THRILLER: USA, 2011
Regie: William Friedkin
Darsteller: Matthew McConaughey, Emile Hirsch, Juno Temple, Gina Gershon
Der junge Drogendealer Chris (Emile Hirsch) hat ein Problem: Fiese Typen drängen mit schlagkräftigen Argumenten auf die Rückzahlung von 6000 Dollar Spielschulden. Die Rettung könnte die Lebensversicherung von Chris' verhasster Alkoholiker-Mutter sein, die noch dazu sein Koks geklaut hat. Papa und Sohn treffen sich in der örtlichen Strip-Bar und besprechen das Mordkomplott. Den Auftrag erhält der titelgebende Killer Joe (Matthew McConaughey), der Bares sehen will, was Chris leider nicht hat. Was Chris aber sehr wohl hat, ist eine hübsche minderjährige Schwester, in die sich der Killer verguckt hat. Wenn das nur mal gutgeht ...
Leider hab ich William Friedkins neuen Film auf der Viennale - peinlich, ich weiß - verschlafen. Woran aber auch die eher unchristliche Beginnzeit von 1:30 morgens nicht ganz unschuldig war. Liebend gerne hätte ich den Film auf der großen Leinwand gesehen und die Reaktionen des Publikums beobachtet. Wurde KILLER JOE tatsächlich als die "Schwarze Komödie" aufgenommen, als die er in so vielen Rezensionen bezeichnet wurde? Oder hat er die Besucher mehrheitlich erschreckt, sprachlos gemacht, ihnen die Kinnlade auf Kniehöhe kippen lassen?
So ist es zumindest mir ergangen. Doch der Reihe nach. Wir befinden uns im vertrauten, fast schon heimeligen Szenario eines texanischen Trailerparks: Pittoresker Verfall ringsum, kläffende Köter, Bierflaschen am Tisch, übergroßer Fernseher, der die Bewohner rund um die Uhr mit zielgruppengerechten kulturellen Hervorbringungen beglückt: Cartoons und Monster-Truck-Rennen.
Doch spätestens, als die Kamera auf Gina Gershons hairy crotch hält, als diese ohne Unterwäsche die Tür öffnet, wird klar, dass dieser Film einen anderen Ton anschlägt. Sicher, vordergründig haben wir es mit einer schwarzen Thriller-Groteske im White Trash-Milieu zu tun. Doch je länger der Film läuft, desto klarer wird, dass der alte Fuchs William Friedkin etwas anderes im Schilde führt, etwas Größeres, Verstörenderes.
Nein, vergesst es, KILLER JOE hat keinen übersinnlichen Twist. Es ist auch nicht mit grüner Kotze und Kruzifix-Masturbationen zu rechnen. Das Grauen steht hier durchaus auf dem Boden der Tatsachen, und es trägt das Gesicht von Matthew McConaughey.
Wahnsinn! Ich hatte ja keine Ahnung, wer dieser Mann ist und was er bislang gemacht hat. Ein Blick in die IMDB offenbarte mir ein ziemlich umfangreiches filmisches Sündenregister, in dem verdächtig oft die Begriffe "Verlieben", "Ausziehen" und "Womanizer" vorkommen. Vielleicht war sein thematischer Sprung von den seichten Romanzen in William Friedkins abgründiges Thriller-Drama gar kein so großer: Als Märchenprinz aus der Hölle darf MMC hier das Herz einer minderjährigen Trailerpark-Cinderella brechen. Und ich werde vermutlich nie wieder Hendlhaxen essen können, ohne an die - nun ja - erinnerungswürdige Szene mit Gina Gershon denken zu müssen.
Ist KILLER JOE ein zynischer Film? Nein. Man hat zu keiner Sekunde das Gefühl, dass sich Friedkin über seine Charaktere (und es sind wirklich Charaktere mit Biographie und tragischer Fallhöhe!) lustig machen würde. Ganz im Gegenteil: Der alte Meister liebt seine Figuren aufrichtig und lässt ihnen in jeder Situation ihre Würde. Nix schwarze Komödie also, eher großes amerikanisches Verstörungskino im Thriller-Gewand. Und einer der besten Filme des Jahres obendrein.
Mit 75 Jahren liefert William Friedkin ("DER EXORZIST") ein so radikales, gegen den Strich gebürstetes Monster von einem Film, wie es manch überschätztem Jungregisseur gut anstehen würde. Nur oberflächlich ein schwarzhumoriger Thriller, packt KILLER JOE am Ende die dicke Verstörungskeule aus.
In diesem Sinne: "How are you coming along with killing my mum?" - "This is not an appropriate dinner conversation." - "Unless you poison her."