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Full Metal Jacket

Full Metal Jacket

KRIEG: UK/USA, 1987
Regie: Stanley Kubrick
Darsteller: Matthew Modine, Adam Baldwin, Vincent D'Onofrio, R. Lee Ermey, Dorian Harewood

STORY:

Wir begleiten den jungen Private Joker von seiner Ausbildung zum United States Marine bis hin zu seiner Dienstzeit als Kriegsberichterstatter in Vietnam zur Zeit der Tet Offensive.

KRITIK:

Ich gebe es ganz offen und ehrlich zu – auch wenn ich damit wohl viele abschätzige Blicke ernten werde, aber so ist das Leben – ich bin kein großer Freund Kubricks. Ich habe bei weitem nicht alle seine Filme gesehen, aber eine Handvoll sind es durchaus, denn ansonsten könnte ich mir ja kein Bild von seinem Schaffen machen. Das ist natürlich nur eine rein subjektive Meinung, denn objektiv betrachtet muss auch ich – und das tue ich ohne, dass es mir irgendwie schwerfallen würde – zugeben, dass Kubrick ein wahres Händchen fürs Kino hatte. Seine Filme sind technisch wohl über viele Zweifel erhaben. Aber letztlich muss ich doch zu dem Schluss kommen, dass Kubrick und ich keine Freunde mehr werden, dass mir seine Filme einfach nicht gefallen wollen und sie wohl nie in der Liste meiner Lieblingsfilme auftauchen werden. Bis auf einen:

FULL METAL JACKET. Dieser Film wird auf ewig seinen Platz in meiner Bestenliste innehaben, geht es um Kriegsfilme, dann macht er sogar mit Leichtigkeit den ersten Platz klar. Denn näher an die – auch heute noch menschenverachtende – Ausbildung zum United States Marine kommt man wohl nur, wenn man sich einschreibt und selbst aus dem Bus steigt um in Parris Island bereits fünf Minuten später auf den gelben Fußmarkierungen das erste Mal stramm zu stehen und sich von seinem Drill Sergeant kleiner als eine Mikrobe machen zu lassen.

Denn das United States Marine Corps will keine Roboter, es braucht Killer – wie Private Joker im Voice Over so treffend anmerkt –, denn nur Killer werden in dem gefährlichen und blutigem Fleischwolf namens Vietnam auch nur den Hauch einer Chance haben. Um aus einfachen und normalen Menschen eben diese Killer zu machen, muss man sie brechen, sie ihrer zivilen Persönlichkeit und ihrer Individualität berauben, um aus dem Nichts, das übrig bleibt, einen neuen Menschen zu erschaffen, einen tödlichen, einen gefährlichen – fast hätte ich Menschen geschrieben. Doch das sind sie nicht mehr, nicht im weiteren Sinn, denn nach ihrer Ausbildung sind sie United States Marines. Das, was man braucht, um das Feuer des Todes in diesem aussichtslosen Krieg am Brennen zu halten.

Dass man bei dieser Mission auch über das Ziel hinausschießen kann, zeigt sich sehr gut am Beispiel von Private Paula, dem dicken, etwas langsamen Tölpel, den man heutzutage wohl ausmustern würde. Doch damals war Not am Mann. Menschenmaterial musste her, egal wie. Gunnery Sergeant Hartman war stolz auf das, was er geschaffen hatte, dass er es letztlich doch schaffte, aus dem schwächsten Glied seiner Abteilung das Musterbeispiel des Marines geschaffen zu haben. Mit einer Waffe ausgestattet irgendwo im Dschungel Vietnams abgesetzt, wäre Private Paula wohl zu einer mächtigen und gefährlichen Waffe des Corps geworden. Emotionslos, soziopathisch, gefährlich. Der Body Count-Statistik hätte Paula wohl zu einem Rekord verholfen. Doch diese Ausbildung, die auf den Aufbau neuer Persönlichkeiten setzt, Persönlichkeiten, deren einziger Lebensinhalt das Töten ist, kann nach hinten losgehen.

Doch auch wer versucht sich seine Menschlichkeit zu erhalten, etwas von dem, was man mal war mithinüber zu retten in die tropischen Dschungel und die zerstörten Städte Vietnams – so wie es Privat Joker durch seinen selbstaufgebauten Schutzwall aus Zynismus versucht – wird scheitern, so zeigt es uns Kubrick. Denn die brutale Ausbildung in Parris Island ist nur die Ouvertüre, ein bitterer Vorgeschmack auf die wahre Hölle.

