OT: Tales from the Crypt
HORROR: GB, USA, 1972
Regie: Freddie Francis
Darsteller: Peter Cushing, Joan Collins, Ian Hendry, Patrick Maggee
Während einer Besichtigungstour durch eine alte Katakombe verlieren vier Männer und eine Frau den Anschluss an ihre Gruppe und finden sich in einem isolierten Gewölbe wieder. Plötzlich schiebt sich wie von Geisterhand eine Felsplatte vor den Eingang. Dann heißt der Crypt Keeper höchstpersönlich das verdutzte Quintett willkommen. Und wir treuen Stammabonnenten von William M. Gaines' kultigen EC-Comics wissen nun ganz genau wie der Hase laufen wird: Fünf eiskalte Sünder erwartet die infernale Retourkutsche ...
In den 60ern und 70ern Jahren stand die im englischen Middlesex beheimatete Filmgesellschaft Amicus in scharfer Konkurrenz zu den wesentlich bekannteren Hammer Studios. Wie der legendäre Rivale konzentrierte sich auch die von Milton Subotsky und Max Rosenberg gegründete Produkionsfirma auf klassischen Horror, wobei Amicus' Superkraft seit jeher im Episodenfilm lag. Dafür konnte das zweitgrößte auf feinen britischen Nostalgie-Grusel ausgerichtete Studio im Empire nicht nur auf verdiente Hammer-Regisseure wie Freddie (DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN, DRACULAS RÜCKKEHR) Francis oder Roy Ward Baker (GRUFT DER VAMPIRE, DAS GRÜNE BLUT DER DÄMONEN) zählen, sondern hatte sogar Zugriff auf dessen Ikonen. Sowohl Peter Cushing als auch Christopher Lee, ja sogar Mircalla Karnstein herself Ingrid Pitt hatten ihre Auftritte in schmissigen Amicus-Anthologien wie DIE TODESKARTEN DES DR. SCHRECK, DER FOLTERGARTEN DES DR. DIABOLO, TOTENTANZ DER VAMPIRE oder den in unseren Heiligen Hallen bereits besprochenen ASYLUM.
Da man sich bei Amicus erwiesenermaßen darauf verstand, gleich mehrere abseitige Geschichten in einer Spielfilmlänge unterzubringen, war es nur logisch, dass diesem Studio die Ehre zuteil wurde, noch lange vor der kultigen TV-Serie oder George A. Romeros CREEPSHOW die ersten GESCHICHTEN AUS DER GRUFT auf Film zu bannen. Die TALES FROM THE CRYPT basieren auf der gleichnamigen Comic-Reihe from the twisted mind of Bill Gaines und jeder, der auch nur einen Funken Horrorliebe in sich trägt, schätzt eben diese für ihre ausgesucht bitterbösen Pointen.
Und damit kommen wir endlich zum Eingemachten. Die ersten GESCHICHTEN AUS DER GRUFT lernen unter der Expertise von keinem Geringeren als Freddie Francis das Laufen. Eine Kamerafahrt über einen Friedhof. Dazu Bachs Toccata in stockfinsterem D-Minor. Runter geht's zum Crypt Keeper...
...den Auftakt bestreitet das auch mit seinerzeit 40 Lenzen auf der Brust noch ziemlich hotte DENVER CLAN-Biest Joan Collins in ihrer weihnachtlichen "And All Through the House / Stille Nacht, blutige Nacht" -Episode, der auch das Aka "Drauß von der Irrenanstalt komm ich her..." gut gestanden hätte. Die Tanne ist geschmückt, die Geschenke schön verpackt. Der Geruch von feinem Gebäck und frischem Blut weht durch den Raum. Denn just zu Weihnachten hat die Schwarze Witwe Joan ihren arglosen und viel älteren Ehemann hundsgemein ums Eck gebracht. Was sind schon all die mit Liebe verpackten Broschen und Parfümfläschchen gegen die großzügige Lebensversicherungspolice des Alten? Doch wenn am End' des Heilig' Abends die Weihnachtsglöckchen leis verklingen, wird nicht nur der Galan tot unter dem Christbaum liegen... - Mit dieser ohne viel Dialog auskommenden, aber von stoisch intonierten Weihnachtsliedern unterlegten Episode gelingt Freddie Francis ein kurzer, aber knackiger Einstand nach Maß in seinen nach den TODESKARTEN und dem FOLTERGARTEN dritten Episoden-Horrorfilm für Amicus. Und diese Episode ist nicht nur von besinnlicher Musik erfüllt, sondern auch ganz und gar mit dem herrlich makabren wie zynischen Geist der alten EC-Comics beseelt.
