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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Harry Brown

Harry Brown

THRILLER: GB, 2009
Regie: Daniel Barber
Darsteller: Michael Caine, Emily Mortimer, Ben Drew, Liam Cunningham

STORY:

Der Witwer und frühere Ex-Marine Harry Brown läuft nach der Ermordung seines besten Freundes Amok gegen eine heimische Jugendbande, denn die Polizei kann und will nichts ausrichten.

KRITIK:

Nachdem man den Film gesehen hat, wird es schwer. Einerseits, JA, man hat einen brillanten Michael Caine, der Mann ist 77, gewohnt cool in Arschtret-Aktion gesehen, andererseits wollte man von diesem Film doch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem prägenden gesellschaftlichen Problem Londons sehen. Zivilisation gegen Null-Bock-Generation, ein globales Problemchen, wie löst das ein Michael Caine wohl? Nun, mit einem richtig guten Drehbuch wohl anders, als in "Harry Brown".

Aber, wollten die Beteiligten, nicht alle einen Michael Caine-Film machen? Ja, sie wollten! Und zugegeben, der Film macht dennoch Spaß, wie auch "Gran Torino" Spaß gemacht hat, oh JA!

Wir sehen in beiden Filmen immerhin die ultimativen Großmeister in cineastisch Böse Schauen. Wenn Blicke töten könnten, dann am ehesten die Blicke von Clint Eastwood und Michael Caine. Was passiert also, wenn diese beiden Altherren auf bewaffnete Halbstarke treffen? Und wie schnell haben sie erst unsere Sympathien!

Obwohl sich hin und wieder unser Gewissen meldet, wenn moralisch gefestigte Nebenfiguren an die Vernunft apellieren, wir nehmen in Kauf, dass hier Gewalt mit Gewalt bekämpft wird. Einer muss sich opfern für das Wohl der Umwelt, einer muss durch die Hölle, sein Leben riskieren, den Abschaum beseitigen, so schauen heute unsere Erlöser aus, wenn ich mir die These erlauben darf; grauhaarig, weise, irgendwie doch grimmig, zerbrechlich und doch sauhart. Altherren, die noch echte Kriege mitgemacht haben und ihre Traumata längst lebensherbstlich überwunden haben. Und unser Feindbild in diesen Filmen? Die kriminelle Jugend? Die Polizei? Die Politik?

Harry Brown schildert der jungen Polizistin, dass es in Nordirland-Konflikt Menschen gab, die für etwas gekämpft haben, die an etwas glaubten und stellt den Bezug zur anarchistischen Ethik der bösen drogenabhängigen, schlägernden gegenwärtigen Jugend Londons her.

Nein, es ist nicht so, dass der Film keine Fragen stellt, er stellt sie sehr wohl, aber doch sehr zurückhaltend. Wie entsteht Jugendkriminalität? Warum beschaffen sich die Jugendlichen eher Waffen und Drogen, handeln lieber damit, als eine Ausbildung abzuschließen und für Mindestlohn hinter dem Schreibtisch zu sitzen, Etagen hochzuziehen, Zeitungen auszutragen oder Fritten zu verkaufen?

Es herrschen die Maßstäbe des schnell verdienten Geldes. Wer ahnt nicht, dass die Exekutive auch in diesem Film nicht sehr gut davon kommt? Es geht weit über Ernüchterung hinaus, wenn ihre kühle Präsenz bei Presseterminen mit Schönreden des Konflikts vernichtend dem Bild gegenübersteht, in der fünf Polizisten mit Stock und Schild einem Heer von aufgebrachten, jugendlichen Straßenkämpfern gegenüberstehen und dazwischen eine ganze Straße in höllischem Molotowcocktail-Feuer aufgeht.

Ob es nun möglich ist, dieses schreckliche Szenario grau in vielen ehrlich multiperspektivischen und kritischen Facetten nachzuzeichnen, ich weiß nicht. Man gewöhnt sich recht schnell an die Schwarz-Weiß-Malerei, man verliert sich, wie der Film in der Hoffnungslosigkeit dieser Darstellung, Rettung gäbe es nur in Selbstjustiz, denn der Exekutive sind die Hände gebunden.

In einer Szene, in der Emily Mortimer fragt; "Wohin soll all das führen?" (die exemplarische Ratlosigkeit einer Polizistin!), liegt die Besinnung, zu dem der Film schließlich kommt, und doch wird es zu spät sein (jedenfalls für die radikalen Moralisten da draußen). Den Zustand für die Allgemeinheit aus der Stadt zu treiben, diesen Weg will der Film erst gar nicht beschreiten, es gilt die Idee; der Mann hat in seinem Viertel aufgeräumt und hofft, dass man seinem Beispiel folgt! Schöne Schlussseinstellung!

Harry Brown Bild 1
Harry Brown Bild 2
Harry Brown Bild 3
Harry Brown Bild 4
Harry Brown Bild 5
FAZIT:

Harry Brown macht es sich leicht mit dem Thema, so leicht, wie es sich Gran Torino gemacht hat, aber doch stecken in dem Film diskutable, bemühte Ansätze. Filmisch funktioniert der Film als Thriller, der müde Protagonist dürstet nach Rache, ein ums andere mal unterhaltsam. Die Bilder sind ne Pracht, keine störende Stilisierung, immer nah am Look des europäischen Realism-Kino, aber wesentlich "schöner" als das amerikanische Eastwood-Pendant, man muss die zwei Filme vergleichen! Und ja; Michael Caine ist cool! Das Prädikat ist für den Film schwachsinnig, aber es darf in keiner Kritik fehlen! Ich tu mal nicht so, als wärs mir nicht aufgefallen …

WERTUNG: 8 von 10 Schachmattzügen
Gastreview von Nicolae
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Nic | 21.09.2010 17:44
naja, dem film fehlt tempo und originalität, aber sehenswert ist er, wenn man Caine leiden kann. spielt eigentlich immer gut..
ghostdog | 25.10.2010 10:45
Endlich wieder ein wirklich guter Rachethriller mit einer Spitzenbesetzung (Die zwei Junkies in der Fixerwohnung sehen ja sowas von authentisch aus!).
Auch wenn M. Caine nicht den Zynismus und die brutale Härte eines Ch. Bronson ausstrahlt, nimmt man ihm jede Szene ab.
"Harry Brown" ist insgesamt einfach ein Hammerfilm!
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