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Fury - Herz aus Stahl

Fury - Herz aus Stahl

OT: Fury
KRIEGSDRAMA: GB/USA, 2014
Regie: David Ayer
Darsteller: Brad Pitt, Shia LaBeouf, Logan Lerman, Scott Eastwood

STORY:

April 1945: Die Alliierten rücken von Westen auf Berlin vor. Mittendrin: Panzer-Kommandant Don "Wardaddy" Collier (Brad Pitt) und seine Jungs. Ihr Auftrag: Kämpfen und keine Gefangenen nehmen ...

KRITIK:

2014 war doch ein vollumfänglich verschissenes Drecksjahr, politisch betrachtet: Die Entstehung eines mittelalterlichen Mörderstaates und der Tod jeglicher Friedenshoffnungen in Nahost. Das Aufkommen einer breiten rechten Bürgerbewegung in Deutschland. Die Rückkehr des Kalten Krieges in Europa. Okay, ich bin generell als Berufs-Pessimist und Hobby-Apokalyptiker bekannt, aber ein wirklicher Krieg auf (west)europäischem Boden ist uns erspart geblieben. Immerhin. Auch wenn der homophobe Halbfaschist Putin den Schulterschluss mit europäischen Rechtsradikalen sucht, um das Friedensprojekt EU von innen her zu zerstören. Ja, ich weiß schon, positive Meinungen über die EU sind nicht mehrheitsfähig. Aber Fakt ist nun mal: Die Europäische Union hat uns die längste durchgängige Friedensperiode der Menschheitsgeschichte beschert. Nachdem die USA hunderttausende Soldaten auf den Schlachtfeldern Europas geopfert hatten, damit wir nie wieder mit ausgestrecktem Arm "Heil Hitler" brüllen müssen.

Nein, das war keine verspätete Neujahrsansprache meinerseits. Diese Gedanken gingen mir während des Films durch den Kopf. Dabei hatte ich ursprünglich vorgehabt, FURY - HERZ AUS STAHL absichtlich zu versäumen. Weil: Braucht es noch einen weiteren Kriegsfilm, in Zeiten wie diesen? Wurde nicht schon in Werken wie Francis Ford Coppolas APOCALYPSE NOW, Stanley Kubricks FULL METAL JACKET, Oliver Stones PLATOON oder auch Steven Spielbergs SAVING PRIVATE RYAN alles über die De-Humanisierung des Individuums durch den Krieg gesagt? Wohl wissend, dass auch der brutalste Antikriegsfilm dem Grauen eines wirklichen Krieges nicht einmal ansatzweise nahekommen kann?

Ein Aspekt an FURY machte mich dann aber doch neugierig: Der ehemalige Berufssoldat David Ayer hat einen guten Ruf als Fachmann für abgründige Polizei-Thriller ("TRAINING DAY", "END OF WATCH"). Darf man sich von diesem Regisseur einen ungewöhnlichen Zugang zum (Anti-)Kriegsfilm-Genre erwarten? Die Antwort: Ja, durchaus.

Schon nach den ersten Szenen von FURY wird klar: Krieg, das sind zerfetzte Gesichter, abgerissene Gliedmaßen, von Granaten zerfetzte, von Panzern zerquetschte, im Schlamm begrabene Körper. Im Grunde hat man das Gefühl, 120 Minuten lang live der Entstehung von posttraumatischen Belastungsstörungen beizuwohnen, wie der SPIEGEL so treffend schrieb. Nein, patriotische Heldenverehrung sieht definitiv anders aus. Und zu meiner großen Überraschung schont Ayre auch die "Guten" - also die Alliierten- kein bisschen. Ohne hier Details spoilern zu wollen, aber was Brad Pitt - im Film "Wardaddy" genannt - hier mit gefangenen Nazi-Soldaten aufführt, erfüllt eigentlich den Tatbestand des Kriegsverbrechens.