Hier zeigt sich Kubricks wahres Talent, indem er uns diesen hochstilisierten Reigen aus Blut und Gedärm zeigt, in Zeitlupe, unterlegt mit cooler, lässiger Musik der damaligen Zeit und doch scheint es erschreckend real zu sein, bringt uns den Krieg mit einer geradezu erdrückenden Einfachheit näher. Wer getroffen wird, fliegt nicht spagetthiwesternresque in munteren Todespirouetten durch die Luft. Nein, wer getroffen wird, fällt um, ist tot und kann die Schrecken dieses Krieges hinter sich lassen. Wer nicht das Glück hat sofort von seinem Leid erlöst zu werden, der richtet nicht erst Grüße aus an alle die er mal kennengelernt hat, als wäre er im Radio; der drückt seinen Kameraden nicht erst noch zehn Briefe in die Hand und bittet darum seiner Frau doch zu sagen, dass er sie liebt. Nein, wer tödlich getroffen wird und nicht sofort stirbt, der leidet, flucht und hofft, dass es nicht mehr lange dauert, denn die Wahrheit, die, dass er es nicht schaffen wird, hat er bereits akzeptiert.

Und wenn die Marines in kleinen Gruppen in die Städte einrücken, geduckt, Mann für Mann um die Straßen für die nachrückenden Panzer zu räumen, dann ist es still, ganz still, hört man nur das Getrappel der Kampfstiefel auf dem zerbombten Boden der kaputten Stadt, kann man die Anspannung nicht nur spüren, man kann sie förmlich schmecken. Durch die direkte Kamera, immer in Bewegung, immer nah dran am Geschehen hat man fast das Gefühl mit vorzurücken, bis man sich wieder daran erinnert, dass man nur daheim auf dem Sofa sitzt und aufatmet, wenn die nächste Szene durch ikonische Sprüche, ebenso stilisiert wie die Bilder, und exzellenten Galgenhumor etwas Entspannung bringt. Doch bequem sollte man es sich nicht machen, denn der Krieg tobt immer und nur wenig später ist man wieder mittendrin. Während man sich dann fragen kann, wie man selbst wohl reagieren würde, stellt sich für Joker in einer großartigen Szene schon bald die Frage, bleibe ich Individuum indem ich (diesmal) den Regeln des Krieges folge oder werde ich dadurch selbst zum Krieg.

Das Drehbuch zu FULL METAL JACKET ist einfach ein fantastisches Werk, das nicht nur durch eine erstaunliche Dramaturgie glänzt und die geniale Grundlage zu einem der besten Kriegsfilme aller Zeiten liefert, nein, es ist dabei auch noch äußerst realistisch, denn neben Kubrick schrieben auch noch Gustav Hasford und Michael Herr daran. Beides Veteranen dieses Dschungelkrieges, Hasford – Autor der Romanvorlage The Short-Timers – als Soldat, Herr als Kriegsberichterstatter. Herrs gonzo-journalistisches Buch Dispatches, das ich gerade lese, kann ich im Übrigen durchaus empfehlen. Doch die Authentizität des Drehbuches wird noch einmal gesteigert durch die fantastische Darstellung Lee Ermeys als gnadenloser Ausbilder Gunnery Sgt. Hartman.

Ursprünglich als technischer Berater für die Schauspieler angestellt, überzeugte der ehemalige Drill Sergeant Ermey Kubrick alsbald, dass er die perfekte Verkörperung der Figur Hartmans sei. Und so wurde der ursprünglich dafür gecastete Darsteller des Bordschützen, für den es eine Kleinigkeit ist auch auf Frauen und Kinder zu schießen – wie in Dispatches zu lesen, ist das übrigens eine Anekdote aus Herrs Vietnamdienst, der dort tatsächlich einen Schützen traf, der den Tipp gab „einfach nicht so weit vorzuhalten“. So also sprudelten Schimpftiraden aus Ermey heraus, die bitterböse und komisch zu gleich sind, aus einer niemals versiegenden Quelle kreativer, aggressiv-verbaler Möglichkeiten Rekruten zurechtzustutzen.

