DRAMA: I, 2008
Regie: Matteo Garrone
Darsteller: Salvatore Abruzzese, Simone Sacchettino, Salvatore Ruocco
Fünf Geschichten vom Leben und Sterben in Neapel: Zwei minderjährige Möchtegern-Gangster entdecken ein Waffenlager der Camorra und geraten auf die Abschussliste. Ein kleiner Bub bewundert die örtlichen Kriminellen, die sich einen Bandenkrieg liefern. Ein Geldbote klappert täglich im Auftrag der Mafia die Elendsviertel ab, um Angehörigen von einsitzenden oder erschossenen Bossen die Rente auszuzahlen. Ein junger Mann wird in das Millionen schwere Geschäft mit der Giftmüll-Entsorgung eingeführt. Und ein Schneider heuert bei der chinesischen Fälscher-Mafia an und gerät zwischen die Fronten...
KRITIK:Basierend auf dem Aufsehen erregenden Enthüllungs-Buch von Roberto Saviano liefert der italienische Filmemacher Matteo Garrone ein episches Mafia-Drama. Dem allerdings der Glamour und Pathos von Genre-Filmen wie Good Fellas oder The Godfather völlig fehlt. Mit voller Absicht, wie der Filmemacher in Interviews betont.
Leinwandgerechte Mafia-Paten, die in teuren Anzügen coole One-Liner von sich geben, wird man hier vergeblich suchen.
Der Film nähert sich der Mafia gewissermaßen aus der "Sklaven-Perspektive":
Statt der großer Bosse zeigt der Film die kleinen Fische,
die von einem Strudel aus Perspektivenlosigkeit, Armut, Gewalt und Paranoia mitgerissen werden.
Das ist nicht immer schön anzusehen, kommt aber der Realität gewiss sehr nahe. Mit einer wendigen Handkamera an Originalschauplätzen gedreht, wartet der Film mit einem hyper-realistischen Look auf. Der Film wirkt gewollt "unfilmisch", hat mehr von einer Dokumentation als von einem Spielfilm.
Was aber nicht heißen soll, dass es hier unzimperlich zugehen würde. Ganz im Gegenteil: Die Gewalt ist nichts für Zartbesaitete - gerade weil auf jede kino-gerechte Ästhetisierung verzichtet wurde.
Das Ergebnis ist ein zweieinhalbstündiges, deprimierendes Film-Erlebnis mit beträchtlicher Tiefenwirkung. Filme, die für sich in Anspruch nehmen, die Mechanismen von Gewalt und Gegengewalt zu analysieren, hat es schon viele gegeben.
Dies ist das Werk, das der Realität wohl am nächsten kommt.
Gewalt ohne Glamour: Der neorealistische Mafia-Film Gomorrha liefert eine erschütternde Innenansicht der kalabrischen Camorra - und wirkt in seiner Drastik und Tiefenwirkung beinahe wie ein Abgesang auf unsere Zivilisation.