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Gefährliche Begegnung

Gefährliche Begegnung

OT: Woman in the Window
FILM NOIR: USA, 1944
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Joan Bennett, Edmund Breon, Raymond Massey, Edward G. Robinson

STORY:

Der Professor für Kriminalpsychologie Richard Wanley (Edward G. Robinson) bewundert im Schaufenster einer Kunstgalerie das Portrait einer jungen Dame. Dabei wird er von Alice Reed (Joan Bennett), dem Modell des Bildes beobachtet. Aus der Laune dieses Zufalls heraus lädt Alice Richard zu sich nach Hause ein. Doch wenig später werden die beiden von Alices Liebhaber überrascht, der Richard zu erwürgen droht. Der Professor ersticht den Mann in Notwehr mit einer Schere. Die beiden kommen nach kurzer Überlegung darin überein den Mord zu vertuschen und die Leiche zu entsorgen...

KRITIK:

Dieser Film von Fritz Lang ist im deutschsprachigen Raum unter so unterschiedlichen Titeln wie JENSEITS DER LIEBE bzw. SCHÖNE FRAUEN SIND GEFÄHRLICH bzw. DER ERPRESSER bzw. DIE FRAU IM FENSTER (die Übersetzung des Originaltitels) und eben auch unter GEFÄHRLICHE BEGEGNUNG bekannt. Unter letzterem Titel erscheint dieser kleine Klassiker des Film noirs nun erstmalig bei EuroVideo in Deutschland auf DVD.

(Hierzu eine Bemerkung am Rande: Es verwundert mich immer wieder, wie viele anerkannte Klassiker der Filmgeschichte nach wie vor noch nie bei uns auf DVD veröffentlicht wurden. Doch da man nach wie vor selbst einige der größten Klassiker des Deutschen Expressionismus aus dem Ausland bestellen muss, um diese (in einer dem Werk würdigen Fassung) als Silberling zu bekommen, überrascht es eigentlich auch nicht, dass auch viele Klassiker aus der amerikanischen Phase des gebürtigen Wieners Fritz Lang nach wie vor von dieser Nichtwürdigung betroffen sind.)

Aber wie gesagt: Zumindest im Falle von GEFÄHLICHE BEGEGNUNG schafft EuroVIDEO Abhilfe von diesem Mangel. Ihre für Mitte Februar 2011 angekündigte Veröffentlichung zeichnet sich durch einen für das Alter des Film durchaus ansprechenden Transfer aus. Allerdings bietet die DVD neben dem englischen und dem deutschen Ton, weder Untertitel, noch jedwede nennenswerte Extras.

Aber um nun endlich zum eigentlichen Film zu kommen: WOMAN IN THE WINDOW ist einer der ersten Film noirs, für die dieser Begriff schon zu Zeiten seiner Entstehung verwendet wurde. Und tatsächlich scheint der Hauptprotagonist des Film, der auf hervorragende Weise von Edward G. Robinson verkörperte Professor Richard Wanley, zunächst als der urtypische unbescholtene Bürger, der allein durch die Tücken des Schicksals in kriminelle Machenschaften verstrickt wird. Doch wenn man genauer hinschaut, dann merkt man doch sehr deutlich, dass dieser Professor dann doch nicht so unschuldig ist, wie er sich selbst gern sehen mag. Denn ab der ersten Fehlentscheidung - den Mord (aus Notwehr) nicht der Polizei zu melden - sind es alleine die von ihm selbst ganz gewusst unternommenen Schritte, die ihn immer tiefer in die Kriminalität hinein treiben.

Fritz Lang sagte zu GEFÄHLICHE BEGEGNUNG, dass ihn an diesem Film mehr die Psychologie, als die eigentliche Kriminalgeschichte interessiert habe. Und so ergibt sich auch die eigentliche Spannung dieses Film noirs weniger aus der nur sehr gemächlich voranschreitenden Handlung, als aus den inneren Konflikten des prinzipiell als sehr gutherzig gezeichneten Professors.

Dessen Konflikte werden noch durch den Umstand gesteigert, dass einer seiner zwei besten Freunde ausgerechnet der in diesem Fall ermittelnde (!) Bezirksstaatsanwalt Frank Lalor ist. So trägt es verständlicherweise nicht gerade zur Steigerung der inneren Ruhe des Professors bei, dass dieser stets aus erster Hand über das zügige Voranschreiten der Ermittlungen unterrichtet wird... Ja, gerade dieser spezielle Umstand sorgt für einige wahrlich groteske Situationen, die eine gute Dosis schwarzen Humors in den Film hinein bringen.

Am Ende gibt es dann noch eine überraschende Wendung, welche nicht jedem gefallen wird. Insbesondere die damaligen Kritiker empfanden diese wohl vorrangig als recht billig. Und in der Tat handelt es sich dabei um eine Änderung, die auf Wunsch des Studios am ursprünglichen Drehbuch vorgenommen wurde. Aber ich fand doch, dass gerade dieser Kniff wunderbar zu einem Film passt, der sich mit den Ängsten eines vermeintlich unbescholtenen Bürgers befasst.

Zu dem Thema dieser Ängste des einfachen Bürgers schrieb der Kritikerkollege Spencer Selby auf seiner Website "Noir of the Week" eine dermaßen bestechende Analyse zu diesem Film, dass ich diese hiermit einmal kurz zusammenfassen will:

Laut Spencer kann man WOMAN IN THE WINDOW als einen ironischen Kommentar auf die Wirkungsmechanismen des gerade auch von Fritz Lang (und natürlich von Hitchcock) entwickelten "subjektiven" Thrillers verstehen. Seiner Ansicht nach spielen diese Filme alle mit den Ängsten ihrer im Herzen als konservativ bezeichneten Betrachter, die sich durch eine Furcht vor wahrer Freiheit manifestiert. Anstatt also im reellen Leben tatsächliche Wagnisse einzugehen, schauen die Menschen lieber Thriller. Diese Filme schaffen nicht nur einen Ersatz für aus Angst nicht gemachte eigene Erfahrungen, sondern enden in der Regel auf eine Weise, die die Zuschauer zusätzlich in ihrer bereits vorhandenen Angst bestärkt!

Gefährliche Begegnung Bild 1
Gefährliche Begegnung Bild 2
Gefährliche Begegnung Bild 3
Gefährliche Begegnung Bild 4
Gefährliche Begegnung Bild 5
FAZIT:

Der Film GEFÄHLICHE BEGEGNUNG ist ein auf den ersten Blick eher unscheinbarerer Klassiker des Film noirs. Dieser Film von Fritz Lang besticht tatsächlich nicht gerade durch eine rasant voranschreitende Handlung. Die Spannung ist hier mehr rein psychologischer Natur. Aber gerade in seinen psychologischen Implikationen, z.B. in der Analyse der äußerst feinen Linie, die gut von böse trennt, und in seiner Analyse der Ängste des einfachen Bürgers (sprich des Zuschauers !!!) ist dieser kleine Film seiner Zeit weit voraus. - Viele werden sicherlich auch das Ende als bei den Haaren herbei gezogen kritisieren. Ich selbst vermute hier jedoch die versteckte Inspirationsquelle für Brian de Palmas Neo-Noir FEMME FATALE (2002) gefunden zu haben.

WERTUNG: 8 von 10 gefährliche Begegnungen mit Frauen am Schaufenster
TEXT © Gregor Torinus
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