan Reynolds überrascht mit einer zurückhaltenden, fast philosophischen Darstellung - fernab seiner üblichen Glanzrollen. Im Gegensatz zu Casino-Blockbustern wie 21 oder Molly's Game ist hier alles kleiner, dreckiger, echter. Wer die Welt der Hochglanz-Spielhallen sucht, ist hier fehl am Platz. Stattdessen zeigt der Film Spielhallen am Straßenrand, abgegriffene Chips und leere Versprechungen - aber eben auch flüchtige Freundschaft und das seltsame Gefühl, dass man noch eine letzte Chance verdient.
Die Reise durch den amerikanischen Süden wird zur Fahrt durch Sehnsucht, Einsamkeit und Selbsttäuschung - mit einem Ende, das ruhig, bittersüß und irgendwie versöhnlich daherkommt.
Mississippi Grind ist kein Film über das Gewinnen, sondern über das Weiterspielen. Ein ruhiges, melancholisches Road Movie, das unter die Haut geht und lange nachwirkt. Für alle, die sich für Charakterstudien und menschliche Abgründe interessieren - ganz ohne Las-Vegas-Glamour, aber mit viel Atmosphäre und Authentizität. Die Reise mag nicht alle Fragen beantworten, aber sie zeigt, dass Glück manchmal weniger mit Geld zu tun hat - und mehr mit dem Menschen, der neben einem sitzt. Ein Film, der bewusst auf leise Töne setzt und damit umso lauter wirkt. Produziert von A24.