In diesem Sinne: „Ich bin Gunnery Sergeant Hartman und zuständig für eure Grundausbildung! Von nun an werdet ihr nur reden, wenn ihr angesprochen seid! Und das erste und das letzte Wort aus eurem dreckigen Maul wird Sir sein! Habt ihr Maden das verstanden?" – „Sir! Jawohl, Sir!" – „Bullshit! Ich hör ja nichts! Ihr habt wohl alle nur Luft im Sack?" – „Sir! Jawohl, Sir!" - "Wenn ihr Ladies meine Insel verlasst, wenn ihr meine Ausbildung überleben solltet, seid ihr eine Waffe, seid ihr Priester des Todes und betet um Krieg! Aber bis zu diesem Tag seid ihr Dreck, seid ihr die niedrigste Lebensform auf Erden, seid ihr noch nicht mal annähernd so was wie Menschen! Seid ihr nichts anderes als ein unorganisierter Haufen von amphibischer Ur-Scheiße! Ihr werdet mich nicht mögen, weil ich hart bin. Je mehr ihr mich hasst, desto mehr werdet ihr lernen! Ich bin hart, aber ich bin fair. Rassistische Bigotterie gibt‘s bei mir nicht! Ich kenne keine Vorurteile gegen Nigger, Jidden, Spaghettis, Latinos. Hier seid ihr alle zusammen gleich wertlos! Und meine Ordnung lautet, alle Schlappschwänze auszusondern, die nicht kräftig genug sind für mein geliebtes Korps! Habt ihr Maden das verstanden?" – „Sir! Jawohl, Sir!"

Full Metal Jacket Bild 1
Full Metal Jacket Bild 2
Full Metal Jacket Bild 3
Full Metal Jacket Bild 4
Full Metal Jacket Bild 5
Full Metal Jacket Bild 6
FAZIT:

FULL METAL JACKET ist ein absolut hochstilisierter Reigen aus Blut und Eisen. Ein bis ins letzte Detail perfekt inszenierter Ausschnitt aus der Hölle des Vietnamkrieges. Durch seine visuelle Perfektion, durch die gelungenen bitterbösen Dialoge, erzeugte Stanley Kubrick den Film der Filme über den Krieg in Vietnam. Selten sah Krieg im Film so gut aus, war er gleichzeitig so schmerzlich realistisch. Kubricks FULL METAL JACKET erzeugt einen Sog, der den Zuschauer von der ersten Sekunde bis zur Abblende gefangen nimmt und lässt erahnen, wie es gewesen sein muss, für die Mär der Freiheit 10.000 km weit weg in eine fremde Welt, ins exotische Vietnam, das Kleinod von Südostasien zu reisen. Auf interessante, anregende Menschen aus einer alten Kultur zu treffen... und sie zu killen.

WERTUNG: 10 von 10 Nutten die "machen Liebe laaang".
Dein Kommentar >>
an | 10.06.2013 17:57
Dieser Film brauch keine Wertung oder Kritick, den wer "Full M. Jacket" sowie "Apocalypse Now" nicht kennt, der ist ein Miserabler Filmkenner und hat definitiv was Verpasst. Ich kann es mir Erlich gesagt überhaupt nicht vorstellen das Jemand der 25 - 50 Jahre alt ist, diesen Film nicht kennt.
an | 16.06.2013 03:24
Was hast du den an Kubrik auszusetzen? würde mich mal Interresieren
>> antworten
a-l-e-x | 03.06.2013 08:21
Bei unseren Meinungen über Kubrick liegen wir ganz eng zusammen,
ich hätte aber sogar an FMJ das Ein oder Andere auszusetzen. Wie
vielen anderen erscheint mir der "Vietnamteil" des Filmes bedeutend
schwächer als der "Ausbildungsteil". Hier verschiebt sich, meiner
Meinung nach, die "psychologisierende" Darstellung der Figuren, dann
zu sehr auf eine "Psychologisierung" der Kamera selbst. Vielleicht
muss ich ihn mir aber einfach nochmals anschauen - ist schon ein
Weilchen her. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass FMJ zwar so oder so
der beste (Anti-)(Vietnam-)Kriegsfilm ist, aber trotzdem ein paar
(kleine) Schwächen hat.

Das gilt übrigens nicht für deine Kritik, die ist von Anfang bis Ende
echt klasse. Ich bin begeistert...
>> antworten
Djan | 02.06.2013 23:07
Geile rezi! Ich glaub du bist doch ein freund von kubrick ;-)
>> antworten