Die Segmente 2 ("Reflection of Death / Spiegelbild des Todes") und 4 ("Wish you were here / Drei Wünsche") sind eher die kleinen Intermezzos zwischen den beiden Hauptakten 3 und 5 und inhaltliche Verbeugungen vor Lovecrafts Kurzgeschichte Der Außenseiter und noch mehr William Wymark Jacobs' Affenpfote. Beide Episoden sind ganz nett gemacht, aber die jeweiligen Pointen liegen schnell auf der Hand, wenn man die literarischen Vorbilder kennt. In "Reflection of Death" gibt es ein Wiedersehen mit Ian Hendry, der im unvergessenen THEATER DES GRAUENS einen auf Vincent Price' Abschussliste stehenden Kritiker gespielt hat. In "Drei Wünsche" werden all diejenigen unter euch erhört, die sich eine abgeschlagene Hand, ein Kilo Kutteln und ewige Höllenqualen gewünscht haben.
In der längsten Episode "Poetic Justice / Poetische Gerechtigkeit" hat endlich der legendäre Peter Cushing seinen Auftritt. Die Hammerschmieden-Jünger kennen ihn als furchtlosen, holzpflockschwingenden Vampirjäger Van Helsing; die STAR WARS-Fans als hageren, eiskalten Todesstern-Offizier Tarkin. Die wenigsten dürften ihn bislang als armen, aber herzensguten Witwer erlebt haben, der sich um streunende Hunde kümmert und es liebt, Kindern eine Freude zu machen. Genau dies jedoch ist sein Part im dritten Segment der TALES FROM THE CRYPT. Obwohl der alte Witwer Grimsdyke keiner Fliege etwas zu leide tut, ist er ein Dorn im Auge seines Nachbars; einem stinkreichen wie schnöseligen Berufssohn. Der sieht in dem alten Spielzeugbastler mit seinen Hunden nur einen Schandfleck für das gehobene Wohnviertel. Da der Witwer sich jedoch weigert, sein Haus zu verkaufen, weil es soviele Erinnerungen an die gemeinsamen glücklichen Jahre mit seiner verstorbenen Ehefrau Helen bergt, greift der skrupellose Berufssohn zu härteren Bandagen. Systematisch ruiniert er den Ruf seines gutmütigen Nachbars, nimmt ihm alles, was ihm lieb und teuer ist und treibt den alten Mann ausgerechnet am Valentinstag in den Selbstmord. Doch diese Herzlosigkeit soll nicht ungesühnt bleiben und Sohnemann erwartet am nächsten Valentin ein Gruss aus dem Jenseits...- Die Episode mit einem herzzerreißend gutmütigen Peter Cushing, einem hundsgemeinen Schnösel und der schauerlichsten Zombie-Maske des ganzen Films ist sicherlich ein Highlight dieser Sammlung, wobei Freddie Francis sich das Beste (im Sinne von das Perfideste) für den Schluss aufgehoben hat.
Zuguterletzt erwartet uns nämlich die im Original herrlich zynisch betitelte "Blind Alley". Diese Geschichte um den neuen Direktor einer Blindenanstalt, der seine betagten, gebrechlichen Zöglinge bei rigidem Sparkurs hungern und frieren lässt, während er mit Lieblingsschäferhund Shane bei prasselndem Kaminfeuer und edelstem Wein dinniert, mündet in einen teuflischen Todesparcour, der geradewegs aus einem von Jigsaw höchstselbst verfassten Heimwerkerkatalog stammen könnte - quasi Hornbach für Sadisten; mit schönem Gruß vom Crypt Keeper.
Apropos Crypt Keeper... der ist in seiner Kinopremiere noch nicht der lustige, zynische Sprüche raushauende und dabei teuflisch lachende Untote der späteren Adaptionen, sondern lediglich der altehrwürdige Sir Ralph Richardson barfuss in Mönchskutte. Was ebenso lahm wirkt wie überhaupt die ganze Rahmenhandlung; eben jene haben Amicus in ihren früheren Anthologien doch wesentlich interessanter gestalten können.
Anyway - mit "Blind Alley" verfügt diese erste Verfilmung der GESCHICHTEN AUS DER GRUFT dennoch über einen schön makaberen Abgang, der gleich Lust auf die nächste Fuhre macht. Die folgte nur ein Jahr später, 1973, mit THE VAULT OF HORROR, wo uns diesmal der andere Hammer-Adept Roy Ward Baker im Namen Amicus sechs weitere Episoden aus der Gruft servieren durfte.
Lange vor der TV-Serie und George Romeros CREEPSHOW haben sich die Hammer-Konkurrenten und Episodenhorrorfilm-Spezialisten von Amicus Bill Gaines' berühmte EC-Comics vorgenommen und die GESCHICHTEN AUS DER GRUFT mit Freddie Francis auf dem Regiestuhl und Peter Cushing im Staraufgebot erstmals auf die große Kinoleinwand gebracht. Fünf makabere Episoden (eine starke Eröffnung, zweimal nett und zweimal gut) mit gewohnt bitterbösen Schlusspointen werden zum Besten gegeben. Für die etwas lahme Rahmenhandlung und den zauseligen Crypt Keeper entschädigt insbesondere die letzte Geschichte, die geradewegs Jigsaws Heimwerkerkatalog entsprungen zu sein scheint.