Inszenatorisch ist FURY eine angenehm klassische Angelegenheit: Keine Schnitt-Stakkatos, kein hysterisches Kamera-Gewackel, sondern eine fast schon meditative Ruhe zeichnen diesen Film aus. Die Schlacht-Sequenzen folgen konsequent der Perspektive der Panzer-Besatzung. Es stellt sich ein realistisches, klaustrophobisches Mittendrin-Gefühl ein.

Hört sich das alles nach einem starken Filmerlebnis an? Ist es auch. Aber leider haben wir die Rechnung ohne den finalen Showdown gemacht. Ohne Not kippt der bislang wirklich spannende und beklemmende Film in ein mit pathetischer Musik untermaltes Ego-Shooter-Szenario, das dem Realismus der vorangegangenen eineinhalb Stunden mutwillig ins Knie schießt. Sehr schade, das. Und noch eine Anmerkung zum Thema Realismus: Wie Brad Pitt am Schlachtfeld noch Zeit findet, seine Hipster-Frisur stets akkurat zu trimmen, bleibt auch sein Geheimnis.

Das leichenübersäte Schlussbild, das mich auf eine bizarre Weise an den finalen Moment in Lucio Fulcis THE BEYOND erinnert hat, hinterlässt dann aber doch einen dicken Kloß im Hals.

Fury - Herz aus Stahl Bild 1
Fury - Herz aus Stahl Bild 2
Fury - Herz aus Stahl Bild 3
Fury - Herz aus Stahl Bild 4
Fury - Herz aus Stahl Bild 5
FAZIT:

Über sehr weite Strecken überzeugt David Ayres Antikriegsfilm FURY als schonungslose, brutale, moralisch ambivalente Studie der Entmenschlichung des Individuums durch den Krieg. Schade nur, dass sich der stockdüstere Film am Ende selbst mit einer Überdosis Pathos ins Knie schießt. Dennoch eine Empfehlung.
In diesem Sinne: "Lassen wir uns volllaufen. Den Kater werden wir wohl nicht mehr erleben."

WERTUNG: 7 von 10 Spiegeleier zum Lunch
Dein Kommentar >>
gerritmichelle | 24.05.2015 20:43
Schon in End of Watch hat der Regisseur bewiesen, dass er keinen Plan von Waffen und deren Funktionsweise hat.In nem Kriegsfilm ist das aber sehr unangebracht, solange man den Anspruch auf Authentizität hat. Von der Inszenierung her hätte der Film als Pulp bzw Exploitation funktioniert wenn da nicht die klar erkennbare Intetion der Ernsthaftigkeit wäre.Nein niemand würde mit 4 Sherman Panzern frontal auf einen deutschen Tiger zufahren wie in einem Ritterduell, Nein Feuergefechte finden nicht wie bei die nackte Kanone auf zwei Meter Entfernung statt und Nein was im Showdown passiert...Nein. Sry da machen die abgenutzten Krieg ist dreckig und Hölle und so Klischees auch kein seriöses Ding draus. So oder so wird da kein Schuh draus.
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Medju | 21.01.2015 23:44
Bis auf den Showdown ist der Film wirklich gigantisch und hätte das Zeug zum besten (Anti)Kriegsfilm aufzusteigen gehabt.
Was auch immer der Regisseur mit diesem Ende vorhatte, er hat versagt.!!!

Trotzdem sehenswert mMn
>> antworten
jcd | 05.01.2015 17:04
gibt's hier auch mal eine kritik unter 7/10 oder findet ihr alles gut?
Harald | 05.01.2015 17:28
Von mir nicht. Ich würfel ja meine Wertungen, und zwar so lange, bis mindestens 7 rauskommt.
Harald | 05.01.2015 17:44
Nein, ernsthaft: Natürlich gibt's auch schwächere Wertungen. Gerade erst vor ein paar Tagen wurden zwei 4/10-Kritiken reingestellt.
Bei mir persönlich ist es allerdings so, dass ich relativ ungerne Verrisse schreibe. Weil die Website FilmTIPPS heißt und nicht FilmVERRISSE.
Wenn mir ein Film nicht gefällt oder ich damit nichts anfangen kann, schreib ich für gewöhnlich nichts drüber.
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