OT: Kevin - Integration eines Mythos
SATIRE: DE, 2008
Regie: Christian von Aster
Darsteller: Alexander Aue, Christian von Aster, Philip Dobraß, Ralf Esche, Johannes Franke, Sebastian Krumbiegel
Auf dem ersten Blick wirkt Kevin wie ein durchschnittlicher 19-jähriger Teenager. Er hat ne feste Freundin aber keinen Job, trifft sich Abends mit seinem Kumpels auf einen Drink und versucht sich in seiner Freizeit als Leadsänger einer Rockband. Doch anstelle von Budweiser kippt er sich Abends immer Bloodweiser hinter die Binde. Kevin ist nämlich ein Vampir. Und die haben es bekanntlich nicht leicht von der restlichen Gesellschaft akzeptiert zu werden. Weshalb Kevin beschloss sich für eine Dokumentation zur Verfügung zu stellen um den Zusehern einen kurzen Einblick in sein Leben zu gewähren. Ist schließlich wichtig. Wegen Integration und so ...
KRITIK:Bei "Kevin" handelt es sich um eine waschechte Mockumentary. Der Film wird dem Zuseher als eine Dokumentation über das Leben eines Durchschnittsvampirs vorgegaukelt, inklusive Interviews, einer sich ständig ins Bild drängelten Dokumentarfilmerin die immer auf die Wichtigkeit ihres Projektes hinweist und ein paar Leuten, die durch die gezielt provokanten Fragen vorgeführt werden.
In einer solchen Form könnte die Dokumentation auch leicht im Nachtprogramm eines dritten Senders laufen ohne weiter aufzufallen. Wenn nicht die überaus brisante Thematik wäre.
Eines muss man den Machern lassen: An Ideen mangelte es ihnen wahrlich nicht. Mal skurril, mal zynisch, hin und wieder leicht trashig, werden die unterschiedlichsten Aspekte beleuchtet. Von überforderten Sozialarbeitern, über findige Geschäftemacher, die mit dem Thema Vampire noch mal schnell absahnen wollen, bis hin zum Vampirfreak, der davon träumt, selbst zum Vampir zu werden und brav auf die Bewilligung seines Antrags hofft, ist so ziemlich alles vertreten. Es gibt Extremisten auf jeder Seite, Vorurteile, Gewalt, Ausgrenzung. Der Film stellt eine Menge Fragen. Wie wirken sich beispielsweise unsterbliche Langzeitarbeitslose auf den Arbeitsmarkt aus? Wie soll mit 300 Jährigen, die im Körper von Kindern gefangen sind, umgegangen werden? Wie reagiert die Industrie auf den Bedarf von Kunstblut? Und wie geht die Forschung mit den neuen "Versuchskaninchen" um?
Doch bereits nach kurzer Zeit zeigt sich, dass sich hinter "Kevin", so grenzwertig und spaßig der Film manchmal auch wirken mag, ein durchaus ernster Kern verbirgt. "Kevin" ist nämlich mehr als nur eine satirische Vampirkomödie. Dem Film geht es im Grunde um das Thema Integration. Es geht um die Integration einer ungewünschten, unbequemen Minderheit, in diesem Falle der Vampire, in die Gesellschaft. Es fallen also Kommentare wie "Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg." oder "Die haben eine ganz eine andere Kultur". Dazwischen gibt es große Reden schwingende Politiker, einen regen Handel mit (illegalen) Blutkonserven und die üblichen Probleme mit radikalen Schlägertrupps die Jagd auf Vampire machen.
Die Macher haben sich ordentlich ins Projekt gehängt, man merkt den Film an, dass er nicht nur gut durchdacht sondern auch mit Herzblut gemacht wurde. Aber wie es bei engagierten Projekten, die sich auch mal trauen die Grenzen der political correctness zu übertreten, meist so ist, dürfte das Budget wohl nicht allzu üppig ausgefallen sein.
Sicher, auch echte Dokumentationen wirken oftmals nicht weniger billig produziert, was jedoch stört sind die Darsteller, die mit ihren Rollen oftmals sichtlich überfordert sind. Das meiste wirkt eben aufgesetzt und total over the top. Man könnte jetzt einwenden, dass die "schauspielerischen" Leistungen in den diversen (gescripteten) Dokuformaten die das nachmittägliche Fernsehprogramm überschwemmen, auch nicht wirklich viel besser sind. Stimmt ja auch. Aber mich persönlich stört es halt wenn manche Interviewpartner wirken, als hätte sie sich bei Switch abgeguckt wie man sich als Business-Zicke oder als weltfremder "Künstler" bewegen zu hat. Da hilft es auch wenig, dass es den Machern gelungen ist ein paar mehr oder weniger bekannte TV-Gesichter für kleinere Rollen auszugraben.
Am Besten ist "Kevin" aber immer dann, wenn mit hinterfotzigen Zynismus in die offene Wunde gestochert wird, beispielsweise in den netten kleinen Zeichentrickfilmchen, in denen für Toleranz werbende Aufklärungsfilmchen gekonnt parodiert werden.
Auch wenn Twilight schon kräftig Vorarbeit geleistet hat, haben infizierte Haematophagen (im Volksmund auch gerne als Vampire bezeichnet) immer noch mit Vorurteilen und gefährlichem Halbwissen zu kämpfen. Deshalb hat es sich die engagierte Journalistin Lucy van Zandt zusammen mit ihrem Team zur Aufgabe gemacht, mit den Mythen aufzuräumen und den Alltag eines Haematophagen darzustellen. Zu diesem Zweck begleitet sie mit ihren Team den 19 jährigen Vampir Kevin Schmidtke durch seinen Alltag, zwischen Dosenblut, Bandproben und Arbeitsamt.
In diesem Sinne: "Integration jetzt! Denn Vampire sind auch nur Menschen!" (Nur halt ein bissi tot und bissig).